Bruno Munari (1907 bis 1998) war ein vielseitiger Künstler und Designer. Picasso nannte ihn einmal „den neuen Leonardo“. Einer seiner Ratschläge bestand darin, man solle das Leben ernsthaft als ein Spiel nehmen und sich beispielsweise den Regenbogen im Profil ansehen. Er schuf grafische Arbeiten und kinetische Skulpturen und gründete mit drei weiteren Kollegen 1948 die Vereinigung MAC, die „Bewegung für konkrete Kunst“. 1960 erschien in Italien sein Buch „Das Quadrat“ - über die Geschichte des Quadrats in Architektur, Kunst und Natur. Vier Jahre später folgte „Der Kreis“ und 1976 wurde „Das Dreieck“ auf Italienisch veröffentlicht. Nun hat der Verlag Das Wunderhorn die kleine Reihe in deutscher Sprache herausgegeben. Jeder Band ist quadratisch in Schwarz-weiß gehalten, so dass gar nicht erst die in der Kunstgeschichte diskutierte Frage nach einer Farbzuordnung aufkommen kann. Ob das Quadrat nun, wie Kandinsky mit seinen Bauhausstudenten feststellte, Rot oder Jahrzehnte später dann doch lieber Blau ist, denn ästhetisches Farbempfinden ist von Wissen und Gewohnheit beeinflusst, lässt die Reihe geschickt offen. Letztendlich geht es um die Form und keine Farbe lenkt von diesem Anliegen ab, das macht die Reduzierung auf schwarz und weiß deutlich. Schon der Buchdeckel spricht Bände: die Grundform sitzt zentral, im Mittelpunkt, tritt schwarz vor weißem Hintergrund hervor und wird von der quadratischen Buchform gerahmt. Sonst nichts. Sprachlich auf das Wesentliche reduziert, stellt Bruno Munari auf jeder Seite mehrere Beispiele vor. Ohne Umschweife erläutert er die verschiedenen Verwendungsweisen der drei Grundformen. Das reicht von bekannten bis ganz überraschenden Beispielen. Im Buch „Der Kreis“ etwa wird ein zylindrischer Brunnen von 1961 in Mailand vorgestellt, dessen innerer und äußerer Zylinder mit farbigen Plastikelementen versehen und gedreht werden können, was dabei ungeahnte Wirkungen hervorruft. Oder nehmen wir die Idee eines halbkugelförmigen Gebäudes über einer Wasseroberfläche, das sich durch Spiegelung zu einer Kugel vervollkommnen sollte. „In diesem Gebäude, das in Indien hätte um 1914 gebaut werden sollen, wollte man ein heiliges Schauspiel universaler Auferstehung aufführen“, so Munari. Dass manche Faszinationen wohl niemals ihren Reiz verlieren werden, zeigt das vor einem Jahr eröffnete, chinesische Nationaltheater des Architekten Paul Andreu: Ein Ellipsoid, das mit seiner Längsachse bis zur Mitte in einem Teich liegt.Im Band zur Figur des Dreiecks stellt Munari das erste Tetra Pak vor, einen Tetraeder, und merkt dazu an: „Milchbehälter aus plastifiziertem Karton. Er wird hergestellt, indem man die beiden kreisförmigen Öffnungen eines Zylinders oben und unten mit zwei zueinander rechtwinkligen Nähten verschweißt.“ Ein Produkt, was sich, vielleicht wegen der kubischen Kühlschränke, leider nicht halten konnte. Das neapolitanische Sprichwort „Wer als Quadratschädel auf die Welt kommt, stirbt nicht als Rundschädel“ ist ebenso einfach und dennoch bestechend. Munaris Bücher stecken voller Entdeckungen, von Redewendungen wie „Du bist runder als das O von Giotto“, womit schwerfällige Menschen bezeichnet werden, bis zu Naturgesetzen wie die dreieckigen Pflanzenstrukturen von Bananen und Kokosnüssen. Jeder Satz steckt voller Informationen und ist erfrischend knapp. So sind die drei Bände eine Quelle der Inspiration für weitergehende Studien. Drei wunderbare Bücher, die nichts an Aktualität und Esprit verloren haben und verlieren werden. Das Quadrat, von Bruno Munari, 87 Seiten, gebunden, Verlag Das Wunderhorn Heidelberg 2006, 14,80 EUR Der Kreis, von Bruno Munari, 88 Seiten, gebunden, Verlag Das Wunderhorn Heidelberg 2006, 14,80 EUR Das Dreieck, von Bruno Munari, 104 Seiten, gebunden, Verlag Das Wunderhorn Heidelberg 2008, 15,80 EUR
Die magischen Drei
von Nancy Jehmlich | 31.07.2008
All photos © Dimitrios Tsatsas, Stylepark
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