Meister des Purismus
Kathrin Spohr: Woran arbeitet Ihr gerade?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Wir entwickeln einige Projekte für den Privatsektor, wie Küchen und Möbel. Im Bereich Gastronomie gestalten wir ein neues Bäckerei-Konzept. Eine Geschirr- und Besteck-Kollektion ist auch in der Entwicklung. Außerdem haben wir das Interior für die Kölner Digitalagentur Dayy fertig gestellt. Ein spannendes Thema!
Warum ist das so spannend?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Seit der Pandemie reduzieren viele Unternehmen ihre Büroflächen, wollen diese aber attraktiver gestalten, damit die MitarbeiterInnen neben der Zeit im Homeoffice auch tatsächlich in das Büro kommen. Es geht also um das Schaffen von Wohlfühlatmosphäre mit Arbeitsmöglichkeit. Hybrid nutzbare Möbel und Räume. Wir haben beispielsweise einen multifunktionalen Tisch für Dayy entwickelt, bei dem die MitarbeiterInnen den Monitor elektrisch herausfahren können, wenn sie dort arbeiten. Wenn nicht, ist es einfach ein schöner, riesiger Tisch, an dem beispielsweise auch ein Dinner stattfinden kann. In der Regel arbeiten in dem Unternehmen alle mobil mit dem Laptop und wechseln regelmäßig ihre Arbeitsplätze. Unser Tisch kann in diesem Trubel für Ruhe und Klarheit sorgen.
Welche Haltung braucht es für ein so vielfältiges Repertoire wie Eures?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Es ist spannend, sich immer wieder in neue Themenfelder einzuarbeiten!
Ihr habt einige beliebte Cafébars gestaltet – wie "Van Dyck" und "Holm" in Köln oder das "Kliewe" in Münster. Der Look: Minimalistisch, aber nicht unterkühlt. Wie schafft man es, eine moderne Espressobar-Atmosphäre zu kreieren? Und wie würdet Ihr euren Stil beschreiben?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Natürlich gibt es immer verschiedene Priorisierungen und auch USPs, die es zu erfüllen gilt. Manchmal geht es um ein längeres Verweilen. Manchmal eher nicht. Etwa, wenn ein Café gleichzeitig Showroom für Kaffeemaschinen oder eine Rösterei ist. Genau diese Essenz des jeweiligen Projekts gilt es herauszuarbeiten. Das Interior sollte aus einem Guss sein. Es sollte reduziert und aufgeräumt wirken. Wir finden: Die Menschen und das Treiben im Café füllen den Raum bereits aus.
Das Kölner Café Van Dyck habt Ihr mit der "Modbar" umgesetzt – eine Marke von La Marzocco, die die Technik der Espressomaschine unter die Theke bringt. Wie verändert diese Techniklösung die Interiorgestaltung in der Gastronomie?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Bei der "Modbar" ist auf der Theke lediglich eine wasserhahnähnliche Einheit für die Espressoausgabe, beziehungsweise Dampf oder Pour-Over zu sehen. Es wird also direkt viel luftiger, minimaler. Das ermöglicht zwischen den KundInnen und der oder dem Barista eine bessere Kommunikation. Die Interiorplanung mit der "Modbar" ist völlig anders: Man gestaltet keine Theke, die genügend Platz für eine Espressomaschine bietet – man baut die Theke um die Maschine herum. Das eröffnet ein völlig neues Gestaltungspotential.
Ihr seid Spezialisten für Orte, die höchsten Kaffeegenuss erlebbar machen. – Eine perfekte Espresso-Bar ist …?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Minimalistisch. Über die Materialien und ein paar Details entsteht die besondere Wirkung.
Gibt es Materialien, mit denen Ihr bevorzugt arbeitet?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Es kommt auf die Nutzung, die Funktion an. Möbel müssen langlebiger sein. Eine Küche möchte man 20 Jahre nutzen. Bei einem Store- oder Cafékonzept ist das anders: Da braucht es Teaser, die einen hineinlocken. Da kann eine Theke auch rosa sein. Keramik ist ein tolles, langlebiges Material. Wir sind Designer und können uns das Material immer wieder passend für das jeweilige Projekt aussuchen. Wir haben eine eigene Materialbibliothek und schauen auch immer, was es Neues gibt. Da tut sich einiges, wie recycelte Materialien, die natürlichen Steinen gleichen, et cetera.
Eure Projekte zeichnen sich durch Minimalismus, Schlichtheit, geradlinige Formen aus. Wie arbeitet ihr das Wesentliche an einem Projekt heraus?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Es geht uns nicht darum, eine minimalistische Idee überzustülpen, sondern die Essenz eines Projekts herauszuarbeiten. Das funktioniert nur im guten Austausch mit den KundInnen. Verstehen, was diesen ausmacht, was möchte sie oder er. Es kann eine Aufgabe sein wie eine "coole Bäckerei" zu gestalten. Da muss man erst einmal herausarbeiten: Wer ist die Kundin/ der Kunde, was genau ist mit "cool" gemeint und was gibt die Immobilie dafür her? Das macht unseren Job überhaupt so spannend: Durch den intensiven Austausch mit den KundInnen bekommt man Einblicke in die unterschiedlichsten Bereiche.
Wie war euer Lösungsansatz für Kliewe Coffee-Elements in Münster, wo Showroom und Café vereint werden sollten?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Kliewe Coffee-Elements vertreibt hochwertige Espressomaschinen und Zubehör wie Mühlen. Die schlanke Immobilie an sich eignete sich schon gut, um einen Cut für eine Aufteilung in zwei Bereiche zu machen. Das Café sollte das zur Schau stellen, was Kliewe bietet: Ein Kaffeeerlebnis. Deswegen ist das Café auch autark nutzbar. Den hinteren Bereich, den Showroom, haben wir durch eine transparente Schiebetür abgetrennt. Bei Bedarf wird alles zu einem großen Raum. Die Kundinnen können sehen, wie die Maschine in der Anwendung im Café genutzt wird. Umgekehrt funktioniert das natürlich auch: Für die CafébesucherInnen wird der Showroom zu einer Art Teaser, um sich inspirieren zu lassen. Wenn aber eine private Schulung im hinteren Bereich stattfindet, trennt man die Räume per Schiebetür voneinander ab.
Für die Hemro-Group – Hersteller von Kaffeemühlen, Mahlscheiben und Technologielösungen – habt Ihr das neue HQ in Zürich gestaltet. Was ist hier die zentrale Gestaltungsidee?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Gemäß dem Hersteller war unser Leitgedanke Innovation und Qualität. Hemro wünschte einen multifunktionalen Showspace: So haben wir einen großen Raum gestaltet, der in drei Zonen unterteilt ist. Diese lassen sich durch Vorhänge voneinander separieren. Der erste Bereich ist schon ziemlich fancy: Eine Modbar mit Meeting Space. Hier kann man sich treffen, am Tisch Kaffee trinken, mit dem Laptop arbeiten. Daran grenzt ein Brandspace/Showroom an, wo beispielsweise die neuen Mühlen, Mahlscheiben präsentiert werden. Das Highlight ist ein puristisches Regal mit einem Beleuchtungskonzept, welches die Mühlen gekonnt in Szene setzt. Dahinter befindet sich ein Academy Space mit zwei gleichgroßen Inseln, wo interne MitarbeiterInnen sowie Hemro-PartnerInnen auf höchstem Niveau mit modernster Technik und in laborartiger Atmosphäre in Espresso- und Filterzubereitung geschult werden. Durch das Zusammenspiel geradliniger Formen, unterschiedlicher, hochwertiger Materialien und sanfter Farbakzente ist ein modernes und zeitloses Interieur entstanden.
Ihr seid gerade in ein neues Büro in einer ehemaligen Industriehalle in Köln Ehrenfeld gezogen. Hier war es euer Anspruch, euren gesamten Schaffensprozess in der Immobilie abzubilden. Wie ist dies gelungen?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Es hat lange gedauert, bis wir die neue und circa 330 Quadratmeter große Fläche gefunden haben. Denn wir wollten einen Ort, der charmant ist und sich entwickeln lässt. Wo man alle Bereiche unserer Arbeit unterbringen kann: Von der Idee bis zur Umsetzung, Konstruktion und Montage und Präsentation. Wir haben einen Show-/ KundInnenbereich kombiniert mit Küche und einem großen Tisch für KundInnengespräche, wo aber auch das Team zusammenkommt. Es gibt separate Räume für klassische Büroarbeit, wo man sich zurückziehen und telefonieren kann. In einem mittleren Bereich ist unser Designhub, wo die Gestaltung von der Idee bis hin zu Visualisierung und Konstruktion, also der Prozess stattfindet. Von dort geht es in die Werkstatt. Und in der oberen Etage gibt es einen Material- und Musterraum. Die Wände sind in dezenten, wohligen Farben gehalten, um eine ruhige und konzentrierte Arbeitsatmosphäre zu erzeugen.
Inwiefern beeinflusst das neue Büro die Qualität Eurer Arbeit?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Wir haben kurze Wege. Der gesamte Space dient als Ausstellungsfläche für unsere Möbel- und Interiorprojekte. All das macht unsere Arbeit auch für unsere KundInnen sehr transparent und anschaulich.
Das heißt, ihr fertigt unter anderem die maßgeschneiderten Küchen komplett selbst?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Nein. Und das ist uns sehr wichtig: Wir sind ein Designbüro, das Customized Interiors entwickelt. Wir haben ein großes Netzwerk an PartnerInnen: Tischler, Schlosser etc. Also: Die Fertigung der Materialien, die Zuschnitte geben wir raus. Die Planung, Vormontage, Umsetzung machen wir. Wir bauen die gesamten Elemente, etwa die Theken, vorher hier auf und testen alles, bevor es zu den KundInnen geht. Dafür haben wir an diesem neuen Standort genügend Platz.
Ihr habt einen eigenen Online-Shop. Was kann man dort erwerben?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Wir bieten dort einige ausgewählte Produkte an, die wir über Jahre designt und weiterentwickelt haben und von denen wir überzeugt sind, dass sie Verkaufspotential haben: Den Tisch "Frame" etwa oder das "Cap" Regal, ein Wandregal mit hinterer Tasche. Oder für Coto Studio den smarten Espressostampfer "Supertamp": Mit einstellbarem Druck und präziser Ausrichtung ermöglicht er einfacheres, reproduzierbares Tampen für besseren Espresso.
Woraus zieht Ihr eure Inspiration?
Designstudio Gerdesmeyer Krohn: Sehr viel Austausch mit anderen DesignerInnen. Reisen. Design- und Architekturmedien. Mit offenen Augen durch die Welt laufen!