Gertrud Arndts Teppichentwurf für Eberhard Thost aus dem Jahr 1927, Foto © VG Bild-Kunst
Eigentlich wollte ich ja Architektin werden
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von Ralf Wollheim | 04.03.2013
Schon der Titel der Ausstellung verweist auf eine Karriere, die weder kontinuierlich noch besonders geradlinig verlief: Nicht einmal zehn Jahre lang war Gertrud Arndt künstlerisch aktiv, zuerst während ihrer Ausbildung in der Weberei in Weimar, später als Fotografin in Dessau. Das Bauhaus-Archiv in Berlin stellt immer wieder weniger bekannte Lehrer und Schüler vor, seit einiger Zeit vor allem „Bauhäuslerinnen“. Zumindest theoretisch sollte am Bauhaus kein Unterschied in der Ausbildung gemacht werden. Doch Gertrud Hanschk – so ihr Mädchenname – landete, wie so viele Frauen, in der Weberei. Ihrem Wunsch entsprechend hatte sie bereits mit sechzehn Jahren eine Lehre in einem Architekturbüro begonnen und kam danach mit einem Stipendium an das Bauhaus in Weimar, wo es aber noch keine Architekturklasse gab. Sie besuchte die Vorkurse bei Kandinsky und Klee, deren Einfluss auf ihre Arbeiten in den Skizzen und Entwürfen deutlich zu erkennen ist. So sind in der Ausstellung Wandbehänge und Teppiche in dezenten Farben mit feinen Abstufungen oder in rhythmischen Reihungen zu sehen. Die legendären Grundfarben sucht man vergeblich, bei ihr dominieren pastellige Rot- und Rosatöne. Oder ein warmes, helles Blau wie in dem Teppich, den sie noch als Studentin für Walter Gropius’ Direktorenzimmer entworfen hat. Farbige Quadrate ergeben ein komplexes Muster, das durch die Helligkeitskontraste sehr lebendig wirkt. Dieser Teppich existiert nicht mehr, in der Ausstellung ist jedoch ein siebzehn Quadratmeter großes Exemplar zu sehen, das für einen Hamburger Reeder gefertigt wurde. Auch verschiedene Wandbehänge und Stoffmuster sind erhalten und verweisen auf ihre Experimente mit verschiedenen kontrastierenden Materialien, wobei sie auch Kunstfasern verwendet hat. So dezidiert modern ihre konsequent flächig gedachten, geometrischen Entwürfe auch sind, so archaisch erscheint ihr Webstuhl, der nun in der ständigen Ausstellung des Bauhaus-Archivs zu sehen ist. Dort, wo sonst eine chromblitzende Bar die Industrieästhetik des Bauhauses beschwört, steht nun ein schwerer, hölzerner Apparat. Aber die zierliche Frau von gerade einmal 1,51 Meter Körpergröße erlernte am Bauhaus ein traditionelles Handwerk, färbte mühsam die Wolle selbst und knüpfte oder webte die Teppiche gemeinsam mit ihren Kolleginnen an den riesigen Maschinen. So erfolgreich sie – auch kommerziell – war, nach der Gesellenprüfung 1927 beendete sie ihre Tätigkeit als Designerin und folgt ihrem Mann Alfred Arndt nach Probstzella in der thüringischen Provinz. Er hatte dort, als Architekt, einen recht großen Auftrag, sie hilft im Büro und tritt in den Hintergrund. Als „starke Persönlichkeit“ beschreibt die Tochter den späteren Bauhaus-Meister, dem die Mutter sich unterordnete. Im Jahr 1929 kehren sie nach Dessau zurück, er unterrichtet, sie beginnt nach eigener Aussage – „aus Langerweile“ – zu fotografieren. Bereits in ihrer Lehre hatte sie sich das Fotografieren, Entwickeln und Abziehen beigebracht. Nun inszeniert sie Freundinnen und sich selbst in wechselnden Kostümen und schafft kleine Porträtserien, die manchmal streng, oft aber verspielt und sogar albern wirken. Mit einer experimentellen Bauhaus-Fotografie hat das wenig zu tun. Aber das Spiel mit Verkleidungen, mit weiblichen Inszenierungen, bereitet ihr auch eine späte zweite Karriere. 1979 werden die Aufnahmen, die rein privat gedacht waren, im Museum Folkwang ausgestellt – und von nun an wird sie als Vorläuferin für Künstlerinnen wie Sophie Calle oder besonders Cindy Sherman gehandelt. In Berlin sind jetzt, dreizehn Jahre nach ihrem Tod, beide Aspekte ihres Schaffens zu entdecken.
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Der Teppichentwurf von Arndt besteht aus Farbquadraten, die mit Bleistift numeriert wurden. Foto © VG Bild-Kunst
Maskenportrait Nr. 3, Foto © VG Bild-Kunst
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