Boden der Möglichkeiten
„Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“, dürften sich einige der Besucher gefragt haben, die das Kaleidoskop in Halle 9 der Domotex 2018 betraten. Unter dem Titel „Endless Uniqueness“ forderte der mit quadratischen Spiegeln ausgekleidete Raum dazu auf, sich mit dem Messe-Leitthema „Unique Youniverse“ zu beschäftigen. Die Kernaussage: In einer zunehmend globalisierten Welt sehnt sich der Mensch nach immer stärker individualisierten Produkten.
Einzigartiger Auftritt
Das Kaleidoskop war Teil der neuen Schau „Framing Trends“, die das Architekturbüro Schmidhuber aus München unter anderem in Kooperation mit Peter Ippolito (Ippolito Fleitz Group) erarbeitet hat. Dafür hat Schmidhuber Künstler, Architekten und Forscher sowie Hersteller eingeladen, den Trend „Individualisierung“ auf höchst eigene Weise zu interpretieren.
So haben sich zum Beispiel Konstantin Landuris und Classen zusammengetan. Herausgekommen ist ein nach digitalbedruckter Boden in Marmoroptik nach einem Entwurf von Landuris, eingebettet in einer Installation, die sich dem Wohnen in der Zukunft widmet.
Bei den „NuThinkers“ fielen vor allem die Innenarchitektur-Studierenden der FH Mainz auf, die mit „Individual Motion Space“ eine Virtual Reality-Anwendung erarbeitet hatten, mit der man im virtuellen Raum Objekte bis hin zu ganzen Räumen individuell gestalten kann. Das Ergebnis war ebenfalls vor Ort zu sehen: eine raumhohe Box in polygonalem Design.
Fotorealistische Print-Unikate
Aber nicht nur die kreativen Köpfe der „Framing Trends“, auch die Hersteller der diesjährigen Domotex hatten einiges und vor allem sehr viel Unterschiedliches zum Leitthema „Unique Youniverse“ zu bieten. Insbesondere neue Möglichkeiten der Digitaldruck-Technologie veranlasste Anbieter wie Amorim, Beaulieu International Group oder Classen dazu, täuschend echte Fotomotive auf Designböden und Laminat zu bannen. Ob Sand auf dem Boden im Bad, das Riesenaquarium im Kinderzimmer oder auch mal ein Wandmotiv voller Geldstücke – schier unendlich viele Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich nun Einrichtern und Architekten.
Gerade im Zuge eines ganzheitlichen Gestaltungsansatzes, der in den vergangenen Saisons immer stärker Einzug in das Interior Design hielt, haben sich einige Anbieter vom Boden auf die Wand gewagt. Ob bei Beaulieu International Group, Tisca oder Objectflor: Spezielle Systeme, Kleber und Grundierungen machen es nun möglich, Designbeläge und Teppichböden an die Wand zu bringen.
Natürlichkeit und Musterspiele
Holzoptiken sind nach wie vor Topseller und Liebling der Branche. Ob Designboden, Laminat oder gar Parkett – übergreifend zeigt sich, dass Used-Look und Rustikalität zugunsten einer puren Natürlichkeit nachlassen. Bei Ter Hürne sah man Parkett mit handgehobelter Oberfläche, das sich alles andere als glatt anfühlte. Zu den großformatigen Dielen, die in den vergangenen Saisons im Trend lagen, gesellen sich jetzt kleinteilige Muster wie Fischgrät, Mosaike oder die Verlegung von unterschiedlichen Beizungen, die an einen Boden aus Schiffsplanken erinnern.
Viel Aufmerksamkeit wurde den neuen „starren“ Designböden geschenkt – so launchte etwa Unilin ein innovatives „Rigid Board“, das zwar nur eine Aufbauhöhe von 5 Millimeter besitzt, dank seiner vier Schichten aber ein Durchdrücken des Untergrundes verhindert.
Modularität für flexible Interiors
Die Nachfrage nach Textilien im Raum steigt wieder. Der Teppichboden kommt vor allem über modulare Systeme wie Fliesen und Planken wieder zurück – insbesondere zur Anwendung in öffentlichen Bereichen wie Büros. Dort wirkt er nicht nur schallabsorbierend, sondern lässt sich auch dank Modularität exakt verlegen und obendrein noch individuell und kreativ gestalten. Geometrische Muster in abgestimmter Farbgebung zum Interior bieten Abwechslung im tristen Büroalltag. Dabei liegen Haptik, Struktur und Tiefe im Trend. So zeigt Designer Sebastian Wrong mit seiner neuesten Teppichfliesen-Kollektion „Layers“ für Fletco spannende und griffige Strukturen sowie einen „Faux Uni“ – also einen unifarbenen Gesamteindruck, der sich aber bei näherem Hinsehen als aus einer Vielzahl von Farben zusammengesetzt entpuppt.
Softe Pastellwelten mit Handmade-Charakter
Die Sehnsucht in den Wohnzimmern nach skandinavischem „Hygge“ – auf Dänisch "Gemütlichkeit" – bricht auch in 2018 nicht ab: Besonders deutlich konnte man dies am Stand von Tisca aus Österreich nachvollziehen. Dort hatte die schwedische Star-Stylistin Lotta Agaton ein ganzes Raumszenario in Wollweiß geschaffen: mit Möbeln aus hellem Holz, soften Polsterungen und den GOTS-zertifizierten Handwebteppichen der Linie „Olbia“ von Tisca.
Dass Pastellwelten auch weiterhin das Interior Design beflügeln, war bei vielen Herstellern der Domotex nicht zu übersehen. Dafür gibt es einen guten Grund: Pastellfarben verleihen immer kleiner werdenden Wohnungen Leichtigkeit. Architektin Jutta Werner, die für Dedon, Vorwerk und Rolf Benz arbeitet, setzt diesen Trend für ihr eigenes Label Nomad in handgewebte Teppiche um, indem sie dem pastellfarbenen Garn noch ein recyceltes aus silbernem Bonbonpapier hinzugibt.