top
Eine Frage der Knoten
IM GESPRÄCH:

Vanessa Brady und Piero Lissoni


01.02.2016
Den Teppich fühlen: Die Kollektion „Fascination“ von Vorwerk mit 350 überarbeiteten Farben war eines der Highlights auf der Domotex in Hannover. Foto © Tyler Loco

Piero Lissoni, Designer und Architekt aus Mailand, und Vanessa Brady, Innenarchitektin aus London, sind als Special Guests zur Domotex in Hannover gekommen. Gemeinsam mit Robert Volhard, Gründer von Stylepark, haben sie die Messehallen durchstreift und dabei Teppichböden in neuen Farben, täuschend echt anmutenden Kunstrasen sowie moderne handgeknüpfte Teppiche aus Indien und dem Iran begutachtet. Martina Metzner hat die beiden auf ihrem Rundgang begleitet, ihnen über die Schulter geschaut und zugehört.

Farbe ins Leben bringen: Piero Lissoni, Vanessa Brady und Robert Volhard, Stylepark, am Stand von Vorwerk. Foto © Tyler Loco

Martina Metzner: Herr Lissoni, wie wählen Sie Teppiche für Ihre Projekte aus?

Piero Lissoni: Für ein Projekt wähle ich immer einen bestimmten Materialmix – nicht nur einen einzelnen Teppich oder Bodenbelag. Es kommt immer auf die richtige Mischung an. Wenn das Haus samt Interior Design fertig ist, mache ich mir meist noch einmal Gedanken, welche Teppiche ich noch hinzufüge. Zuletzt habe ich ein Privathaus fertiggestellt, bei dem ich am Ende in fast allen Bereichen – bis auf die Küche und das Bad – noch abgepasste Teppiche in einem cremigen Weiß eingesetzt habe. Was die neue Farbpalette von Vorwerk angeht, die das Unternehmen zusammen mit Giulio Ridolfo erarbeitet hat: Auch Teppiche und andere Bodenbeläge unterliegen gewissen Moden – ähnlich wie bei Stoffen für Polstermöbel. Man muss von Saison zu Saison immer wieder neue Farben zeigen und ins Spiel bringen. Ich persönlich interessiere mich zwar für diese neuen Farben, bin aber kein allzu großer Fan von ihnen. Ich arbeite lieber mit einer leisen, gedämpften Farbklaviatur.

Wenn grüner Rasen bei jedem Wetter grün bleibt: Am Stand von Fungrass entdeckt Piero Lissoni (rechts) täuschend echt wirkenden Kunstrasen. Foto © Tyler Loco

Frau Brady, Sie entwickeln Interior Designs für die Schönen, Reichen und Adligen. Kommt Kunstrasen da überhaupt in Frage?

Vanessa Brady: Wenn Sie einen Raum so gestalten wollen, als sähe er nach einem Outdoor-Bereich aus, dann ist diese Art von künstlichem Rasen prima – etwa für Kinderzimmer. Der Belag von Fungrass ist besonders toll, weil er auch außen verwendet werden kann. Das sieht man an den Löchern in der Unterlage, durch die Wasser dringen kann.

Piero Lissoni: In den Vereinigten Staaten verwenden sie künstlichen Rasen für alle Sportstadien – hier in Europa seltener. Der Rasen von Fungrass ist wirklich gelungen und fühlt sich äußerst echt an.

Sich durchs Leben treiben lassen: Jürgen Dahlmanns von Rug Star (vorne links) erklärt der Gruppe seine „identitätsstiftenden“ Teppiche. Foto © Tyler Loco

Vanessa Brady: Wenn ich mir all Ihre Teppiche so anschaue, denke ich nicht, dass sie von ein und derselben Person gestaltet sind.

Jürgen Dahlmanns: Ich habe keinen bestimmten Stil. Ich lasse mich eher durchs Leben treiben, und wenn mich etwas berührt, nehme ich es ein Stück auf meinem Weg mit. Ich bin Architekt. Für mich sind Wohnungen und Häuser Identitäten. Ich möchte zur Identitätsbildung beitragen. Das ist wahre Schönheit. Es ist nicht mein Teppich, der das Interior Design bestimmt oder ausmacht. Er ist nur ein Fragment des Ganzen.

Inspirationsquellen lassen sich im 15. Jahrhundert ebenso finden wie in der Kunst von Marc Rothko: Teppiche von Jürgen Dahlmanns. Foto © Tyler Loco

Vanessa Brady: Welche Teppiche sind neu bei Ihnen am Stand?

Jürgen Dahlmanns: Ich habe etwa einen Teppich kreiert, zu dem ich von einer Zeichnung aus dem 15. Jahrhundert inspiriert wurde. Der Untergrund erinnert mich an Marc Rothko. Ich habe hier also einen Marc Rothko, der sich hinter Vögeln versteckt. Das ist cool. Viele arbeiten aber mit alten orientalischen oder verstärkt mit geometrischen Mustern. Das war noch vor ein paar Jahren als billiges Design verpönt. Jetzt ist es en vogue. Außerdem steht das Thema der Qualitäten seit einigen Jahren hoch im Kurs, weil man versucht, den persischen Knoten auch anderswo zu knüpfen. So habe ich meine Kollektion, die mit einem persischen Knoten geknüpft ist, im indischen Rajasthan herstellen lassen – und ihr auch den Namen der Region gegeben: Rajasthan. Damit würdige ich auch die Menschen, die diesen Teppich herstellen.

Hossein Rezvani zeigt Vanessa Brady seinen neuen Teppich „Sahar“, in dem von Hand versponnene und ungefärbte Schafswolle verwendet wird. Foto © Tyler Loco

Herr Rezvani, was macht Ihre Teppiche so besonders?

Hossein Rezvani: Ich interpretiere das traditionelle persische Muster in einer modernen Art und Weise – und auf sehr hohem Qualitätsniveau. Unsere Teppiche fangen bei 400.000 Knoten pro Quadratmeter an. Es sind die Feinsten der Welt, da wir bis zu einer Million Knoten pro Quadratmeter anbieten. Neuerdings arbeiten wir auch mit ungefärbter und unbehandelter Schafwolle. Der Teppich heißt „Sahar“ und ist abgeleitet von „Sahara". Stellen Sie sich einfach vor, der Wind weht am Rande der Wüste und bläst er solche steinigen Partien frei – wie auf diesem Teppich hier.

Vanessa Brady: So etwas habe ich noch nie gesehen. Kann ich so einen Teppich auch nach meinen Anforderungen an Größe und Farbe bestellen? Wenn ja, wie lange brauchen Sie, um zu liefern?

Hossein Rezvani: Wir produzieren auf Kundenwunsch – alles ist möglich. Was die Lieferung angeht, da bin ich ein deutscher Iraner. Wenn ich Ihnen sage, wir liefern in vier Monaten, dann kommt er in drei.

Wer kann all die Knoten zählen? Piero Lissoni prüft einen Teppich von Hossein Rezvani. Foto © Tyler Loco