Gaetano Pesces verspieltes und narratives Design hat dem interessierten Publikum schon so manche Überraschung zugemutet. Pesces amorph hin gegossene Möbel, seine grellbunten oder auch fast schon verrottet wirkenden Farbspektren, die offene Umarmung von Fehlerhaftigkeiten und Zufallsprozessen sperren sich bewusst konsensuellen Schönheitsvorstellungen.
Die oft nur in stark begrenzten Stückzahlen produzierten experimentelleren Entwürfe sind alles andere als einförmig, so beispielsweise die 1984 aus Polyurethanharz gefertigten „Pratt Chairs", deren Stabilität durch eine variable Dosierung von Material härtenden Zusätzen so variiert, dass manche Exemplare unter ihrem eigenen Gewicht zusammensinken, während andere problemlos einen Erwachsenen tragen.
Immer wieder spricht Gaetano Pesce von der großen Wichtigkeit der Nützlichkeit seiner Entwürfe, und es wird klar, dass die Nützlichkeit eines aus Lumpen und alten Kleidungsstücken grob zusammengefügten Sessels, „Rag Armchair" (1972), oder eines 162 langen, 83 hohen und 67 Zentimeter breiten Fußes, „Up No.7" (1969), eine andere Nützlichkeit ist, als die einer eleganten Schreibtischlampe oder eines dezenten Regals. Pesces Entwürfe sind keineswegs antifunktionell, sie wecken einfach andere, ungeordnetere Emotionen.
Unter seiner 1970/71 produzierten, meterhoch vergrößerten Version von Jacob Jensens berühmter „Luxo L1" Schreibtischlampe fühlt man sich eventuell wie ein spielendes Kind oder aber wie ein von Designgeschichte erdrückter Wurm, und vielleicht auch einfach nur angenehm winzig. Vor kurzem brachte die Firma Max Inc. mit dem Modell „Max Lamp" eine Art Remake dieser Riesenlampe in die Geschäfte, und mancher erinnert sich wahrscheinlich eben diesen Entwurf bereits in den Siebzigern bei Pesce gesehen zu haben.
Zur Milan Design Week brachte Meritalia nun eine neue Reihe außergewöhnlicher Sitzgelegenheiten auf den Markt, bei denen Pesce Gestaltungsansätze früherer Entwürfe weiterführt und deren surrealer Verspieltheit man sich nur schwer entziehen kann.
„Montanara" ist ein Sofa, das eine Gebirgslandschaft mit dramatisch herabstürzenden Wasserfällen imitiert. Den Rücken sicher gestützt von gigantischen Bergmassiven kann sich der glückliche Besitzer auf einer der beiden Bergseen niederlassen, und die Beine entspannt an den herabstürzenden Wassermassen baumeln lassen.
Schon 1983 produzierte Gaetano Pesce mit „New York Sunset" ein Sofa in Form einer abstrahierten Skyline. Die zwischen den Hochhäusern untergehende Sonne bot sich dabei als wärmende Rückenlehne an. 2009 bringt Pesce nun jedoch die Technologie des Fotodrucks ins Spiel und produziert damit eine flirrende fotorealistische Illusion, auf der man wahrscheinlich ziemlich gemütlich sitzen kann.
Wenn so ein plakativer Entwurf von Puristen vielleicht für einen kitschigen Gag gehalten wird, so arbeitet er doch außergewöhnlich charmant mit archetypischen Bedürfnissen nach Geborgenheit und narrativer Formensprache. Pesce bebildert mit „Montanara" Attribute, die sonst gemeinhin im Design abstrahiert werden. Stabilität wird hier zum Bergmassiv, Frische zu einem eiskalten Wasserfall und Klarheit zur freien Sicht auf den nächsten Gipfel.
Auch die Sitzmöbel-Serie „Gli Amici" (Freunde) ist alles andere als abstrakt. Die weichen Tiersessel wirken wie aus einer Kinderzeichnung entsprungen. Die Geschöpfe, die Pesce hier formt, sind keine massenkompatiblen Niedlichkeitstrigger, Disney hätte schwer an ihnen zu beißen.
Diese zerknautschten Schweine, Vögel und Köpfe sind freundliche Monstrositäten, krude Gegenentwürfe zu einer straff gepolsterten Gradlinigkeit, die teure Wohnungen sichtbar geschmackvoll schmücken und damit die feinen Unterschiede machtbewusst ausformulieren. Gaetano Pesces Wasserfälle und Tiersofas sind weit mehr als nur ein geschmackloser Scherz, auch wenn man sicher gerne mit ihnen lachen darf, und wer zuletzt lacht, lacht ja bekanntlich am besten.