Seit ihrer Gründung 1980 erfreut sich die „Triennale der Kleinplastik“ eines guten Rufes. Die Namen derer, die sie bereits kuratiert haben, belegen dies. Unter ihnen sind zum Beispiel Manfred Schneckenburger, Jean-Christophe Ammann und Catherine David. Nach einem zweimaligen Gastspiel in Stuttgart ist die Triennale 2001 dorthin zurückgekehrt, wo sie bis 1992 stattgefunden hatte: in das östlich an Stuttgart angrenzende Fellbach. Dort findet sie seither in der Alten Kelter statt, die 2000 gründlich renoviert worden war. Der Bau von 1906 ist durchaus beeindruckend, mit 97 Metern Länge und 30 Metern Breite gilt er als eine der größten Gemeindekeltern Deutschlands. Insbesondere beeindruckt das mit Stahlzugbändern ergänzte Holzstabwerk des mächtigen Daches, das behutsam saniert wurde. Die wenige Inneneinbauten – ein Restaurant sowie Neben- und Lagerflächen – stören den fulminanten Raumeindruck nicht; eher tritt er in Konkurrenz zu den Kunstwerken.
Ein Zelt als Haus im Haus
Susanne Gaensheimer, Direktorin des Frankfurter Museums für Moderne Kunst und Kuratorin der diesjährigen Triennale, hatte dank der Unterstützung von Kuehn Malvezzi Architekten aus Berlin damit allerdings nicht zu kämpfen. Die Architekten haben mit einer ebenso einfachen wie raffinierten Idee die widersprüchlichen Erwartungen erfüllt, nämlich für eine visuelle Beruhigung zu sorgen, ohne das bestehende Haus auszublenden. Das imposante Tragwerk wird von zwei Reihen Stützen gehalten, und in diesen Raum haben die Architekten ein Zelt aus weißem, transluzentem Stoff gehängt. so entsteht auf einer Grundfläche von etwa 15 mal 68 Metern ein innenliegender, weißer Raum, in dem das Gebäude selbst weitgehend ausgeblendet wird. Im Umgang außerhalb des Zelts, der ebenfalls Teil des Ausstellungsparcours ist, bleibt das Tragwerk dagegen präsent; das Zelt wird als ein Haus im Haus erkennbar. Hier räumt die Kuratorin den Exponaten viel Platz ein, so dass der Eindruck vermieden wird, innen sei der privilegierte Standort. Die Kunst steht unzweifelhaft im Mittelpunkt: Weder innen noch außen überhöhen die Stellwände die Raumgeometrie, wodurch die Kunstwerke eine eigenständige Präsenz entfalten können.
Die Stoffbahnen sind an Stahlseilen befestigt; sie verlaufen ohne Nähte über die ganze Länge des Einbaus, wodurch die Längsausrichtung – und damit auch die großzügigen Dimensionen des vorhandenen Raumes – betont werden. Vernäht wurden sie nur an den horizontalen Stößen der Zeltwände: Die Bahnen können zwar in nahezu beliebiger Länge produziert werden, aber nur in begrenzter Breite. Eingenähte Kanthölzer sorgen für Stabilität am Boden; die Eingänge sind als schlichte Öffnungen eingeschnitten und ringsum versäumt. An den Anschlussstellen zwischen den Bahnen durchstoßen die Zugbänder als einziges im Inneren sichtbares Element des Tragwerks die leichte Konstruktion. Von den Leuchten wurden nur die in der Firstlinie nach innen geführt, alle anderen beleuchten das Zelt von außen.
Insgesamt bleibt das Zelt eine betont einfache Konstruktion. An den Anschlussstellen der einzelnen Stoffbahnen lappt dann mal etwas Stoff über oder wird pragmatisch gebündelt, was bei den Abmessungen kaum ins Gewicht fällt. Dem Ort, der ja trotz seiner beeindruckenden Größe und des imposanten Tragwerks einer des Handwerks und der Arbeit war, wird so keine durch Perfektion erzeugte Sakralität aufgezwungen – eben kein „White Cube“ mit Satteldach, sondern eine Intervention, mit der die Balance zwischen beruhigendem Rahmen für die Kunst und der Angemessenheit dem Ort gegenüber gehalten wird. Und die als Bild – man denke an das Festzelt eines Weindorfs – auch geschickt an die Geschichte des Hauses anknüpft.
Nahrung, Natur, Nomaden
Das tut übrigens auch das Thema der Ausstellung. „Food – Ökologien des Alltags“ beschäftigt sich damit, wie wir mit unseren Lebensmitteln umgehen. Die Schau setzt sich dabei sowohl mit den Mechanismen des industrialisierten Lebensmittelhandels auseinander, als auch mit unserem häufig sehr rudimentären Wissen um Lebensmittel und deren Konservierung. Arpad Dobriban etwa zeigt, auf welche Arten Milch konserviert werden kann und erlaubt es ausdrücklich, die Deckel seiner Weckgläser anzuheben, in denen die Exponate aufbewahrt werden, und an ihnen zu riechen; die starken Gerüche sind für unsere an die sterilen Produkte der Lebensmittelindustrie gewohnten Nasen oft kein Genuss. Valentin Beck und Adrian Rast bieten eingemachte Lebensmittel zum Tausch an, die in Supermärkten wegen leichter Schäden oder Unregelmäßigkeiten nicht mehr zum Kauf angeboten würden. Darüber hinaus reflektiert die Ausstellung aber auch ein oft allzu romantisch verklärtes Bild der Natur, das den Einfluss des Menschen vergisst und dadurch verhindert, ihr angemessen zu begegnen. Irritiert steht man vor Nestern von Zebrafinken, die sie aus Materialien gebaut haben, die ihnen der Künstler Björn Braun angeboten hatte: Papierstreifen, Kunststofffasern, Pflanzensurrogate – den Vögeln war es gleichgültig, ob all das natürlichen, biologischen Ursprungs war. Man könnte das Bild des Zelts vor diesem Hintergrund also auch als Verweis auf das Leben der Nomadenhirten lesen, das ein viel direktes Verhältnis zur Umwelt voraussetzte als das unsrige, stabiler umhauste Leben.
13. Triennale der Kleinplastik Fellbach
Food – Ökologien des Alltags
Alte Kelter, Untertürkheimer Straße 33, 70734 Fellbach
Bis 2. Oktober 2016
Katalog
Food – Ökologien des Alltags
hrsg. von Susanne Gaensheimer, Anna Goetz, Christa Linsenmaier-Wolf
216 S., geb., deutsch/englisch, 63 farbige Abb.
Kerber Verlag, Bielefeld 2016
ISBN 978-3-7356-0229-9
In der Ausstellung 24 Euro.