25.08.2013
Neben Kaviar Gauche, Kilian Kerner, Lala Berlin und Vladimir Kareleev ist Augustin Teboul eines der vielversprechendsten Newcomer-Labels aus Berlin. Das deutsch-französische Duo Annelie Augustin und Odély Teboul hat seit dem Debut im Jahr 2011 nicht nur die Presse und -Juroren von diversen Wettbewerben beeindruckt, sondern auch die Musikerinnen Coco Rosie ausgestattet und ist jüngst Teil einer Ausstellung im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main. Was ist das Erfolgsrezept des Tandems? Wer kreiert diese schwarzen, filigranen und aufwendigen Roben, die an die 20er Jahre erinnern und eine kühle Erotik ausstrahlen? Martina Metzner hat die beiden Designerinnen in ihrem Studio im Berliner Stadtteil Neukölln getroffen, wo sich Schaufensterpuppen mit fulminant gefächertem Kopfschmuck, schwermütige Hintergrunds-Musik im Stil von „Antony and the Johnsons“ mit der Expertise geübter und eifriger Modemacher vermischen.
Martina Metzner: Was ist passiert, dass Sie so traurige und dunkle Mode machen?
Odély Teboul: Traurig ist eine sehr subjektive Sichtweise. Schwarz ist nicht unbedingt traurig. Jeder kann das anders interpretieren, das ist auch das Interessante. Die Leute fragen manchmal “Warum ist sie so erotisch?” oder “Warum ist sie so traurig?”. Aber jeder sieht das wie gesagt anders.
Sie sind in Berlin ansässig, zeigen Ihre Kollektion aber auch auf der Pariser Modewoche. Warum sind Sie diesen Schritt gegangen?
Annelie Augustin: Angefangen haben wir tatsächlich in Paris, dort haben wir auch beide studiert. Es ist die Stadt in der wir uns kennen gelernt haben. Mit einem Verkaufs- und einem Pressebüro haben wir ein Standbein in Paris, da wir mit unserer Marke international wachsen wollen. Berlin ist ein sehr guter Ausgangspunkt für uns, auch wenn wir uns nicht auf den deutschen Markt konzentrieren. Wir verkaufen weltweit. Irgendwann muss man immer auch in eine andere Stadt gehen. Die Kollektion in Paris zu zeigen ist nicht gerade einfach, aber eine Herausforderung.
Aber Sie wollen das Atelier nicht nach Paris verlegen, oder? Denn eigentlich kommen Sie ja aus Paris, Odély…
Teboul: Das ist eine interessante Frage. Denn wir haben unser Label in Paris gegründet, dort auch unsere erste Auszeichnung erhalten und eine französische Marke ins Leben gerufen. Es ist einfach eine persönliche Entscheidung, hier zu leben und zu arbeiten. Aber wie Annelie bereits sagte, ein Standbein haben wir hier, das andere dort. Für die Einführung der Marke hatten wir uns für die Berliner Fashion Week entschieden. Hier gibt es auch ein Publikum, dem unsere Kleider gefallen. Bislang ist es noch sehr interessant, die Sachen auf der Berliner Fashion Week zu zeigen, wir werden aber auch immer etwas in Paris machen. In der letzten Saison hatten wir dort bereits drei Events. Es ist für uns als deutsch-französisches Label wichtig, dies so fortzuführen.
Sie sind ein deutsch-französisches Team, das die Kollektionen in Berlin und Paris zeigt – haben Sie eine bestimmte Frau vor Augen, vielleicht Sie selbst oder Freundinnen, wenn Sie Ihre Kleider entwerfen?
Augustin: (lacht) Nicht unsere Freundinnen, nein. Das hängt davon ab, wie man die Sachen interpretiert und wer die Frau ist, die sie trägt. Sie können am Ende supersexy wirken oder eher konzeptuell. Wir haben noch nicht einmal eine Muse.
Teboul: Das ist eine Frage, die immer wieder gestellt wird. Wenn wir etwas entwerfen, denken wir über den modischen Aspekt als Botschaft eigentlich nicht nach, es geht vielmehr um das Kleidungsstück an sich. Zu Beginn des kreativen Prozesses spielt die fertige Silhouette an der Frau keine Rolle. Es ist zunächst sehr speziell und während wir dann an dem Kleidungsstück arbeiten, entwickelt es sich zu einem vollständigen Bild. Die Vorgehensweise ist sehr experimentell, technisch und ästhetisch – aber es geht nicht um das abschließende Bild, oder wie es am Ende aussehen wird.
Ihre Mode ist größtenteils handgenäht. Was fasziniert Sie an handgearbeiteter Mode?
Augustin: Die Zusammenarbeit zwischen Odély und mir beruht darauf. In unserem ersten Gespräch ging es um dieses Thema und wir fragten uns “Was macht Mode anziehend?” und was nicht? In diesem Punkt waren wir uns einig. Schritt für Schritt haben wir dann durch diese handgearbeitete Mode unseren ganz eigenen Stil entwickelt. In der Kollektion steckt also viel Handarbeit. Nicht die ganze Kollektion, da wir kommerziell gesehen wachsen, wir müssen zwischen Couture und einfacheren Entwürfen ein Gleichgewicht finden.
Sie wirken als Team ein bisschen wie Ying und Yang, wer macht was?
Augustin: Als wir uns begegneten waren wir im Hinblick auf unseren Stil, unsere Entwürfe sehr unterschiedlich. Wir haben von Anfang an versucht jedes Stück der Kollektion gemeinsam zu entwerfen. Manchmal teilen wir uns die Arbeit auch auf, Odély häkelt dann zum Beispiel und ich kümmere mich um die Lederstücke.
Teboul: Die Prototypen entstehen im Atelier, die technische Seite erarbeiten wir möglichst zusammen. Die eigentliche Idee entwickeln wir jedoch gemeinsam.
Wie entwickelt man gemeinsam eine Idee? Sitzen Sie zusammen am Tisch, eine zeichnet eine Linie und dann die andere?
Augustin: So haben wir unsere erste Kollektion gemacht (beide lachen). Das war das Prinzip unserer ersten Kollektion “Cadavre Exquis”, wir haben dieses Spiel gespielt bei dem man eine kleine Zeichnung macht, das Papier faltet und der andere zeichnet weiter. In der Tat ein surrealistisches Verfahren.
Teboul: Es ist eher ein Austausch. Die Dinge entwickeln sich während wir daran arbeiten, wir sehen dann wo wir etwas wegnehmen oder hinzufügen müssen, es ist ein Experiment.
Annelie, Sie haben für das Sublabel Y-3 von Yohji Yamamoto und Adidas gearbeitet. Er und auch andere Avantgardedesigner wie Maison Martin Margiela, Comme des Garçons arbeiten sehr viel mit Schwarz, spüren Sie da eine Verbindung?
Teboul: Das ist eine seltsame Frage. Ich persönlich fühle mich eher der Couture der 80er als der Anti-Mode der 90er Jahre verbunden. Wenn ich meiner Kreativität freien Lauf ließe würde ich mich wohl eher für die Übertreibung der 80er entscheiden als für diese minimalistischen, dekonstruktivistischen Kleider. Andererseits hat auch unsere Mode etwas Minimalistisches an sich, bestimmte Dinge wollten wir ganz bewusst weglassen. Vielleicht hat uns beides inspiriert. Diese Opulenz der 80er, aber wie du sagst auch Martin Margiela, Rick Owens, Helmut Lang. Sich für eine Farbe zu entscheiden bedeutet ja bereits, dass “man ein gestalterisches Element ausschließt”.
Verfolgen Sie die Entwicklungen in Design und Architektur?
Teboul: Wir interessieren uns beide für alles, was so passiert. Sicherlich ist das auch eine Inspirationsquelle, aber auf subtilere Art und Weise. Wir nehmen uns kein Gaudi-Gebäude als Vorbild und machen eine Kollektion daraus.
Gibt es ein Jahrzehnt in der Architektur und im Design, das Sie besonders faszinierend empfinden?
Augustin: Ich mag Le Corbusier wegen seiner schlichten Architektur. Beim Produktdesign wird es schon schwieriger, Carlo Mollino finde ich zum Beispiel gut und skandinavisches Möbeldesign.
Teboul: Ich interessiere mich eher für experimentelles Produktdesign, das sich zwischen Kunst und Objekt bewegt. Mir fällt da gerade kein Name ein, aber künstlerische Objekte wie komische Gabeln oder Haarbürsten. Und was die Architektur betrifft bin ich ein Fan von Gaudi.
In einem anderen Interview mit Ihnen habe ich gelesen, dass Ihre Arbeit vom Surrealismus inspiriert ist. Gilt das für die ganze Epoche oder einen bestimmten Künstler?
Augustin: Es ist eher die Idee des Surrealismus, nicht so sehr eine bestimmte Epoche.
Teboul: Künstler wie Hans Bellmer oder Louise Bourgeois, den Dadaismus mögen wir ebenfalls sehr. Diese Bildwelten der Collage, aus Träumen, und das Nebeneinander von Gedanken aus zusammenhangslosen Botschaften. Da gibt es Gemeinsamkeiten.
Wenn Sie ein Haus und sein Interieur gestalten könnten, wie würde das aussehen?
Teboul: Das ist schwierig. Vielleicht wie hier (im Atelier) oder wie unsere Kleider? Es ist wirklich nicht einfach den Stil der Kleider auf ein Haus zu übertragen. Vielleicht wäre alles schwarz? Am besten sollten wir wohl erst mal einen Laden und ein Hotel gestalten.
Sie haben die Marke vor drei Jahren ins Leben gerufen, mittlerweile gehören Sie zu den Shooting-Stars der Berliner Modeszene. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit und Ihr Leben aus?
Augustin: Für unsere Arbeit ist es von Vorteil, dass so viele Augen auf uns gerichtet sind. Auf der anderen Seite bedeutet das auch viel Druck, man muss immer und immer wieder kreativ sein.
Teboul: Es ist eine Mischung aus Angst und Aufregung. Dieser Rhythmus, zwei Höhepunkte im Jahr. Es ist natürlich nicht einfach, wenn man sein eigenes Label hat, aber man ist viel glücklicher.
Können Sie mittlerweile von Ihrer Mode leben?
Augustin: Nein, es reicht nicht ganz. Es kommt darauf an wie man leben möchte. Das kann viele Jahre Spaß machen aber irgendwann muss man auch dann davon leben können. Wir müssen den Verkauf ankurbeln.
Teboul: Die Kollektion wächst, mit den Accessoires haben wir fast 70 Stücke. Als wir angefangen haben waren es 25 Teile. Im Verlauf von sechs Saisons haben wir die Menge verdreifacht. Daran müssen wir arbeiten, um mehr Läden mit kommerziellen, allgemein ansprechenden Produkten zu erreichen. Im Moment sind die Läden die unsere Kleider kaufen immer noch sehr speziell.
Abschließende Frage: Wenn Sie die Zeit zehn Jahre in die Zukunft drehen könnten…
Augustin: Ein Schloss kaufen.
Teboul: Ist das nicht zu unheimlich? Vielleicht ein großes Haus. International rauskommen, Geld verdienen, ein großes Team. Mit dem Geld auch ein bisschen entspannen können. Und immer noch machen was wir lieben. Vielleicht eine Couture-Kollektion entwerfen.
Vielleicht auch eine Kollektion für Männer?
Augustin: Warum nicht? Anfangs haben wir darüber nachgedacht, aber dann wollten wir uns auf die Frauen konzentrieren. Mal schauen wie sich die Sache so entwickelt. Dann sehen wir weiter.