JUNGE TALENTE
Glänzende Zukunft
Durch ihren Vater, einen Zinngießermeister mit eigener Werkstatt, kam Elena Kayser schon früh mit Design und Produktion in Berührung. "Mein Papa hat meine Entwicklung als Designerin maßgeblich geprägt", sagt die 25-Jährige. "Ich war schon als Baby im Maxi-Cosi dabei, wenn er in der Gießerei gearbeitet hat." Stefan Kaysers Werkstatt liegt im malerischen St. Ingbert im Saarland. Es ist ein großes, L-förmiges Gebäude, unter dessen Dach sich neben einem geräumigen Lager, einem Büro und einem Verkaufsraum auch verschiedene Produktionsräume befinden. In der sogenannten Dreherei ist Elena Kayser fast täglich an einer alten Werkbank anzutreffen, wenn sie an neuen Schmuckstücken für ihr Label Studio Èna arbeitet. Neben hochmodernen Laser- und Fräsmaschinen finden sich hier auch alte Werkzeuge, die zum Teil noch aus Kayserzinn-Zeiten stammen. Elena Kayser und ihr Vater sind direkte Nachfahren von Jean Kayser, der Mitte des 19. Jahrhunderts für die Produktion der weltberühmten Kayserzinn-Objekte verantwortlich war. Da Zinnguss heute kaum noch gefragt ist, werden in der Werkstatt hauptsächlich Gravuren für Industrie und Werbung gemacht. Aber auch antike Kayserzinnvasen und -schalen werden hier restauriert und aufpoliert.
Im Rahmen ihres Bachelorstudiums an der Hochschule der Bildenden Künste in Saarbrücken setzte sich Elena Kayser 2019 erstmals intensiv mit der eigenen Familiengeschichte, deren Produkten und Designideen auseinander. Das Ergebnis war eine moderne, per USB aufladbare LED-Tischleuchte aus Zinn, die in Form und Funktion an eine Kayserzinn Öllampe erinnert. "Mit 'Blik' habe ich das Material neu interpretiert und in den Kontext von Licht gestellt", sagt Elena Kayser. "Derzeit suche ich Partnerunternehmen für die Produktion und den Vertrieb der Leuchte."
Ende 2019 erhielt Elena Kayser an der HBK im Rahmen des Projekts "Design Bazaar" die Aufgabe, innerhalb von sechs Wochen ein marktreifes Produkt zu entwerfen, das im Rahmen eines vorweihnachtlichen Pop-ups verkauft werden kann. Dabei stieß sie in der Gießerei auf interessante Produktionsreste: organische Formen, die sie zu Ohrringen inspirierten. "Diese charakteristischen Formen entstehen, wenn Zinn aus den Formen tropft und mit Wasser in Berührung kommt", erklärt Elena Kayser. "Vergleichbar mit dem Bleigießen an Silvester." Die Ohrringe, kleine polierte Plättchen aus Zinn, die passenderweise den Namen Toeval (niederländisch für Zufall) tragen, kamen bei den KundInnen damals so gut an, dass Kayser beschloss, sie auch vergoldet anzubieten. Studio Èna war geboren. Bis heute hat Elena Kayser das Portfolio ihres Schmucklabels um zahlreiche neue Modelle erweitert.
Nach Abschluss ihres Bachelorstudiums absolvierte Elena Kayser mehrmonatige Praktika bei renommierten Designstudios: Bei Formafantasma in Rotterdam lernte sie 2021 wesentliche Prozesse und Techniken in der Praxis kennen, die sie bisher nur aus dem Studium kannte. "Die Zeit in Rotterdam war unglaublich bereichernd für mich als Mensch, aber vor allem als Designerin", sagt sie. 2022 verbringt Kayser neun Monate bei Sarah Illenberger in Berlin – zunächst als Praktikantin, dann als freie Mitarbeiterin. "Sarah ist die kreativste Person, die ich je kennenlernen durfte", schwärmt sie. "Sie hat mir gezeigt, dass Design nicht nur den Anspruch haben muss, ‘die Welt zu verbessern’, sondern dass auch Spaß und Humor erlaubt sind." Dass sie das verinnerlicht hat, bewies Elena Kayser kürzlich im Rahmen der "Mono Residency". Der Startschuss für das Nachwuchsförderprojekt in Zusammenarbeit mit German Design Graduates fiel Anfang 2023 in der Mono Manufaktur in Mettmann. Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der ikonischen Teekanne von Tassilo von Grolmann wurden zehn talentierte NachwuchsdesignerInnen der letzten vier Jahrgänge eingeladen, einzigartige Objekte zu entwerfen, die die Form und Materialität der Mono Teekanne aufgreifen und gleichzeitig durch ihre Eigenständigkeit und starke Ästhetik für sich sprechen. "Bei der Umsetzung waren uns keine Grenzen gesetzt”, sagt Elena Kayser. "Wir konnten völlig frei und – was ich besonders spannend fand – auch künstlerisch an die Sache herangehen."
Gesagt, getan. Die Teekanne, die Elena Kayser für Mono entworfen hat, ähnelt zwar in Grundform und Radien dem Vorbild, doch das filigrane Gestell wirkt wie aufgeblasen. "Chubby Tea" erinnert an Luftballontiere, wie man sie von Kindergeburtstagen oder Jahrmärkten kennt. Die Teekanne war zuletzt im Rahmen der Vienna Design Week zu sehen. Von der Idee her klingt das vielleicht einfach", sagt die junge Designerin. "Aber die Umsetzung war eine echte Herausforderung." Der Prototyp ist ein 3D-Druck, der mit viel Ausdauer geschliffen und anschließend mit Chrom lackiert wurde. "Ursprünglich hatte ich die Idee, die Kanne aus Zinn zu gießen, aber der Herstellungsprozess wäre zu komplex gewesen für die kurze Zeit, die uns zur Verfügung stand." Dass Zinn die Produktdesignerin immer wieder zu neuen Kreationen inspiriert, zeigt auch ihre Zusammenarbeit mit dem Berliner Modelabel Avenir, für das sie kürzlich eine Brosche in Form einer überdimensionalen Haarnadel entworfen hat. "Zinn hat in meiner Familie eine lange Tradition", sagt sie. "Dass ich die erste Frau bin, die als Designerin mit diesem Material arbeitet, macht mich stolz. Das möchte ich auf jeden Fall fortsetzen." Man darf gespannt sein, wie es Elena Kayser in Zukunft gelingen wird, dem diesem alten Material einen neuen Kontext zu geben.