Nehmen wir es vorweg - mit 750 internationalen Ausstellern und einem umfangreichen Rahmenprogramm war die Stockholm Furniture Fair & Northern Light Fair ein Erfolg. Der Eindruck von Optimismus entstand trotz der Finanzkrise vielleicht auch aufgrund des immer noch nicht beendeten Baubooms in Stockholm. Im Gegensatz dazu wirkte die Lobby des Northern Light Hotels eher düster. Die Hotelgäste sind zu einer Hitchcock-Installation der Designerin Monica Förster geladen. Hunderte von schwarzen Elstern sitzen auf Stacheldraht, der über den mit dunklen Kieselsteinen versehenen Sitzbereich gespannt ist. Die Vögel sind zudem Teil einer neuen Deckenlampe für die Firma Zero. Das diesjährige Erfolgsobjekt von Monica ist auch zu sehen - hohe weiße Kerzen mit einer tanzenden Kurve in der Mitte.
Retro oder Comeback
Die Wiederbelebung von Bruno Mathssons (1907 - 1998) rotierendem „Jetson chair" in Weiß und das Comeback des „String"-Bücherregals von Nisse Strinning (1917 - 2006) sind weitere Überraschungen, gerade weil sich bis vor kurzem noch niemand für die Objekte interessiert hat. Der 60. Geburtstag der String-Möbel wird mit einer Neuauflage des „String Pocket"-Regals mit goldener Leiter und Palisanderholzregalen gefeiert, gestaltet nach einer Idee von Mats Theselius. Wie nicht anders zu erwarten, waren die 600 Stück sofort ausverkauft. Der Hersteller der String-Möbel zeigt zudem das elegante, hängende Buchregal „Cell", ein minimalistischer Entwurf von Filmemacher Peter Cohen, bei dem dünne Regalböden an Schnüren mit kleinen Metallkugeln hängen und die Bücher fast schwerelos erscheinen lassen.
Ist Beige die aktuelle Trendfarbe?
Gehört die Zukunft der Farbe Beige? Man könnte es meinen, denn die Farbe war auffallend oft auf der Messe vertreten. So hat zum Beispiel Mats Theselius' perlmutt-schimmernder Stuhlentwurf „Star" für Källemo die bei ihm bewährte, qualitätsvolle und langlebige Trommelbespannung. Bei der Firma Svenskt Tenn ist Josef Franks (1885 - 1967) extrabreites Sofa „Liljevalch" (1937) in beigefarbenes Leinen gehüllt anstatt in die farbenfrohen Muster von damals. Der Designer Erik Nirvan Richter von Norrgavel hat wachsenden Erfolg mit seiner modernen beigefarbenen Serie, die er in der Tradition von Carl Malmsten (1888 - 1972) gestaltet hat. Norrgavels sechzehn Jahre alter Entwurf der Lifestyle-Möbel ist aus natürlichem Holz, Wolle, Leinen und Metall gefertigt und sieht angesichts des nachhaltigen Stils immer noch aus wie früher. Dieses Jahr haben aber offensichtlich seine Kinder den Wunsch nach einem Sofa geäußert, das gemütlicher ist als die hölzerne Variante, und so hat ein vollständig mit Stoff bezogenes Sofa Einzug in Richters Design-Welt gehalten, das man vorzüglich mit Jasper Morrisons neuem leichten Stuhl - aus Holz, Sitz und Lehne aus Kunststoff - kombinieren könnte, natürlich, um mit dem Vitra-Produkt das Designniveau noch weiter zu heben.
Obwohl die nordische Wohnzimmer-Atmosphäre des Jahres 2009 von leuchtenden Farben mit einem starken Fliederton beherrscht wird, stellt sich die Frage, ob man nächstes Jahr tatsächlich wieder, wie es die Messe prognostiziert, zu den natürlichen blassen Farben zurückkehren wird? Und stellen sich die Hersteller, die stolz ihre wiederverwertbaren Materialien präsentieren, auch der Herausforderung, eine Qualität anzubieten, die Generationen überdauern kann?
Licht-Frühstück mit Studioilse
An zwei Tagen hat früh am Morgen Wästberg, ein brandneuer schwedischer Hersteller von Leuchten, im Hotel Berns Seminare abgehalten. Der Croquebouche-Palast von 1863 im Herzen Stockholms ist zum Ort für Mode- und Designevents avanciert, seit Terence Conran ihn nicht mehr betreibt. Wie sagte doch schon der Schriftsteller August Strindberg im roten Saal vom Berns, einem beliebten Künstlertreff: „Das elektrische Licht wird dazu führen, dass sich die Leute zu Tode arbeiten". Magnus Wästberg hat diesen Ort gewählt, um zu verkünden: „Meine Idee ist es, dem allgegenwärtigen, breitgestreuten, elektrischen Licht den Kampf anzusagen und dem direkten Licht den Vorzug zu geben", erklärt er und verweist damit auf die derzeitige Revolution im Lichtdesign.
Die Designer Ilse Crawford aus London und Michael Young aus Hongkong sind seine Frühstücksgäste. Zwischen den Tischen befindet sich Wästbergs erste, aus vier Leuchten bestehende Kollektion, jede präsentiert in einem Aquarium mit gedämpftem Licht, entworfen von dem Designtrio Claeson, Koivisto und Rune, kurz CKR, selbstbewussten schwedischen Minimalisten. Mit dem Entwurf des neuem Showroom für Offeccts und der Präsenz bei sechs weiteren Herstellern haben CKR überall auf den Möbel- und Lichtdesignmessen ihre Spuren hinterlassen - der Hit bei Offecct ist der dreistufige und dreifarbige Sofatisch „Etage" von Eero Koivisto. Außerdem hat CKR für Wästberg eine Arbeitstisch- und eine Bodenleuchte entworfen, eine Mini-Leuchte soll folgen.
Ilse Crawfords Tischleuchte „Studioilse" hat eine Fassung aus Buchenholz, der Schirm ist aus Porzellan und der Fuß besteht aus einem die Standfestigkeit erhöhendem Eisenguss: Zu ihrer freundlich anmutenden Eleganz sagt sie: „Ich verwende lediglich natürliche Materialien und ich liebe Holz und Porzellan."
Frauen sitzen gerade
Gibt es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen, wenn es um Möbeldesign geht? Monica Förster wurde im Rahmen der Gestaltung eines Bürostuhls für Officeline gebeten, ihr ergonomisches und psychologisches Wissen über Frauen und ihre Sitzgewohnheiten beizusteuern. Demnach sitzen Frauen eher mit geradem Rücken auf dem Rand und aufrecht, mutmaßlich um wahrgenommen zu werden. Was nicht heißt, dass Männer deshalb nur, wie es das Klischee will, zurückgeleht im Stuhl hängen und die Beine auf den Tisch legen. Das Ergebnis von Försters Arbeit ist jedenfalls „Lei" - ein Stuhl mit Sattel und mit Kissen, um das Hohlkreuz zu stützen. Einige Frauen, die die neuen Stühle testeten, nickten zustimmend und offensichtlich entspannt. Björn Dahlströms Frau Anna von Schewen polstert ihren Stuhl „Dress" für Gärsnäs hingegen mit Taille und Rock auf sehr weibliche Art, um die Club-Anmutung etwas abzumildern.
Auf dem Teppich bleiben
Auch im Textilbereich sind es Frauen, die neue Möglichkeiten ausprobieren, zum Beispiel die Schwestern Annica und Marie Eklund Bolon mit ihrem gewebten Vinyl-Bodenbelag, deren schwedische Produktion sich nunmehr in der dritten Generation befindet und im eigenen Land weniger bekannt ist als in europäischen, asiatischen und amerikanischen Metropolen. Die Schwestern Bolon entwickeln ihre Ideen seit 1995, nachdem sie sich nach ihrer Designerausbildung und mit neuen unternehmerischen Ansätzen auch dem Thema Innenraum gewidmet hatten. Der väterliche Betrieb, den sie weiterführen, war einst auf Camping-Ausstattung beschränkt. Über das Material Vinyl sagen sie: Recycling funktioniert soweit, aber Forschung und Umweltbewusstsein werden neue Lösungen mit sich bringen.
Das erfolgreiche schwedische Teppichunternehmen Kasthall hingegen würde nie etwas anderes verwenden als natürliche Fasern, zumindest sagt man mir das, als ich auf den extra-langhaarigen Teppich „Rya" der Designerin Gunilla Lagerhem stoße, der auf einem flachen silbrig-weißen Teppich von Anna Schou liegt. Überhaupt tut sich im Bereich des Textildesigns eine Menge: Für Kvadrat, dessen Produkte hauptsächlich von der schwedischen Textildesignerin Fanny Aronsen entworfen werden, hat Gunilla Allard mutig einen Showroom in Verner Panton-Manier gestaltet. Ania Septon hingegen überzog das kubistische und tatsächlich magnetische Sofa „Area" mit neuen farbigen Stoffen von Kvadrat. Die Designer und Unternehmer Margot Barolo und Ulrika Mårtensson weckten mit ihren Stoffen für Knitsbythemetre großes Interesse für die taktile, dreidimensionale und häufig transparente Gestaltung. Der Besuch einer alten Messingfabrik inspirierte sie zu dem wunderbaren schwarzen Stoff „bras pyramids". Und das House of Sweden in Washington DC hat Filztextilien von Barbro Lomakkas als Bodenbeläge für seine Räume gewählt. Die Teppiche in ihren strengen Formen und natürlichen Wollfarben zeichnen sich durch eine sehr räumlich wirkende Knüpftechnik aus und sind zudem für ihre guten akustischen Eigenschaften bekannt. Und schließlich freut sich Klässbols, die Leinenfabrik im Westen Schwedens, über Ulrika Elovssons Kollektion „Memory". Ihre Verbindung aus schwedischer Textiltradition und alten gewebten Bändern mit modernen Techniken hat schimmernde schwarze, weiße und beige Bett- und Kissenbezüge hervorgebracht.
Bleibt nur noch Jens Fager zu erwähnen, der Designer des Jahres, dessen Holzmöbel, die wie handgeschnitzte Objekte aussehen, den Umschlag des Messekataloges schmücken. Sein Stuhl „Raw" war, als er letztes Jahr die Designhochschule verließ, eine Sensation. Nun wird er vom dänischen Hersteller Muuto produziert.