Stylepark-Special: Retrospektive: IM GESPRÄCH: KONSTANTIN GRCIC – TEIL 3
Die Industrie ist kein Dinosaurier
Thomas Wagner: Sind Ihre Entwürfe manchmal ironisch? Zum Beispiel, wenn die Steilkurve der Rennstrecke von Monza als Rückenlehne an einem Stuhl auftaucht?
Konstantin Grcic: Ironie ist wichtig im Gestaltungsprozess, weil die Arbeit selbst so ernst ist und unheimlich trocken sein kann. Es ist gut, wenn etwas Ironie in unserem Arbeitsprozess mitschwingt. Als Aussage im fertigen Produkt, finde ich, kann das eine Qualität sein – und dann mag ich es auch. Es ist aber nicht wichtig. Es ist nichts, was ich bewusst einsetze. Ein Möbel muss nicht ironisch und schon gar nicht lustig sein. Es wird immer mal wieder behauptet, meine Sachen hätten Humor. Das ist immerhin besser als wenn man sagen würde: „Huch, das Zeug, das der macht, ist immer so bierernst.“ Ich strebe das aber nicht an, so wenig wie ich mit meinen Dingen provozieren will oder sie für sperrig halte, was man ihnen auch gelegentlich unterstellt.
Welche Entwürfe hält man für sperrig? Den Chair One?
Konstantin Grcic: Zum Beispiel den Chair One. Das, worum es mir beim Entwerfen ging, was dieser Stuhl sein soll, führte mich ganz logisch, bewusst, und in guter Absicht genau dorthin, wo ich hinwollte. Für mich war der Chair One eine Antwort auf all die Fragen, um die es mir damals ging. Für mich ist der Stuhl keine Provokation, eher das Gegenteil.
Und weshalb haben ihn einige als Provokation empfunden?
Konstantin Grcic: Na ja, zu sagen: „Jetzt setzt du dich auf so einen Grill.“ Oder auf so ein Gittergerippe. Ich hingegen behaupte: Weil der Stuhl für den Außenraum gemacht ist, sitzt man lieber auf einem Gerippe, denn das ist weniger dreckig, weil es aus weniger Material besteht. Es wird im Sommer auch nicht heiß und im Winter nicht zu kalt, und auf dem Sitz bleibt kein Regenwasser stehen. Für mich war das eine klare Sache. Und natürlich ist es am Schluss auch eine Gestalt, die ich dem Stadtraum, den ich mir vorstelle, hinzufügen wollte. Wie lächerlich sieht ein gewöhnlicher Stuhl aus, den ich nach draußen stelle? Der sieht wirklich lächerlich aus vor dem Hintergrund einer Fassade im Stadtraum. Also wollte ich auch ein bestimmtes Bild entwerfen. Ein Stuhl ist ein Stuhl, in Proportion und Größe und so weiter. Wie aber kann man den so ausformen, dass er im urbanen Raum und gegen dieses Hintergrundbild bestehen kann? Gegenüber Gebäuden, gegenüber Asphalt – oder besser: nicht dagegen, sondern damit. Um solche Dinge ist es mir damals auch gegangen.
War der Geschirrtrockner „Wanda“ trotzdem eine Hommage an Duchamp und seinen Flaschentrockner? Zeigt sich hier ein spielerischer Konstantin Grcic?
Konstantin Grcic: Ja, das ist spielerisch, natürlich. Die Form des Flaschentrockners kenne ich durch Duchamp. Und dann gab es ein Projekt: Wir machen ein Abtropfregal. Und dann hat sich das ergeben, als Ableitung oder als Zitat. Ich mache das aber sehr selten. Es ist auch nicht Duchamp, den ich zitiere, sondern der Flaschentrockner, den er sich genommen hat. Es geht mir weniger darum, den Künstler Duchamp zu zitieren. Das wäre mir zu prätentiös.
Die Art, wie Sie den Object Space inszeniert haben, hat für mich etwas Filmisches. Es werden nicht nur Dinge aneinandergereiht, es entstehen sinnliche Verbindungen, Szenen und kleine Erzählungen. Plötzlich taucht ein gelbes Reclam-Heft auf, dessen Gelb sich mit dem Stuhl von Enzo Mari verbindet. Wollten Sie auf unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen jede Menge Hinweise einstreuen?
Konstantin Grcic: Die Erzählung, die ich vorschlage, ist nicht zwingend. Ich hätte auch andere Dinge auswählen können, und dann hätte sich eine ganz andere Erzählung ergeben. Im Sinne des Panoramas wollte ich zeigen, wie man auf eine Arbeit wie meine schauen kann, wie ich selber auf diese Arbeit blicke. Natürlich leite ich dadurch den Besucher – führe ihn ein wenig in die Irre oder manipuliere ihn. Aber wie gesagt, ich könnte auch eine ganz andere Geschichte erzählen. Die Geschichte, die ich nicht erzählen wollte, ist die rein didaktische oder chronologische.
Es sollte wohl auch keine Trophäensammlung werden?
Konstantin Grcic: Nein, keine Trophäen! Nach dem Motto: Und dann habe ich das gemacht, und dann das. Ich wollte die Dinge einfach vermischen, weil es für mich eine Rolle spielt, dass es zwischen diesen Dingen irgendwelche Verbindungen gibt – bewusst, unbewusst, spielerisch. Das Ganze ist ein Kosmos, in dem ich lebe. Oder noch wichtiger: aus dem ich schöpfe. Mein Büro ist in gewisser Weise dieser Kosmos, und die meisten Dinge, die ich in den Vitrinen ausbreite, sind Dinge, die ich um mich haben möchte, um überhaupt arbeiten zu können, Dinge, die mir immer wichtig gewesen und die sehr persönlich sind.
Sie breiten kein Archiv aus. Was Sie zeigen, hat nichts Systematisches. Ist es eine Art Fundus, aus dem Sie immer wieder Anregungen beziehen?
Konstantin Grcic: Fundus beschreibt das tatsächlich am besten. Ich bin kein Sammler, und wenn wir im Büro eine Form von Archiv haben, dann nur, weil es notwendig ist, gewisse Dinge zu sortieren. Persönlich ist mir ein Fundus lieber, weil man Dinge dort einfach ablegt und sie eben nicht sortiert. Ich weiß auch gar nicht, warum ich sie ablege und was das bedeutet.
Ist der Fundus auch ein Workspace ...
Konstantin Grcic: Ja, als Gedankenraum ...
... der im Arbeitsprozess eine Rolle spielt?
Konstantin Grcic: Sicher, der Fundus spielt eine wichtige Rolle. Zugleich darf der Fundus nie zu einem Werkzeug werden, das ich bewusst einsetzen kann. Die Kraft oder das Spannende, das Schöne und das, was ich versuchen muss, zu bewahren in diesem Fundus, all das bleibt im Hintergrund. Für mich muss das eine Schatztruhe bleiben, aus der man immer wieder Schätze hebt, die man vergessen hatte. Ich weiß ja gar nicht, was da alles drin ist.
Würden Sie das strategisch einsetzen, wäre der Zauber weg?
Konstantin Grcic: Ja, dann ist der Zauber weg. Das ist ja das Schlimme an Agenturen, die organisieren sich ihre Datenbanken, sodass jeder Mitarbeiter immer zur rechten Zeit die richtigen Dinge holt. Für mich muss verschlossen, verborgen, im Untergrund bleiben, was da alles drin ist. Im Moment funktioniert mein Gedächtnis auch noch gut genug. Man nennt das wohl Inspiration, wenn plötzlich irgendetwas auftaucht und der Funke überspringt, die Synapsen zu feuern beginnen. Man holt aus dem Fundus irgendetwas hervor, was man dort abgelegt hat, es liegt aber nicht wie in einer Toolbox auf Abruf bereit.
Kafka hat, ein Bibelzitat abwandelnd, einmal notiert: „Wer sucht, der findet nicht, wer nicht sucht, wird gefunden.“ Funktioniert so Inspiration für Sie?
Konstantin Grcic: Genau, gefunden werden ist schöner! Finden ist aber auch gut. Beides ist möglich, beides hat was. Aber beide Modelle sind problematisch in dem Moment, wo man sich während des Arbeitens darauf verlässt, man würde schon irgendwas finden. Der kreative Prozess hat ja ganz viel damit zu tun, wie man mit sich selbst umgeht und wie man es schafft, nicht immer in dieselben Fallen zu gehen. Ich entwerfe als Designer nichts einfach so. Ich habe keine Ideen. Ich bekomme sie, weil es plötzlich ein Projekt, eine Aufgabe gibt. Deshalb bin ich Designer und nicht Künstler. Ich brauche diese Aufgabe,
das ist total wichtig.
Ich habe, jenseits vieler anderer Unterschiede, junge Künstler vor Jahren mal gefragt, ob sie noch daran glauben, als Einzelne gegen ganze Teams von Designern und deren Kompetenz bestehen zu können oder ob es nicht an der Zeit wäre, auch in der Kunst wieder verstärkt in Gruppen zu arbeiten. Wie sehen Sie das Verhältnis von Designer und Künstler?
Konstantin Grcic: Das ist sehr interessant, die Frage so herum zu formulieren. Ich habe eher den Eindruck: Wie können wir als Designer überhaupt noch mit Künstlern konkurrieren? Zumindest mit Künstlern, die finanziell in einer ganz anderen Liga spielen.
Olafur Eliasson Industries zum Beispiel?
Konstantin Grcic: Eliasson, genau. Solche Künstler haben Möglichkeiten, die haben wir gar nicht mehr. Ich habe erlebt, wie Dinge vermischt werden. Plötzlich trete ich für ein und dasselbe Projekt gegen einen Künstler an. Da kann ich überhaupt nicht mithalten, solche Künstler haben ganz andere Strukturen aufgebaut, werden von einem Galeristen unterstützt und so weiter.
Wir sprechen jetzt über geschätzte zwei, drei Prozent aller der Künstler.
Konstantin Grcic: Vergleichen wir es mal so. Ich weiß, was ich hier für eine Realität habe, um meine Gehälter zu zahlen und über die Runden zu kommen. Einer wie Eliasson hat sicher auch Probleme, aber er funktioniert ganz anders als Hersteller und Auftraggeber für mich. Ist ein Künstler erfolgreich, dann hat er die ganze geölte Maschinerie aus Galerie, Museum und Markt hinter sich. Wir haben auch einmal eine Ausstellung in der Londoner Serpentine Gallery gemacht. Und das war so ein Beispiel. Die Serpentine Gallery ist non-profit und klein und super, so ein Guerilla-Dings, aber dann machen die eine Ausstellung
mit Künstlern, hinter denen fette Galerien stehen. Die Galerien organisieren alles, die finanzieren alles, die regeln alles. Das ist so. Jetzt kam ich und die dachten, ich verfüge über die gleiche Struktur. Wir sagten aber: „Okay, all diese Dinge und Projekte müssen wir ausleihen.“ Die konnten gar nicht fassen, dass sie das plötzlich organisieren sollten. Sie haben es am Ende gut gemacht, aber ich glaube, sie waren ehrlich schockiert, mit was sie es da plötzlich zu tun hatten. Das ist meine Realität. Ein anderes Beispiel ist Tobias Rehberger, der, als er ein Konzept für das Café im Zentralpavillon der Biennale von Venedig entwickeln sollte, gefragt hat, ob wir nicht etwas zusammen machen könnten. Dass er gefragt hat, fand ich total nett. Meine Antwort an Tobias aber war: „Wie ist der Zeitrahmen und wie ist das Projekt finanziert?“ Worauf er meinte: „Ach, das machst du irgendwie so.“ Ich habe Tobias dann gesagt: „Nein, ich kann das nicht machen, das geht einfach nicht. Ich habe diese Kapazität überhaupt nicht.“ Für ihn war das eine andere Kalkulation – und eine mit einem super Resultat.
Rembrandt war auch schon Malerei-Unternehmer.
Konstantin Grcic: Klar, ja.
Und wie stehen Sie zu der These, das Design sei die Kunst des 21. Jahrhunderts? Womit nicht gemeint ist, dass Design die Kunst ersetzen oder zu Kunst werden wird, sondern dass ihm ein gesellschaftlicher Stellenwert zuwachsen wird, wie ihn im 20. Jahrhundert die Kunst innehatte.
Konstantin Grcic: : Ich weiß noch nicht einmal, ob ich dieser These zustimmen würde, dass das Design die Kunst des 21. Jahrhundert sein wird. Wird nicht eher die Kunst zum Design des 21. Jahrhunderts? So populär diese Bildwelten der bildenden Kunst inzwischen für uns alle sind. Das kennt inzwischen doch fast jeder, und das wirkt prägend weit über das Kunstpublikum hinaus. Alle diese Bilder finden sich in der Mode, in Produkten, wahrscheinlich selbst in der Automobilwelt. Ich denke, Design wird eher der Player hinter der Kunst sein.
Die Künstler malen die großen Bilder und die Designer müssen die Probleme dahinter lösen? Ist das so eine Rollenverteilung?
Konstantin Grcic: : Ja, und das geht noch nicht mal gegeneinander. Das Design schafft keine prägenden Bilder, aber solche Bilder sind ja wichtig, und die Kunst schafft solche Bilder.
Da bin ich skeptisch. Der Verbrauch an Bildern ist heutzutage so enorm, dass selbst kritische, komplexe, widerborstige Bilder einfach konsumiert werden.
Konstantin Grcic: : Aber genau dieser Konsum resultiert ja in Kunst. Man kann nicht genug kriegen, also muss soviel produziert werden, woraus eine bestimmte Form von Kunst entsteht. Das ist erstaunlich. Es ist noch gar nicht so lange her, da hat mir ein Museumsdirektor erzählt, dass sich zum ersten Mal seit dreißig oder vierzig Jahren große Museen von der zeitgenössischen Kunst abwenden. Findet das tatsächlich statt, wird sich die Situation verändern. Ob es stattfindet? Keine Ahnung. Es ist aber ein Zeichen dafür, wie überhitzt der Kunstbetrieb ist.
Der Kunstbetrieb setzt noch immer auf Originale. Die globale Wirtschaft aber ist von Massenfabrikation geprägt. Kann es sein, dass Künstler stärker als bisher ins Design drängen?
Konstantin Grcic: Ich weiß nicht, die Tendenz der Industrie geht ja eher in Richtung Individualisierung. Industrieproduktion bedeutet nicht mehr nur Standardisierung, sondern genau das Gegenteil. Man hätte nicht gedacht, dass das möglich werden würde.
Gern auch mit 3D-Druck als ganz großes Versprechen?
Konstantin Grcic: Der 3D-Druck ist so beliebt, weil er digital ist. Ich habe vor kurzem hier in München eine Werksführung bei BMW mitgemacht. Wenn man sich die Produktionsstraßen anschaut, da wird jedes Auto individualisiert, das am Fließband montiert wird. Kein Auto gleicht dem anderen. Das sind Hunderte, und es gibt kein identisches Auto mehr auf der Straße. Das Auto ist noch immer das Industrieprodukt schlechthin. Aber es gibt keine zwei BMWs, die exakt gleich sind – selbst wenn es nur das Radio ist, für das der eine Kunde mehr ausgibt als der andere. Das ist total verrückt.
Also steuern wir im Gegenteil auf eine Kultur des Originals zu?
Konstantin Grcic: Ja, in irgendeiner Form. Am Ende gibt es aber überhaupt kein Original mehr, denn im Entwurf sind bereits sämtliche Variablen angelegt. Auf dem Niveau unserer Produkte gibt es den Chair One in fünf Farben. Wähle ich eine Farbe, so ist das der Stuhl, wie er für mich das Original darstellt. Ich weiß nicht, ob es noch einen BMW gibt, der so ausgeliefert wird, wie ihn sich der Designer, der ihn entworfen hat, vorgestellt hat.
Am Ende basiert das individualisierte Auto aber auch auf einem, wenn auch variablen, Standard. Wovon wir sprechen, ist lediglich eine Standardisierung Plus.
Konstantin Grcic: Genau, es ist ein Baukasten aus standardisierten Elementen, Und das fand ich toll. Ich bin ja ein Verfechter dieser Idee von Industrie, ich mag Industrie. Man sieht das Band laufen, und jedes Auto ist anders. Weil das eine Fabrik ist, erkennt man aber auch, wie weit weg die Vorstellung ist, ein 3D-Drucker könne morgen ein Auto bauen. Auch ein 3D-gedruckter Stuhl ist immer noch ein totaler Quatsch. Ich weiß, wie groß für Hersteller, die genau wissen, wie sie Holzstühle bauen, die Herausforderung ist, zwei Stücke Holz zusammenzuleimen. Es ist nicht so, dass wir das alles auf einmal ganz anders lösen könnten.
Selbst wenn wir es könnten, wie stünde es um die ökonomischen Folgen? Sind wir uns bewusst, dass ganze Industrien kollabieren würden? Möglicherweise für einen billigen, aber schlechten Ersatz.
Konstantin Grcic:Diese Frage stellt sich noch nicht einmal, denn das ist doch recht weit hergeholt. 3D-Drucker werden keine Fabriken ersetzen, aber neue Möglichkeiten schaffen. Ich weiß nicht, ob in einem Automobil bereits 3D-gedruckte Teile verarbeitet werden, in der Flugzeugindustrie auf jeden Fall. Es ist ja nicht so, dass das nur für den Hausgebrauch ist, und die Industrie hat damit gar nichts zu tun.
Sicher, für die Industrie ist die digitale Produktion wirklich interessant.
Konstantin Grcic: Vielleicht gibt es dann ja Copy-Shops, wo das ganze Zeug auf hohem Niveau gedruckt wird. Ich glaube, die Industrie bleibt relevant und wichtig. Ich schöpfe selbst sehr viel aus der Industriekultur, daraus, eng mit der Industrie zusammenzuarbeiten und das auch verstehen zu wollen. Die Industrie ist kein Dinosaurier. Was dort geschieht, ist immer noch unheimlich spannend. Selbst bei den kleinen Firmen, von denen ich vorher sprach und die ich gut kenne, versteht man, wie der industrielle Prozess funktioniert oder funktionieren kann, beziehungsweise ab wann es nicht mehr funktioniert und wie sich das Produzieren verändern muss. Wenn wir über ein Produkt für eine bestimmte Anwendung und für einen Anwender sprechen, so darf man nicht vergessen: Die Industrie als Produzent ist ja bereits ein Anwender meines Entwurfes. Die Firma muss ihn ja produzieren können. Zur Funktion des Entwurf gehört auch: Das ist produzierbar, das kann gelagert und verpackt werden. Unter Umständen baut man auch ein, dass der Hersteller das Produkt zurückholen, reparieren oder recyceln kann, was auch immer. Das sind alles Anwendungen und Funktionen, mit denen wir zu tun haben, manchmal weniger und manchmal mehr ausgeprägt. Auch sie beeinflussen das Design und beschreiben die Realität von Produkten.
Zugleich gibt es Lieblinge aus der Designgeschichte, auf die Sie gern verweisen. Zum Beispiel, wenn Sie einen Hocker nach einem der schönsten Supersportwagen benennen, den es je gab: Miura. Ist es die Begeisterung für solche Dinge, die Sie prägt und trägt?
Konstantin Grcic: Ja, nur das trägt einen. Am Ende ist das mein Alltag, ist das mein Job. Die Leidenschaft dafür trägt mich. Ein Objekt als Fetisch interessiert mich nicht. Ich finde den Miura toll, aber ich kann auch noch zehn andere Sportwagen nennen, die ich toll finde. Dasselbe gilt für Musik, für Lieblingsfilme, Lieblingskünstler ...
Die da wären?
Konstantin Grcic: Ich bin ganz schlecht darin, solche Fragen zu beantworten. Natürlich gibt es Lieblingssachen, aber welche das jeweils sind, wechselt. Ich finde, es sind deshalb Lieblinge, weil ich genau weiß, dass ich im nächsten Moment andere hätte ...
Was sind denn gerade Ihre Lieblinge?
Was sind Ihre derzeitigen Favoriten?
Konstantin Grcic: Porsche 911, das ist für mich immer noch ein ganz besonderes Auto, natürlich der 993, der letzte luftgekühlte 911er. Das ist der tollste. Ich glaube, kein anderes Auto hat so eine Evolution durchgemacht. Natürlich gibt es dabei bessere und schlechtere Phasen, aber ich wüsste kein zweites Auto, das noch immer mehr oder weniger auf dem ursprünglichen Entwurf mit seinen charakteristischen Merkmalen basiert.
Ist Design eine Tätigkeit, die Dinge immer besser machen kann?
Konstantin Grcic: Natürlich ist, was wir tun, Weiterentwicklung, Evolution. Manchmal kann man ausbrechen oder zwei Schritte überspringen, aber vor allem machen wir Dinge besser und sind selten Erfinder. Mit Erfinden hat Design nicht viel zu tun. Innovation ist ja auch so ein Begriff, der gern und oft verwendet wird, aber nur selten zutrifft. Es sind eher kreisende
Bewegungen. Ich mag das Bild, denn man kreist immer wieder um das Gleiche, aber das Kreisen ist schon eine Spirale. Plötzlich merkt man, man dreht sich nicht einfach nur, sondern kommt auf einer anderen Ebene wieder an dieselbe Stelle. So wie man immer wieder Dinge betrachtet, die es schon gibt. Letztes Jahr habe ich für Flos die Parentesi-Leuchte, die Achille Castiglioni und Pio Manzù 1970 entworfen haben – vielleicht so etwas wie ein 911er unter den Leuchten – weiterzuentwickeln versucht. Damals haben die beiden angefangen, ihre Dinge zu machen. Jetzt knüpfe ich so und so viele Jahre später daran an. Die Parentesi war in sich abgeschlossen, aber ich fand, es gibt eine Möglichkeit, an ihr weiterzuarbeiten. Ich glaube, als Designer arbeiten wir immer wieder an bestimmten Themen weiter. Gerade in der letzten Zeit habe ich Dinge aufgegriffen und weiterbearbeitet. Was toll wäre: Das eigene Ding noch mal in die Hand zu nehmen. Etwa den Chair One – nicht, um die offensichtlichen Schwachstellen zu beseitigen, sondern um das Ganze noch einmal neu zu denken. Das wäre schon spannend.
Gilt das auch, wenn Sie sich bei „Traffic“, einer Sitzmöbelkollektion, die Sie 2013 für Magis entworfen haben, Le Corbusier wieder vornehmen? Geht es dabei um eine Hommage? Oder eher darum, bestimmte Prinzipien wieder aufzugreifen und sie aus heutiger Perspektive zu überdenken?
Konstantin Grcic: Genau. Die Prinzipien haben einen absoluten Wert. Die Idee – ich weiß gar nicht, ob sie von Le Corbusier stammt oder damals einfach aktuell war –, dass jedes Sofa eine Art von Korb oder Gehäuse oder Kiste ist, in die du dann die Kissen reinstellst, das sind Ideen, die sind so gut, die kann man nicht einfach im Archiv der Geschichte liegen lassen. Man muss es wagen, sich noch einmal daran zu machen, um auf diese sehr gute Idee noch eins draufsetzen können. Ein Tabu ist so etwas nicht, da gibt es keine Regel, die sagt: „Die Klassiker darf man nicht anrühren.“
Konstantin Grcic – Panorama
bis 24. Mai 2015
Z 33 House for Contemporary Art
Zuivelmarkt 33
3500 Hasselt / Belgien