JUNGE TALENTE
Fließende Übergänge
Eines der aktuellen Werke von Budde – dahinter stecken der Architekt Johannes Budde und die Brandmanagerin Meike Papenfuß – ist der kleine "Rug’n Roll" Betonhocker, der mit seiner knautschig fließenden Form so ungewöhnlich wie sympathisch daherkommt und eher an ein weiches Textilmöbel erinnert, als an ein Sitzobjekt aus hartem Baustoff. "'Rug’n Roll' ist nicht aus einem konkreten Designkonzept entstanden, sondern aus der Faszination für ein spannendes Industriematerial", erklärt Johannes Budde. Der Betonverbundstoff Concrete Canvas ist zunächst weich wie ein Teppich und lässt sich frei formen. Budde arbeitete eine bestimmte Rolltechnik aus, bei der er die Form seines Objekts nur grob vorgibt. Das Material selbst gestaltet quasi den Rest aus: Die Wellen und Falten, die sich beim Rollen ergeben, sind gewolltes Zufallsergebnis. Sie machen jeden Hocker zu einem Unikat. Nach der Formung wird jeder Hocker bewässert. Dank integrierter Schicht aus Betonpulver wird er auf diese Weise steinhart und robust, behält jedoch seine textile Oberfläche und weiche Optik. "Wir möchten dem industriellen Material durch Verwendung in einem anderen Kontext ein neues Leben geben", so Johannes Budde.
Erst 2019 gründeten Johannes Budde und Meike Papenfuß ihr Büro, das Wohnkultur, Möbel und Beleuchtung anbietet – letztere als exklusive Sammlerstücke oder auch als skalierbare Designs für den kommerziellen Markt. Obwohl die Startbedingungen mitten in der Corona Pandemie alles andere als ideal waren, erkannten die beiden hier ihre besondere Chance: "Uns blieb nichts anderes übrig, als unsere Entwürfe erst einmal ausschließlich online zu präsentieren. Wir haben Social Media und andere Onlinemedien gezielt genutzt, um Reichweite und ein Netzwerk mit anderen Kreativen aufzubauen", so Meike Papenfuß. Womöglich ist dies der Punkt, der die steile Karriere des Studios mitbedingt: Während Johannes Budde als ehemaliger Architekt alle Entwürfe verantwortet, hat Papenfuß von Anfang an die Marke "Budde” strategisch aufgebaut. "Wir sind der Überzeugung, dass es für Erfolg und Wachstum eines Studios beides braucht: gutes Design und strategische Vermarktung", so das Duo.
Meike Papenfuß hält einen Bachelor in Designmanagement und einen Master in Business. Nach dem Studium fing sie als Strategin bei der renommierten Agentur Interbrand in Köln an. Dort arbeitete sie in internationalen Projekten, die meist Design und Strategie vereinten. Genau diese Schnittstelle ist ihr Gebiet, um Marken und ihre Kundenrelevanz zu stärken. Bei Interbrand blieb sie knapp fünf Jahre – zuletzt als Senior Consultant in Teilzeit neben Budde, bis sie den Schritt in die vollständige Selbstständigkeit wagte. Ganz anders der Werdegang von Johannes Budde, den es nach seinem Architekturstudium in Stuttgart und Wien zunächst nach Düsseldorf zog, wo er im Architekturbüro Falkenberg tätig war. Irgendwann brauchte er eine Auszeit, um sich Raum zum Experimentieren und Reflektieren zu schaffen. "Das war die wichtigste Entscheidung für meinen Weg. Ich habe wieder angefangen, Kunst zu machen und dann beiläufig die ersten Möbelstücke entworfen."
Egal ob es die Tischchen "Up" oder "Cut" sind, der Kleiderständer "James" oder "Rug’n Roll" – die Budde Möbel verbindet eine Gemeinsamkeit: Das Fließende in der Formgebung. "Unsere Entwürfe zeichnen sich durch eine gemeinsame Essenz aus", erklärt Johannes Budde. "Wir konzentrieren uns auf Formen, die sich nahtlos in verschiedene Wohnbereiche integrieren. Für mich als Architekt sind Möbel integrativer Bestandteil eines Raums. Ziel ist es dabei, ein sinnvolles und authentisches Design zu erschaffen, das intuitiv stimmig ist." Was jedoch keineswegs bedeutet, dass Budde auf minimalistisches Design setzt. Eine Idee kann auch in einer komplexen Form besonders klar werden. "Am Ende ist uns wichtig, dass unser Design auf emotionaler Ebene und ohne Erklärung verständlich und zugänglich ist."
Wie bei einer der jüngsten Arbeiten, der Kollektion "Five x Seven", die exklusiv bei Rossana Orlandi in Mailand präsentiert wird und zusammen mit "SolidNature" entstanden ist, einem weltweit führenden Anbieter von feinstem Naturstein: Fünf verschiedene Tischchen und eine Konsole werden aus Marmor-Reststücken gefertigt, als Komposition aus sieben verschiedenen Sorten. Jedes Produkt zeigt einzigartige Farben, Texturen und Eigenschaften, die die jeweilige Marmorart aufweist. Dabei verfolgt das Designstudio keinen starren oder wiederkehrenden Prozess. Auch der ist sozusagen im Fluss, von Offenheit und Neugierde geprägt, und darf sich projektbezogen entwickeln. Manchmal beginnt die Designphase mit einem konkreten Material. Oft starten Projekte auch mit einer groben Idee, die schnell in digitale 3D-Modelle umgesetzt wird, wodurch sich weitere Richtungen ergeben. "Der Weg ist immer spannend: Oft überarbeite oder verwerfe ich Aspekte der ursprünglichen Designidee, bis ich schließlich beim finalen Entwurf ankomme. Es ist ein ständiges Ausprobieren und Anpassen von Form, Funktion und Material", so Johannes Budde.
Und so entstehen einerseits die "Collectible Designs”, die Budde nach wie vor selbst in Köln fertigt. Diese Arbeiten sind direkt über Budde erhältlich oder über Galerien wie Rossana Orlandi oder Mint Gallery in London. Die skalierbaren Designs realisiert Budde in Zusammenarbeit mit starken PartnerInnen. Einer davon ist "Metallbude" aus Detmold, für den Budde das Kleideraufbewahrungsmöbel "James" entwickelt hat, oder das niederländische Unternehmen Spinder Design, für die das Duo eine Flurmöbelkollektion entwarf, die auf der imm cologne 2024 präsentiert wurde. Dieses Jahr kommen noch weitere Produkte mit einer italienischen und einer dänischen Marke hinzu.
"2024 wird ein spannendes Jahr voller Neuheiten", erzählt Meike Papenfuß. Aktuell steckt Budde ganz in den Vorbereitungen zur Milan Design Week im April 2024. Beispielsweise wird das Ergebnis einer Kooperation mit BWB Oberflächentechnik zu sehen sein, ein Schweizer Unternehmen, das auf elektrolytische, chemische und galvanische Veredelungen spezialisiert ist. Hier hat Budde mit dem Eloxieren von Aluminium experimentiert und so "bunte Kunstwerke" geschaffen. "Diese integrieren wir in ein Möbelstück", verrät Johannes Budde. Auch architektonische Projekte schließt der Gestalter nicht aus: "Zum Beispiel fände ich sehr spannend, das Interieur eines Fashion Stores zu entwerfen."
Die Weichen dafür werden bereits gestellt: Das Designduo, das seinen Standort aus strategischen Gründen noch möglichst flexibel hält, plant in diesem Jahr einen mehrmonatigen Aufenthalt in der Mode- und Designmetropole Mailand. "Wir haben dort einige Partnerunternehmen und lieben das Land und die Kultur. Unser Studio ist sozusagen ein Nomade", sagen sie.