Bewegte Balken
Herausforderungen führen oft zu den besten Ideen. Serge Lunin arbeitete als Dozent im Fachbereich Gestalten mit Holz an der Zürcher Hochschule der Künste, als im Jahr 2006 ein Student eine Liege in gebogenem Holz umsetzen wollte. "Mit den konventionellen Holzbiegetechniken durch Dampf oder einer Schichtverleimung war das nicht möglich“, erinnert er sich. Der gelernte Tischler kam aber auf eine andere Idee: Er schnitt das Holz versetzt zu beiden Seiten ein, sodass die einst soliden Leisten beweglich wurden. "Durch Experimente gelang es, diese Schnittfolge auch auf eine Fläche zu bannen", sagt er. Eine Massivholzplatte wird auf diese Weise formbar wie eine Gummimatte.
Serge Lunin ließ sich die Idee patentieren und gründete in Folge mit einem Geschäftspartner das Unternehmen Dukta, abgeleitet von dem Begriff Duktilität. Dieser meint die Eigenschaft eines Werkstoffs, sich unter schwerer Belastung zu verformen, bevor er bricht. Als 2015 Lunins Gründungspartner nach Dänemark zog, trat Sohn Pablo in das Unternehmen ein. Der Industriedesigner hat seitdem die Entwurfsprozesse und das Marketing von Dukta professionalisiert und digitalisiert. Zusammen mit seinem Vater baute er ein internationales Netz an LizenzpartnerInnen auf. Holzverarbeitungsunternehmen in Deutschland, Österreich, Holland, Spanien und den USA stellen mit Hilfe von CNC-Fräsen die beweglichen Holzelemente her und bedienen damit die lokalen Märkte. Der Vorteil gegenüber dem Export aus der Schweiz: Sie können in größeren Margen produzieren, ihre Herstellungskosten sind niedriger und die Transportwege kürzer. Am Hauptsitz von Dukta im Zürcher Westen passiert hingegen noch vieles in Handarbeit. Das kleine Familienunternehmen hat im ehemaligen Verwaltungsgebäude einer Spielzeugfabrik Büroräume und eine Werkstatt in einer Genossenschaft mit anderen Kreativen gemietet. Dort arbeitet es an Prototypen und entwickelt das Einschneideverfahren weiter.
Gelenkter Schall
"Unser Schwerpunkt liegt ganz klar im Innenausbau", so Pablo Lunin. Neben der Biegsamkeit und Optik sind es besonders die akustischen Eigenschaften, die für Innenarchitektinnen und -architekten interessant sein dürften. Wellenförmige Paneele schweben so bereits an Kirchendecken oder verkleiden die Wände in Konzertsälen. Für Großraumbüros eignen sich auch vorgefertigte Kassetten mit einem textilen Vlies an der Rückseite, die Wandschmuck und Schallschutz in einem sind. "Das Besondere ist, dass das Material sowohl im historischen Kontext als auch in einem modernen Kontext seine Wirkung entfalten kann", sagt Serge Lunin und zeigt auf ein Element aus Arvenholz mit einer starken Maserung. "Das könnte ich mir zum Beispiel gut auf einer schlichten Betonwand vorstellen." Neben der Akustik ist die Lichtdurchlässigkeit eine weitere reizvolle Eigenschaft des flexiblen Holzes. Sie kam unter anderem im Zürcher Kulturzentrum Kosmos zur Geltung, wo die hinterleuchtete Holzverkleidung den Raum in ein warmes Licht tauchte. Wer sich diesen Effekt nach Hause holen möchte, kann im kleinen Onlineshop zudem Tisch-, Hänge- und Stehleuchten von Dukta bestellen. Zu dem Möbelportfolio gehören zudem Wandpaneele mit schmalen Regalbrettern aus MDF sowie der Loungestuhl "Tschair", den Dukta zusammen mit dem Architekten Elias Leimbacher entwickelt hat. Neben neuen Anwendungsbereichen für ihr Material suchen Pablo und Serge Lunin momentan nach Möglichkeiten, es günstiger herzustellen. Ein Meilenstein in der Unternehmensgeschichte ist zudem die endgültige Anerkennung durch das Europäische Patentamt. Pablo Lunin sagt: "Für uns ist die definitive Erteilung des Europapatents ein entscheidender Faktor für die längerfristige Zusammenarbeit mit unseren ausländischen LizenzpartnerInnen."