gespannt wie ein Bogen
Wer schon einmal einen Bogen gehalten, ihn gespannt und mittels des Pfeils die Luft zerschnitten hat, der weiß um die Faszination dieser Sportart. Bogenschießen hat etwas Archaisches, erinnert uns an das Jagen mit Pfeil und Bogen. Im Bogenschießen, das haben uns die Meister des Zen gelehrt, liegen aber auch Ruhe und Kraft. Nur wer ganz bei sich selbst ist, dessen Pfeil findet sein Ziel.
In Japan wird noch immer das altehrwürdige Kyūdō (Japanisch Kyū = Bogen, Dō = Weg) praktiziert, das Schießen mit einem schlichten Langbogen, das auf die Samurai und deren Kunst des Bogenschießens zurückgeht. Die Spannung des Bogens, die sich über die Sehne auf den Pfeil überträgt, hat Konstantin Grcic offenbar fasziniert: Für seinen Stuhl „Kyudo“, den er am Stand von Magis auf dem Mailänder Salone vorgestellt hat, verbindet er Buchenholzfurnier mit Schichten aus dem Verbundwerkstoff Carbon, eine Material-Kombination, wie man sie auch bei neueren Sportbögen verwendet. Konstantin Grcic gelingt es, die Eigenschaften des Materials gekonnt ins Möbeldesign zu übertragen, woraus sich neue Möglichkeiten eröffnen. Offenbar lässt sich dieses spezielle Furnier formstabil selbst in kleinen Radien biegen. Darüberhinaus ist es elastisch und stabil zugleich.
Die bloße Neugier auf den solide und schlicht wirkenden Freischwinger, dessen ungewöhnlich lange Kufen mit dem dynamisch wirkenden Logo uns unweigerlich an Skier erinnern, wird allerdings noch eine Weile vorhalten: In München (Konstantin Grcic) ebenso wie auch in Torre di Mosto (Magis) betont man, dass es sich bei Kyudo um einen Prototypen handele, der so höchstwahrscheinlich nicht in Produktion gehe, sondern den Auftakt für die Entwicklung einer künftigen Kollektion von Möbeln bilde, die eben aus jenem zukunftsweisenden Material gefertigt werden wird. Ob die Konzentration wohl ebenso groß sein wird wie beim Bogenschießen, wenn wir auf einem Stuhl sitzen, der die Spannung eines Bogens in sich trägt?