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Designer und Hersteller sind wie Vater und Mutter
von Nancy Jehmlich | 22.11.2008
Jürgen Laub und Markus Jehs

Die Designer Markus Jehs und Jürgen Laub arbeiten seit über vierzehn Jahren unter dem Namen Jehs+Laub zusammen. Wir trafen die beiden Designer auf der Orgatec in Köln und sprachen mit ihnen über ihr Verhältnis zu den Herstellern, über die Qualitäten von Eingangsbereichen, über Trends, Nachhaltigkeit und die Stärken und Schwächen des jeweils anderen.

Haben Sie sich schon auf der Orgatec umgeschaut und etwas entdeckt?
Markus Jehs: Bei Wilkhahn gibt es einen interessanten Stuhl von Stefan Diez.
Jürgen Laub: Walter Knoll macht wie immer sehr hochwertige und bequeme High-End-Möbel. Allgemein kann man sagen, dass es durchaus Qualität zu entdecken gibt.

Sie legen Wert auf gute Beziehungen zwischen Hersteller und Designer. Inwiefern beeinflussen sich die beiden Parteien gegenseitig?
Jehs: Es ist wie bei Vater und Mutter.
Und wer ist der Vater?
Beide: Der Designer natürlich!
Laub: Und der Hersteller ist die Mutter. Sie ist es, die ausbrüten und entwickeln muss, und zum Schluss ist dann das gemeinsame Kind da.

Also, würden Sie schon sagen, es sich um zwei gleichberechtigte Partner handelt?
Jehs: Ja, so sollte es sein.
Laub: Wir würden gerne mal den Versuch machen, denselben Entwurf verschiedenen Herstellern anzubieten, aber das können wir natürlich nicht machen und sollten es auch nicht. Spannend wäre es aber schon, am Ende auf der Messe festzustellen, wie unterschiedlich die Produkte geworden sind. Selbst innerhalb eines Unternehmens verändert sich ein Entwurf ja während des Entwicklungsprozesses, außer man weiß ganz genau, was die Firma braucht und was sie herstellen kann. Aber in der Regel entwickelt und verändert sich ein Produkt im Prozess - und das sollte auch so sein.

In welchem Maß gehen Sie auf die Besonderheiten eines Herstellers ein?
Jehs: Nehmen wir beispielsweise das dänische Unternehmen Fritz Hansen. Sie sind auf uns zugekommen und haben gefragt, ob wir uns eine Zusammenarbeit vorstellen könnten. Zunächst kam der Designer von Fritz Hansen zu uns und hat uns stundenlang von der Geschichte der Firma erzählt. Danach haben wir uns mit dänischem Design auseinandergesetzt und uns gefragt, was das für uns bedeutet. Wo kommt Fritz Hansen her? Was macht Fritz Hansen aus? Wie könnte die Zukunft des Unternehmens aussehen? Wo liegt der rote Faden, den wir weiter spinnen müssen? Dann müssen wir natürlich sehen, passt die Haltung, die Philosophie der Firma zu unserer eigenen Haltung? Stimmt die Chemie mit den Leuten, mit denen man zu tun hat? Und wenn das gegeben ist, können wir zusammenarbeiten.
Laub: Der Hauptgrund, warum wir für eine Firma wie Schönbuch arbeiten wollten, war das Garderobensegment, das sie bedienen. Im ersten Moment denkt man, es ist eine Nische, ist es ja eigentlich auch, aber es geht dabei grundsätzlich um die Gestaltung des Empfangsbereichs. Hier bekommt man den ersten Kontakt zum Haus und seinen Bewohnern, ganz gleich, ob es sich um ein privates Haus oder um ein öffentliches Gebäude handelt. Der Eingang, also der Ort, wo man empfangen wird, ist sehr wichtig. In öffentlichen Gebäuden sind diese Zonen oft Loungebereiche und die sind vor allem repräsentativ. So ist es mit der Garderobe auch, mit der Diele, mit dem Flur. Das fanden wir sehr interessant. Geht man auf diese Weise an die Aufgabe heran, dann kann man nicht nur einen Kleiderbügel entwerfen. Man muss an den Raum denken und an den Menschen, der sich in diesem Raum bewegt, verweilt oder organisiert. So sind wir an dieses Projekt mit einem ganzheitlichen Ansatz herangegangen und haben das Garderobensystem „Stripes" entworfen.

Wie gehen Sie mit dem Thema Nachhaltigkeit um?
Jehs: Das ist ein sehr wichtiges Thema. Nicht zuletzt wegen unserer Frauen, die sehr viel Wert darauf legen, dass wir nicht irgendeinen Kram machen und unsere Kinder dann später den Müll entsorgen müssen.
Laub: Soso, du willst es also nur deiner Frau recht machen.
Jehs: Ja, genau.
Laub: Für uns ist Nachhaltigkeit vor allem ein Designaspekt, weil wir glauben, wenn wir Produkte entwerfen, die langlebig sind, dann erreichen wir dadurch ein Höchstmaß an Nachhaltigkeit. Die ganze Recyclingdiskussion ist eigentlich eine Diskussion, die immer in Richtung Recycling geht und aber nicht in Richtung Müll. Doch ein vorhandenes Produkt wird zunächst einmal zu Müll und erst dann wird der Müll recycelt. Man geht grundsätzlich davon aus, dass man etwas wegwirft - oder nicht wieder aufarbeiten kann. Deswegen sind wir der Meinung, dass wir abwägen müssen, ob wir ein kurzlebiges oder ein langlebiges Produkt entwerfen wollen. Das könnte auch eine Fiberglasschale sein. Es gibt fast nichts Nachhaltigeres als die Fiberglasschale von Charles Eames.
Jehs: Genau, die würde auch keiner wegwerfen.

Worin sehen Sie die zukünftigen Fragen und Aufgabenstellungen des Designs?
Jehs: Ich glaube, dass keiner gegenwärtig sagen kann, wo das Design hingeht. Es ist wie beim Wetter: es hängt von so vielen Zufällen ab. Beobachten lassen sich immer nur kurzfristige Trends, etwa beim Arbeiten zu Hause: die Arbeitsgeräte werden immer kleiner, also kann ich beim Arbeiten auf dem Sofa sitzen, im Zug, im Flugzeug - und brauche vielleicht gar kein Büro mehr.
Laub: Die meisten Trends, die viele voraussagen, gab es schon einmal. Glücklicherweise liegen meistens Generationen dazwischen, so dass nicht bemerkt wird, was wiederkehrt. Aber es gibt schon Erfindungen wie das Internet oder vielleicht auch den Ipod - oder Ereignisse wie die Bankenkrise (lacht) -, die etwas grundlegend verändern können. Interessant ist, dass im Falle eines Krieges Design tatsächlich unwichtig wird.
Jehs: Es ist auch relativ, wohin das alles geht. Ich war vor Jahren in der Sahara und habe mich immer mehr an das Leben dort gewöhnt. Man braucht nur Wasser und schläft im Sand. Und dann kommt man nach Hause zurück und fragt sich: Warum nur sitzen die Leute auf Stühlen und fahren hektisch durch die Gegend? Wenn die Leute so wenig wie möglich mit sich herumschleppen würden, dann wären sie frei und glücklich. Eigentlich braucht man den ganzen Kram nicht. Es gibt eine große Verlagerung des Lebens in die virtuelle Realität, Internet, Play Station. Das Sinnliche, das reale Leben, geht auf der anderen Seite ein bisschen verloren. Doch dann gibt es manchmal einen Bruch und man weiß die ganz einfachen Dinge wieder zu schätzen.
Laub: Dieses elektronische Buch auf der Frankfurter Buchmesse, wie das alle beschäftigt. Im Grunde will keiner auf das gedruckte Buch und keiner auf Kerzen verzichten. Aber es gibt Alternativen und man kann eigentlich nur beobachten, ob und wie sich etwas durchsetzt - oder auch nicht. Am Ende des Tages ist es doch so, dass sich die Welt intuitiv verändert, weil sie sich so verändern will - und das finden wir sehr spannend zu beobachten.

Sie arbeiten gemeinsam. Was sind die Stärken des jeweils anderen?
Jehs: Wir sind relativ gegensätzlich und deswegen können wir auch gut zusammenarbeiten. Wir nehmen es nicht persönlich, wenn wir uns mal streiten. Designer haben ja oft das Problem, dass sie eitle Diven und schnell beleidigt sind. Das ist bei uns nicht der Fall, weil wir Differenzen auf die Sache reduzieren. Das war immer so. Wir können auch richtig laut werden. Ein Praktikant hat uns mal gefragt, wer uns eigentlich gezwungen hat, zusammenzuarbeiten.
Laub: Na, so schlimm ist es nicht.
Jehs: Aber wenn es dann einen Fortschritt gibt - den gibt es meist nach einem Streit - dann ist aller Zwist schnell vergessen.
Laub: Unterm Strich kann man sagen: er ist eher ignorant und ich bin eher penetrant. Deswegen kriegen wir uns auch hin und wieder in die Haare. Aber es würde auch nicht funktionieren, wenn wir beide gleich wären. Deswegen ergänzt es sich wunderbar. Auch in der Arbeitsweise gibt es unterschiedliche Dinge, die einem leicht fallen. Ich bin zum Beispiel eher jemand, der gerne skizziert und auf einem Blatt Papier arbeitet. Er hingegen arbeitet lieber am Rechner in 3D.
Jehs: Ich muss mit ihm reden und diskutieren können, dabei fällt mir etwas ein, was ich dann beschreiben kann. Meine Skizzen mache ich lieber am Rechner, das sieht gleich relativ gut aus.

Testen Sie ihre Entwürfe?
Laub: Das kommt darauf an, wie spendabel die Hersteller sind.
Jehs: Ein Beispiel: Als Fritz Hansen den Prototyp zu „Space" gefertigt hatte, stand dieser bei uns im Büro und wir saßen immer mal wieder darauf. So stellten wir fest, dass zwei Zentimeter Neigung mehr der Sache gut täten. Jetzt ist es ein ganz anderes Möbel.
Laub: Das war ein interessantes Erlebnis. Es war nämlich mein Schwiegervater, der zu Besuch kam, sich in diesen Sessel gesetzt hat und sagte „Na, das ist ja wunderschön, aber was ich nicht leiden kann, ist, wenn man rein kommt und dann nicht mehr wieder heraus". Da war mir klar: Er hat recht, das müssen wir noch einmal überarbeiten. Wir haben fast alle unsere Produkte zu Hause und testen die auch. Zum Leidwesen unserer Frauen, die auch gern mal schöne Klassiker hätten. Aber das ist wichtig. Wir wollen schon, dass alles vernünftig ist und dass wir das auch leben, was wir entwerfen.

Sie haben einmal gesagt, sie würden Möbel für Dinge entwerfen, die anscheinend nirgendwo hingehören. Was erwartet uns als nächstes von Jehs+Laub?
Jehs: Das haben wir nur im Zusammenhang mit dem Möbel „Stripes" gesagt. Bei mir zu Hause liegt in der Diele alles Mögliche rum. Das gleiche Problem hat er auch. Dann haben wir uns „Stripes" überlegt, damit man alle möglichen Dinge verstauen kann. Das private Leben inspiriert uns.
Laub: Eigentlich ist es so, dass wir uns im Entwurfsprozess überlegen, was wir selbst gerne haben möchten und das dann auch entwerfen. Es geht darum, dass wir entsprechende Qualitäten als Moderatoren nutzen, damit wir uns selber die richtigen Fragen stellen können. Rolf Fehlbaum zum Beispiel ist ein hervorragender Moderator, der spricht mit dem Designer und wenn er eine Antwort bekommt, dann dreht er die so lange herum, bis er wieder eine Frage daraus gemacht hat. Am Ende ist er nur Vermittler zwischen dem Designer und seinen Gedanken, oder zwischen dem Designer A und dem Designer B. Diese moderatorischen Qualitäten gilt es herauszuarbeiten. Man muss sich die richtigen Fragen stellen und sich nötigen, die richtigen Antworten zu liefern. Daher ist ein Gespräch auch so wichtig. Deswegen wissen wir auch gar nicht, weshalb so viele Designer alleine arbeiten können.

Jürgen Laub und Markus Jehs