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Murmelbahn? Außerirdische Invasion? Nein, nur die neue Landmarke im Glatzer Schneegebirge, der „Sky Walk“ auf dem Králický Snežník.

Winterharte Häuser 1
Pimp my Berg

Was tun, wenn im Wintersportort immer weniger Schnee fällt? Dann müssen andere Attraktionen her. Zum Beispiel eine wunderlich verschlaufte Aussichtsplattform mit einer 100 Meter langen Rutsche in die Tiefe.
von Florian Heilmeyer | 14.11.2016

Der Klimawandel macht natürlich auch vor den traditionellen Wintersportorten entlang der polnisch-tschechischen Grenze nicht Halt. Selbst wenn die Berge extra „Glatzer Schneegebirge“ genannt werden, heißt das heute nicht mehr, dass hier auch tatsächlich Schnee liegt wenn selbst der Gipfel des Großen Schneebergs gerade einmal 1.425 Höhenmeter erreicht. Um möglichst das ganze Jahr hindurch Besucher anzulocken muss man sich was einfallen lassen, denn die stille Schönheit  unberührter Natur ist vielen Besuchern heute doch zu wenig.

Also satteln die Gemeinden von Winter- und Wandersport auf andere Freizeitaktivitäten um: „Pimp My Mountain“ lautet das neue Motto. So hat sich das Dörflein Dolní Morava, etwa 130 Kilometer nördlich von Brünn, nun eine 55 Meter hohe Konstruktion auf den sanften Gipfel des Králický Sněžník bauen lassen. Aus der Ferne ist das seltsame Gewirr aus Schlaufen, Schnüren und Stangen, das der Architekt Zdeněk Fránek entworfen hast, nur schwer zu identifizieren: Was ist das nur, müssen sich die Bergsteiger auf den umliegenden Gipfeln denken, was da so seltsam auf den Berg gebaut wurde, ein Baugerüst, eine gigantische Murmelbahn oder der Beginn einer außerirdischen Invasion?

Immer seltener fällt Schnee in den sanften Bergen an der polnisch-tschechischen Grenze. Der Sky Walk soll Besucher anlocken, wenn kein Schnee liegt.

Mit Murmelbahn wäre man schon recht nahe dran. Im Grunde ist der „Sky Walk“ eine gute, alte Aussichtsplattform, wie sie schon seit hunderten von Jahren in den Bergen angelegt wird – nur eben nicht so spektakulär verworren und voller Freizeitvergnügen wie diese. 280 Kubikmeter Beton halten die neun vertikalen Stangen, die zu drei Fachwerkpfeilern verbunden sind und die gesamte Konstruktion gegen Wind und Schnee halten müssen. Um diese drei Pfeiler wickelt sich ein Höhenpfad in breiten, gemütlichen Schlaufen nach oben bis weit über die Baumwipfel hinweg. Auf der sanft schwankenden Konstruktion öffnet sich ein spektakuläres Rundum-Panorama über die sanften Gipfel des Schneegebirges und auf das kleine Skigebiet, die winzigen Dörfer und den sanft dahingurgelnden Morava-Fluss unten im Tal. „Wir wollten eine neue Erfahrung bieten, damit die Besucher besser spüren, wie klein sie hier am Busen der Natur eigentlich sind“, sagt Fránek über seinen Entwurf. 

Was bei dieser Erfahrung stören könnte, das sind die spitzen Schreie der anderen Besucher. Denn wem das Bergpanorama zu statisch und still ist, für den sind an verschiedenen Stellen Netze gespannt, auf denen man sich über den Abgrund legen kann. Oder man geht zu der 101 Meter langen Metallrutsche und saust quer durch die ganze Konstruktion wieder in die Tiefe – große Fenster in der Rutsche ermöglichen noch einen raschen Blick auf die umliegende, jetzt deutlich beschleunigte Szenerie und schon geht es, hui, weiter hinab.

Es wird künftig ein ordentliches Remmidemmi auf dem Králický Sněžník erwartet: Der Sky Walk wurde so ausgelegt, dass bis zu 1.400 Besucher gleichzeitig darauf herumturnen können. Zum Vergleich: In Dolní Morava wurden zuletzt gerade noch 248 Einwohner gezählt. 

Zwischen Himmel und Erde: der Sky Walk bietet Erlebnisse mit Nervenkitzel.
Ein sanftes Schwanken der gesamten Konstruktion ist durchaus beabsichtigt, die Stahlseile und Fachwerkträger sichern die Wege ausreichend ab.
Der Architekt Zdeněk Fránek sagt, die Konstruktion sei als „abstrakte Form“ entworfen, „als würde sie die scheinbar chaotische Flugbahn eines nachtaktiven Falters nachzeichnen.“
Auf dem Weg zur obersten Plattform bieten sich immer wieder grandiose Blicke auf die umliegenden Berggipfel und hinab ins Tal.
Der Sky Walk wurde in nur sechs Monaten von April bis Oktober 2015 gebaut.