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Die Wand als schillernde Collage
von Nina Reetzke | 25.01.2011

Als einer der Höhepunkte der Heimtextil 2011 erwiesen sich die Präsentationen führender Tapetenhersteller. Auf Flies, Vinyl, Papier, Textil, Metall und Kunstleder wetteiferten vielschichtige Muster in ausgefeilten Farbnuancen miteinander. Auffallend viele Tapeten warten gegenwärtig mit flachen Reliefen auf, von einfachen „Strukturtapeten" mag man bei den aufwendigen Kreationen kaum mehr reden. Prägungen sorgen für Erhöhungen und Vertiefungen im Material; Muster aus Glasstückchen, Steinchen oder Perlen werden aufgeklebt; zwei oder mehr Lagen werden übereinander gelegt und aus den oberen Schichten einzelne Stellen heraus geschnitten, so dass Teile des Untergrunds sichtbar werden. Beflockungen, die wie Samt wirken, hinterlassen einen edlen Eindruck, und Collagen machen es möglich, mehrere solcher Techniken in einem Dekor miteinander zu verbinden. Nicht zuletzt das Spiel des Lichts auf den strukturierten Oberflächen lässt die Muster lebendig wirken. Einmal schluckt eine raue Fläche jeden Rest von Licht, ein anderes Mal schimmert ein seidiges Material oder metallisch glänzende Applikationen werfen die Strahlen hart zurück. Und manchmal scheinen Glasstückchen sogar Funken zu sprühen.

Im Geiste des Art déco

Die Betrachtung der Musterbücher von „Arte" versetzt einen besonders in Freude. Die Wahl und die grafische Gestaltung der Motive, die Entscheidung für die passenden Materialien und Herstellungstechniken - nicht jedes Muster macht sich gut auf Vinyl - und die durchweg hohe Qualität in der Produktion suchen ihresgleichen. Hier geht es nicht nur um Dekoration, die Kollektionen lassen stets eine tiefgehende und virtuose Auseinandersetzung mit der Geschichte der Wandbekleidung erkennen. Zu den Neuheiten von Arte zählt die Kollektion „Zeppelin", die vom Art déco inspiriert ist. Parallele Linien mit Aussparungen aus konzentrischen Kreisen glänzen in metallischen Farben und erzeugen - je nach Lichteinfall und Blickwinkel - sich stetig wandelnde optische Eindrücke. Nicht weniger lohnt der Blick auf schon bestehende Kollektionen. „Vento d`Oriente" beispielsweise zeigt Blumen- und Paisleymotive in Pastelltönen, die auf Shantung Seide gedruckt werden. Und die Oberfläche von „Bark Cloth" besteht aus einem Patchwork aus von Hand vernähtem Rindentuch in Schwarz oder in erdigen Rot-, Grün- und Brauntönen.

Keramik als Tapete

Zwischen den vielen farbigen Dekors, die in Halle 3 bestaunt werden konnten, waren sie leicht zu übersehen, doch konnte man bei genauerem Hinschauen auch einige technische Innovationen entdecken. Etwa die Keramiktapete „CCFlex" von der Marburger Tapetenfabrik, die ursprünglich von Evonik und Degussa im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelt wurde und für die Marburger Tapetenfabrik jetzt die Rechte für Produktion und Vertrieb besitzt. Ihre Oberfläche besteht aus Silikaten und Korund und wirkt wie eine Keramikscherbe - mit dem Unterschied, dass die Tapete rollbar ist. Umfassend getestet und auch für Nasszellen geeignet, erfüllt „CCFlex" die hohen Bauanforderungen für Hotels, öffentliche Gebäude sowie Krankenhäuser und kann alternativ zur Fliese eingesetzt werden. Dabei wirkt die Keramiktapete alles andere als steril, sondern erstaunlich wohnlich. Sicher gibt es hierzu noch keine Erfahrungswerte, aber die hochwertige keramische Oberfläche könnte im Laufe der Zeit eine schöne Patina entwickeln.

Im Grenzbereich zwischen Tapete und Wandverkleidungen in Form von Platten lässt sich auch die Kollektion „Stoneplex" von Architects Paper verorten, die bereits im vergangenen Jahr eingeführt, nun aber erweitert wurde. Gesteine wie Schiefer oder Travertin werden zu Mehl gemahlen, mit synthetischen, möglichst ökologischen Zusatzstoffen angereichert und in Handarbeit auf ein Trägermaterial aufgetragen. Das Verfahren eignet sich nicht nur für Steinmehle, auch Betongemische lassen sich auf diese Weise verarbeiten. Schiefer, Travertin und Beton kommen auf diese Weise nicht mehr schwergewichtig daher, sondern fast so leicht und flexibel wie Papier. Die Vorteile in Sachen Transport, Lagerung und Verarbeitung liegen auf der Hand. Aus gestalterischer Sicht wird es somit möglich, Steinflächen in einer Größe zu realisieren, die bisher aus statischen Gründen nicht möglich waren.

Produktübersicht zu Tapeten

heimtextil.messefrankfurt.com

Bark Cloth von Arte
Bark Cloth
Villanova von der Marburger Tapetenfabrik
Stoneplex Travertin white von Architects Paper
Stoneplex Travertin gold
Vente d’oriente von Arte
Gardens 14 von BN Wallcoverings
Gardens 2
Chacran 8 von BN Wallcoverings
Chacran 10
Stoneplex Slate bronze von Architects Paper
Schiefer Perlmut von Architects Paper
Stoneplex Travertin beige
Astor von der Marburger Tapetenfabrik
CCFLEX von der Marbuger Tapetenfabrik
Gardens 16