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Duo zum Jubiläum: "Bigfoot" Tisch und "Backenzahn" Hocker

Kein Fabelwesen

Philipp Mainzer gründete in den neunziger Jahren die Möbelmarke e15. Für den Start stellte er sich gegen den Trend und entwarf einen Tisch aus recycelten Holzresten, dessen pure Gestaltung bis heute wegweisend ist: "Bigfoot".
von Anna Moldenhauer | 25.09.2024

Eindrucksvoll ist er, der "Bigfoot": Quadratische Tischbeine, die wie Pfeiler an ihren vier Plätzen stehen, gefertigt aus gleich breiten Holzplanken. Die rechteckige Tischplatte liegt auf ihnen nicht auf, sondern fügt sich an den Kanten mit jeweils kleinem Abstand an, lässt ihnen Raum für den großen Auftritt. Jedes Exemplar ist ein Unikat. Eine fast schon radikale Einfachheit in der Gestaltung, robust und klar. Entstanden ist der Archetyp des Tisches in London, Anfang der 90iger Jahre. Philipp Mainzer, gebürtig aus Hamburg, studiert Produktdesign und Architektur in der britischen Metropole. Kreativer Aufschwung lag dort in der Luft, alternative Ideen waren gefragt und fanden die Freiheit zum Experiment. 1994 entwirft er den "Bigfoot", da studiert er noch. Kurze Zeit später wird er gemeinsam mit seinem Kommilitonen Florian Asche die Möbelmarke e15 gründen, benannt nach der Postleitzahl der ersten Werkstatt im East End von London. Ein paar Jahre darauf lernt er die Designerin und Art Direktorin Farah Ebrahimi kennen, gemeinsam führen sie das Start up zu internationalem Erfolg. Heute arbeitet e15 mit renommierten GestalterInnen wie Stefan Diez, David Chipperfield oder David Thulstrup. Revolutionär war damals nicht nur die minimalistische Form des Tisches, auch das Material sorgte für Aufsehen: Während Kunststoff, Glas, Metall, kurzgesagt perfekte, kühle Oberflächen auf dem Vormarsch sind, experimentiert Mainzer mit Holzresten. Den ersten Tisch fertigt er aus Planken alter Güterwaggons, denen man ihre Geschichte ansehen darf: Risse und Astlöcher, Maserungen und Jahresringe. Für die Tischbeine nutzt er zudem das dunklere Kernholz, das aus dem Innersten des Baumes stammt – das gilt damals noch als Abfallprodukt.

Gegen den Strom zu schwimmen, bringt selten großen Applaus mit sich, so auch nicht für e15: "Wir haben 'Bigfoot' zum ersten Mal 1996 auf der internationalen Möbelmesse in Köln gezeigt – und viele Händler haben uns ausgelacht. Massive Eiche mit Astlöchern und Rissen galt damals als klare Ausschussware.", erzählt Mainzer. Irritieren ließ er sich davon nicht. Denn neben all den abwertenden Reaktionen zeigte sich schnell, welche starke Wirkung das Holz auf den Menschen hat: "Niemand ging an unserem Stand vorbei, ohne über die Oberfläche des Tisches zu streichen. Holz ist ein bekanntes und traditionelles Material im Möbelbau. Es besitzt eine emotionale Anziehungskraft. Es ist lebendig und bewegt sich, selbst wenn es in Form gebracht ist. Die Menschen mögen die Wärme und Ehrlichkeit von Holz. Sie fassen es gerne an. Dieser intuitive Wunsch hat schon damals sofort die Besuchenden angezogen.", sagt er.

30 Jahre ist das her, "Bigfoot" ist indes vom Rebell zum Klassiker geworden. Geschadet hat ihm das keineswegs, denn die klare Gestaltung, das natürliche Material und die lange Lebensdauer des Tisches könnten nicht aktueller sein. Langlebigkeit, Handwerkskunst und eine umweltschonende Produktion, dafür steht e15 bis heute. Alte Güterwaggons zerlegt Philipp Mainzer nicht mehr, stattdessen werden die europäischen Eichen- und Nussbaumhölzer aus nachhaltiger Forstwirtschaft bezogen, überwiegend aus Deutschland und sind mit einem PEFC-Zertifikat ausgezeichnet. Das regionale Netzwerk sorgt für kurze Transportwege und sichert parallel die hohe Qualität der Möbel. Eine Auffrischung mit ein wenig Öl ab und an, mehr braucht der "Bigfoot" nicht. Gute Ideen werden gerne kopiert, das kennt e15 aus eigener Erfahrung zu Genüge. Das der "Bigfoot" authentisch ist, zeigt so ein Blick auf die Einprägung des Logos und der individuellen Seriennummer. In diesem Jahr kommt zum Jubiläum noch eine Plakette dazu mit der Signatur von Philipp Mainzer und ein Begleiter: Der Hocker "Backenzahn" aus Kernholz, selbst eine kleine Designikone.