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Die Schwankungen des Goldpreises
von Martina Metzner
20.09.2015

Pariser Charme und Wiener Schmäh, heuer, wie die Österreicher sagen, soll beides zusammenfinden. Denn zur diesjährigen Vienna Design Week, die vom 25. September bis zum 4. Oktober stattfindet, hat das Team um Festival-Kuratorin Lilli Hollein Frankreich zum Gastland erkoren. Dazu wird es eine Reihe von Veranstaltungen geben, etwa die Ausstellung „The Future of the Past – Design as Reinventing Process“ im Palais Clam Gallas, dem Sitz des französischen Kulturinstitutes, sowie die Schau „20 Ikonen des französischen Design“ in der Festivalzentrale. Daneben zeigen rund um die „Passionswege“ junge Designer zusammen mit Unternehmen, ob und wie Zukunft und Tradition sich verschmelzen lassen.

Was den diesjährigen „Fokusbezirk Favoriten“ angeht, so gibt er Gelegenheit, sich ein eher unbekanntes Viertel von Wien näher anzuschauen – was nicht nur für Fremde interessant sein dürfte, wie im Festivalguide betont wird, der einen guten Überblick über die rund 150 Veranstaltungen aus den Bereichen Architektur, Grafik-, Produkt-, Möbel-, Industrie-, experimentelles und Social Design bietet.

Dreh- und Angelpunkt ist die Festivalzentrale in der Brotfabrik im 10. Bezirk Favoriten. In der historischen Anlage aus Ziegel- und Eisenbetonbauten wird nicht nur das Gastland Frankreich in einem eigenen Gebäude vorgestellt, hier stellt im Rahmen des Festivalformats „Debüt“ auch die FH Joanneum Graz Arbeiten aus ihren Designstudiengängen aus. Wer sich für Stadt und Mobilität interessiert, der dürfte bei der Schau der Projekte richtig sein, die zur diesjährigen „Future Urban Mobility“-Initiative in Wien entstanden sind. Um archetypische Möbel wie den Bauernkasten und den Diwan dreht sich das Projekt „Neues Österreichisches Design“, für das Designschaffende mit der Firma Interio zusammengebracht wurden, um neue Interpretationen dieser Stücke vorzunehmen.

Im „Labor“ der Festivalzentrale werden unter dem Motto „Wiener Geschichte(n)“ Arbeitsprozesse von 20 Designschaffenden aus dem Fokusbezirk Favoriten offengelegt, darunter die Wiener Architekten heri&salli, die jüngst mit dem Bürogebäude „Office Off“ im Burgenland aufgefallen sind. Im Rahmen der in der Brotfabrik stattfindenden „Talks“ wird beispielsweise der deutsche Kurator Oliver Elser seine Sicht auf das Thema „Beton – Brutalismus – ein Missverständnis?“ vortragen.

Dass Design auch Antworten auf dringende soziale Fragestellungen bieten kann, zeigen die unter dem Titel „Stadtarbeit“ subsummierten Projekte. Etwa, wenn die Caritas dazu einlädt, unter dem Stichwort „New Local“ zusammen mit Migranten zu kochen.

Höhepunkte der Wiener Designwoche dürften für die meisten Besucher auch in diesem Jahr die „Passionswege“ bieten. An sieben Stationen im 1. Bezirk und im Bezirk Favoriten wird es hochkarätige Kooperationen von internationalen und heimischen Kreativen mit ortsansässigen Unternehmen zu bestaunen geben. Charmant daran ist: Die Objekte und Installationen werden vor Ort in Werkstätten und Geschäftslokalen präsentiert. Ein besonderes Schmankerl dürfte die Zusammenarbeit vom jungen Wiener Designer Klemens Schillinger (News&Stories New Delivery vom 16. April 2015) mit dem Schmuckhersteller A. E. Köchert sein. Für den ehemaligen k.u.k.-Hofjuwelier, der mitten im Zentrum am Neuen Markt beheimatet ist, stellt Schillinger anhand von unterschiedlich großen Schmuckstücken die Schwankungen des Goldpreises der letzten 50 Jahre dar. Um Textilien dreht es sich dagegen bei Laureline Galliot und Backhausen: Die junge französische Designerin hat ihre expressionistisch anmutenden Zeichnungen unter anderem auf Vorhänge des Heimtextilanbieters übertragen, zu begutachten im Kassensaal von Otto Wagner in der Postsparkasse am Georg-Coch-Platz 2.

Außerhalb des kuratierten Programmes gibt es jede Menge Ausstellungen, Vorträge, Workshops und Installationen. Etwa die Ausstellung „Window Gallery“ der türkischstämmigen Wienerin und Smart-Textiles-Designern Ebru Kubrak im Stilwerk, bei der sie ihre „wardrobe for resistance“ zeigen wird. Auch das Hofmobiliendepot hat sich fein gemacht und wird bislang nicht gezeigte Entwürfe von Josef Frank vorstellen. Wer die „Vienna Biennale“ dieses Frühjahr verpasst hat, der kann dies nun nachholen und sich im Museum für angewandte Kunst (MAK) mit „Ideas for Change“ beschäftigen – einem Ausstellungskomplex, der der Frage nachgeht, welche Rolle Design für den urbanen Alltag in der Zukunft einnimmt.

Auch das in den vergangenen Jahren gefeierte Wiener Duo Mischer‘Traxler ist wieder mit von Partie, und das gleich mit zwei Ausstellungen: Erstens haben sich Katharina Mischer rund Thomas Traxler im Hundertwasser-Museum Kunst Haus Wien mit bedrohten Nachtfalterarten beschäftigt, und zweitens zeigen sie in der Festivalzentrale ihren Tisch „Ephemera“, auf dem sich eine künstliche Flora durch das Vorbeigehen der Betrachter bewegt.

Auch einige Stars aus Design und Architektur werden in Wien präsent sein: Während die niederländische Designerin Hella Jongerius im Showroom von Vitra am Schottenring 12 am Freitag, dem 25. September. Hof hält, holt Swarovski am gleichen Abend den britischen Architekten John Pawson ins Kunsthistorische Museum Wien, wo er seine Ausstellung „Perspectives“ eröffnen wird.

Jetzt fehlt nur noch, richtig, der Gaumenschmaus, ohne den ein Besuch in Wien ja kein richtiger ist. Dafür haben sich die Macher der Vienna Design Week etwas Sympathisches einfallen lassen: Im Restaurant Kronbergers im Oberlaa werden jeden Abend Kreative unter dem Stichwort „Vienna Design Cook“ am Herd stehen – ein besonderer Leckerbissen, den man allerdings nicht ohne vorherige Reservierung genießen kann.

www.viennadesignweek.at

Das komplette Programm zur Vienna Design Week >>>

VIENNA DESIGN WEEK
Vom 25. September bis zum 4. Oktober 2015
Täglich von 10 bis 19 Uhr
Samstag 26. September bis 21 Uhr

Festivalzentrale in der Brotfabrik Wien
10. Bezirk, Absberggasse 27, Wien