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Eine mexikanische Sammlung
Im GesprÄch: Regina Pozo
26.03.2014
Regina Pozo Ruiz, Direktorin des Archivo Diseño y Arquitectura. Foto © Archivo Diseño y Arquitectura
Ebenso wie das Haus von Luis Barragan oder die Labor Gallery, befindet sich auch das „Archivo Diseño y Arquitectura” in einer ruhigen Straße in Tacubaya, einem vermeintlichen Arbeiterviertel von Mexico Stadt.
Gegründet wurde es von dem Architekten Fernando Romero (FR-EE) aus dem Drang heraus, etwas für die Stadt zu schaffen: „Eine Einrichtung, die der Öffentlichkeit den bislang verwehrten Zugang zu bestimmten Objekten, die an anderen Orten der Welt bereits in verschiedenen Sammlungen und Museen zu finden sind, ermöglicht. Nach drei Jahren des intensiven und systematischen Zusammentragens wurde das Archivo als institutioneller Rahmen, in dem das Ergebnis dieser Arbeit präsentiert werden soll, gegründet” erklärt Pozo. Seit der Eröffnung widmet sich die Institution der Erforschung, der Sammlung, Ausstellung und Vermittlung von Design. Hier schreibt man Design mit einem großen D und unterstreicht so seine Bedeutung.
Die zunehmende Aufmerksamkeit, die dem Thema heutzutage zukommt, erklärt sich aus dem Wunsch heraus, zu verstehen, was Design für uns bedeutet und noch wichtiger: Was es mit uns macht. Es ist ein Thema, dem man sich lediglich aus einer lokalen Perspektive heraus annähern kann. Mit der Direktorin von Archivo, Regina Pozo, sprachen wir über die Hintergründe und über die Art und Weise, auf die das Archivo versucht, in Mexiko Stadt einen Ort für den Diskurs über lateinamerikanisches Design zu schaffen.
Ausstellungsraum des Archivo. Foto © Adam Wiseman
Das Archivo Diseño y Arquitectura in Mexico Stadt. Foto © Rafael Gamo
Isabel Martínez Abascal: Das Archivo scheint eine Plattform zu sein, die sich zwischen Museum und Laboratorium bewegt. Wie verbinden Sie diese beiden Aspekte?

Regina Pozo: Wir sind noch zu jung, um uns als Museum betrachten zu können. Wir ziehen es vor, in einem kleineren Rahmen zu agieren, da sich dadurch die Möglichkeit für interessante und dynamische Gemeinschaftsprojekte eröffnet. Das prägt unsere Arbeitsweise im Archivo entscheidend. Eine etwas angemessenere Bezeichnung wäre daher vielleicht: Das Haus eines Sammlers, das allen zugänglich ist.

Seit wann wird eigentlich im Alltag genutztes Industriedesign als Kunst ausgestellt und was halten Sie von diesem Phänomen?

Wir haben kürzlich eine Ausstellung mit dem Titel „The Eye Collection, the Dark Side of Design” organisiert, in der wir die Sammlung von Designobjekten einer Neubetrachtung unterzogen haben. Dabei handelt es sich ja um eine noch immer ziemlich junge Disziplin. Das Ganze entwickelte in den 1980er Jahren eine gewisse Dynamik, als „historisches“ Design plötzlich anders gewürdigt und vermarktet wurde. Drei Jahrzehnte später ist das Sammeln von herausragenden Objekten immer noch ein Abenteuer, da es zahlreiche, ganz unterschiedliche Dinge gibt, die man für die Nachwelt erhalten sollte. Daher ist es auch so wesentlich, die Bedeutung des Sammelns von Design als wichtige kulturelle Maßnahme zu kommunizieren (unter anderem durch Ausstellungen), die zugleich eine historische Verantwortung darstellt.
Die Ausstellung "The Eye Collection, the Dark Side of Design" im November 2013 im Archivo Museum. Foto © Rafael Gamo
Hinsichtlich der Präsentation von Design war das Museum of Modern Art (MoMA) wegbereitend. Durch verschiedene Maßnahmen wie Wettbewerbe und Ausstellungen schuf es diese Form der Neubetrachtung von Alltagsobjekten – beispielsweise mit der Ausstellung „Organic Design” von 1941 oder „Good Design” zehn Jahre später. Clara Porset hat 1952 hier in Mexiko mit „Arte en la vida Diaria” ihr ganz eigenes Vorhaben umgesetzt.
Bilder aus dem Katalog zur Ausstellung „El Arte en la Vida Diaria”, kuratiert von Clara Porset. Fotos © Clara Porset
Wie unterstützen Sie junge Designer?

Wir engagieren uns für die Verbreitung von Designkultur und binden junge Designer in einen kritischen Dialog ein. Überdies widmen wir uns dezidiert der kritischen Betrachtung unserer eigenen Designszene und verfolgen genau was passiert.

Man spricht häufig von skandinavischem oder schweizerischem Design. Was kann man sich vorstellen, wenn von mexikanischem Design die Rede ist?

Wir haben gegenwärtig noch keine klar definierte Handschrift. Das Archivo versucht, die herausragenden Aspekte und kompetitiven Merkmale unserer Designproduktion zu beschreiben. Weg von einem trivialisierten „Markenzeichen” und hin zu einem, das das kreative Potenzial Mexikos erfasst. Bislang gibt es Konzepte, Kooperationen und ein herausragendes handwerkliches Können.

Wie ist in Mexiko das Verhältnis zwischen Handwerk und Design?

Die mexikanische Kultur beruht auf handgefertigten Dingen. Das ist in diesem Land naheliegend, da wir so viele Handwerker haben – ein Vorteil, den wir stärker nach Außen kommunizieren müssen als andere Designtraditionen. Sicherlich gibt es auch andere Aspekte, aber das Handwerk genießt unter unseren Designern und in der Industrie einen besonderen Stellenwert. Im mexikanischen Kontext ist Design meistens eine Frage von kleinen Serien, Unikaten und handgemachten Objekten. Vor diesem Hintergrund ist Industriedesign bei uns im Moment vor allem eine Art Eigenproduktion - wobei ich hier natürlich stark verallgemeinere.

Welche Materialien, Details und Konzepte spielen für mexikanisches Design eine Rolle?

Im Hinblick auf Materialien steht Mexiko für eine intelligente Nutzung natürlicher Ressourcen – dank unserer geografischen Lage haben wir davon einige. Überdies werden industrielle Materialien für die handwerkliche Produktion oder für einfache Herstellungsprozesse adaptiert. Dieser Korb ist beispielsweise ein Serienprodukt (er wird zur Zeit nicht mehr hergestellt), für das ein industrielles Material (Draht) mit handwerklicher Kompetenz gepaart wurde. Er ist zusammenklappbar und aufgrund des Herstellungsprozesses in seiner Form je nach Bedarf anpassbar.
Handgeflochtener Korb aus Draht. Foto © Archivo Diseño y Arquitectura
Wie hat sich mexikanisches Design im letzten Jahrzehnt – und seit der Moderne – verändert und warum?

Die Moderne ist das beste Beispiel für die kulturellen Leistungen in Mexiko. Sie hat junge Designer stark inspiriert, aus dem lokalen Kontext heraus einen eigenen Ansatz zu entwickeln und örtliche Aspekte und Anforderungen zu reflektieren. Die Einbindung von Kunststoff beispielsweise hat zu umfassenden Experimenten geführt. Durch ausländische Experten, wie Clara Porset, George Nakashima, Don Shoemaker, Michael Van Beurenoder oder Po Shung Leong – um nur einige zu nennen - erhielt diese Entwicklung außerdem einen zusätzlichen Impuls.
Der Stuhl "Hacienda" von Po Shung Leong. Foto © Archivo Diseño y Arquitectura
Im Vorfeld der Olympischen Spiele – und mit ihnen als Wendepunkt im Jahre 1968 – hat der wirtschaftliche und politische Aufschwung Mexiko in die Lage versetzt, seine Wertschöpfungskette zu erweitern und sich als Produktionsland zu entwickeln. Pedro Ramírez Vázquez ist ein gutes Beispiel eines typischen Designers jener Epoche und Horacio Durán und Oscar Haggerman initiierten interessante Projekte, die die Art und Weise, wie wir mexikanisches Design heutzutage betrachten, wesentlich beeinflusst haben.
Stuhl "Arrullo" von Oscar Haggerman. Foto © Archivo Diseño y Arquitectura
Bank von Pedro Ramírez Vazquez. Foto © Archivo Diseño y Arquitectura
Während der 1990er Jahre war es selbstverständlich über mexikanisches Design zu reden, es wurde geradezu floskelhaft. Heute sind wir an einem Punkt, an dem wir uns selbst definieren können anstatt uns darauf zu beschränken, andere Kontexte nachzuahmen.

Wie ist das Verhältnis der mexikanischen Bevölkerung zu Design im Alltag und wie wird ihm entsprochen?

Die Wahrnehmung ist diesbezüglich nicht sehr ausgeprägt. Das möchte das Archivo verändern, indem wir zunächst das ABC dessen, was als gutes Design zu betrachten ist, zeigen und dann von diesem Punkt aus eine Diskussion starten.

Wo steht mexikanisches Design gegenwärtig und wie sind die Aussichten?

Während Tradition, Geografie, sozialer Kontext und lokale Gepflogenheiten bereits einen starken Einfluss ausüben, müssen, was die globale Sprache von Marketing und Business betrifft, die kreativen Köpfe unseres Landes, noch einiges lernen. Mexikanisches Design ist zwar bekannt – jedoch nicht unbedingt aus Gründen die wir gutheißen. „Fabrica Mexico” ist hingegen ein erfolgreiches Beispiel für eine Weltmarke, die Produkte für einen Premiummarkt mit dem „Made-in-Mexiko-Stempel“ („Hecho en México”) verkauft. Echtes mexikanisches Gegenwartsdesign findet sich eher in meiner und der nächsten Generation, den unter 30-Jährigen. Wir sind weniger verhalten, wenn es darum geht, sich an Diskursen zu beteiligen, die im globalen Kontext eine Rolle spielen. Als Teil der Internetkultur gefällt mir die Vorstellung, dass die Digitalisierung den Entwurfs- und Entstehungsprozess von Design mit beeinflusst.
Regina Pozo Ruiz, geboren 1985 in Mexiko-Stadt, studierte Kunstgeschichte an der Universidad Iberoamericana. Derzeit ist sie Direktorin und Chefkuratorin des Archivo Diseño y Arquitectura und Mitglied des Rates „Abierto Mexicano de Design“ (AMD).