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Der Feinstaubsauger
Im Gespräch: Dan Roosegaarde | 09.07.2016
Daan Roosegarde mit seinem „Smog Free Tower“. Foto © Roosegaarde

Der niederländische Künstler und Umweltdesigner Daan Roosegaarde hat einen etwas ungewöhnlichen Weg zurückgelegt. Er hat zunächst in Enschede und Arnheim Kunst studiert, um danach einen Masterstudiengang in Architektur am renommierten Berlage Institut in Rotterdam zu absolvieren. Ein klassischer Architekt ist er aber trotzdem nicht geworden. Stattdessen eröffnete er 2007 sein eigenes Studio Roosegaarde in Rotterdam, mit dem er seither durch Entwürfe an der Grenze von Architektur, Design, Kunst, Mode und Technologie auf sich aufmerksam gemacht hat. Zuletzt mit seinem Entwurf für einen „Smog Free Tower", der wie ein großer Staubsauger alle Feinstaubpartikel aus der Luft filtern soll. Über den aktuellen Stand bei der Konstruktion des ersten Prototyps sowie über andere Projekte hat Paul Andreas mit Daan Roosegaarde gesprochen.


Paul Andreas: Mit ihrem „Smog Free Tower“ haben Sie im letzten Herbst für eine Überraschung gesorgt. Haben Sie damit Ihre künstlerische Tätigkeit von Lichtinstallationen auf ein anderes Forschungsgebiet verlagert?

Daan Roosegaarde: Es stimmt, wir hatten davor sehr viel mit Licht gearbeitet, uns allerdings auch schon mit Energie beschäftigt. Ich selbst habe alle meine Projekte immer eher als ein Art „Schirm“ gesehen: Schirme schaffen geschützte Orte für Menschen. Auch der „Smog Free Tower“ ist so ein Schirm: Durch Elektrostatik befreit er die Luft vom Feinstaub, es wird heller und wir können den Himmel besser sehen. Letztlich geht es also auch hier wieder um Licht, obwohl das Projekt vordergründig mit verschmutzter Luft zu tun hat.

Wie wurden die Forschung und Entwicklung des Turmes finanziert?

Daan Roosegaarde: Vor allem durch Crowdfunding: Etwa 1.600 Leute haben eine sehr spezielle Form von Schmuck vorbestellt. Diese Ringe werden aus dem hoch komprimierten Feinstaub bestehen, den wir mit dem Prototyp des Smog Free Tower sammeln wollen. Jeder Ring wird für etwa 1.000 Kubikmeter gereinigte Luft stehen. Außerdem haben die Stadt Rotterdam, der Hafen und auch wir selbst Geld in die Entwicklung gesteckt. Es war eine gemeinsame Anstrengung.

Prototyp für eine saubere Umwelt: Durch Elektrostatik befreit der „Smog Free Tower“ die Luft vom Feinstaub. Foto © Roosegaarde

Was werden die nächsten Schritte bei diesem Projekt sein?

Daan Roosegaarde: Der Ausgangspunkt für das gesamte Projekt war der starke Smog in Beijing. Dort wird auch unsere „Tour für ein smogfreies China“ im September 2016 beginnen. Anschließend werden wir in vier oder fünf weitere chinesische Städte reisen, um zu demonstrieren wie kostbar saubere Luft ist. Außerdem arbeiten wir mit der chinesischen Regierung, einigen NGOs und einer Pro-Fahrrad-Organisation zusammen. Wir führen eine rege Diskussion darüber, ob und wie wir eine ganze Stadt von Smog befreien können. In China ist das ein heikles politisches Thema und eine solche neue, innovative Technologie muss sich erst einmal beweisen.

Sie bezeichnen sich selbst als “Techno-Poeten”. Welchen Ausdruck findet das in Ihrer Arbeit?

Daan Roosegaarde: Ich will praktische Lösungen mit poetischen Träumen verbinden durch Technologien, die das Leben der Menschen verbessern können. Ich bin davon überzeugt, dass Kreativität in der heutigen Welt die wichtigste Form von Kapital ist, übrigens besonders in den Niederlanden. Die meisten Gebiete unseres Landes befinden sich unter dem Meeresspiegel, ohne kreative Ideen und modernste Technologien wären wir längst versunken. Die holländische Landschaft ist sehr artifiziell, sie existiert nur aufgrund einer engen Verbindung von Natur und Technik. In dieser Tradition sehe ich mich auch selbst. Allerdings geht es mir weniger um die Frage, was wir haben oder wer wir sind, sondern darum, was wir zukünftig sein werden.

Die Installation „Dune“ bewegt sich zwischen Naturanmutung und Technologie. Sie besteht aus vielen „Leucht-Fasern" die, ausgelöst von Geräuschen und Bewegungen vorbeigehender Besucher, aufleuchten. Foto © Roosegaarde

Aus ihrer Verknüpfung von innovativen Technologien und dem sozialen Verhalten der Besucher Ihrer Installationen entstehen Environments, in die man quasi eintaucht. Warum ist Ihnen das Raumerlebnis wichtiger als das Objekt?

Daan Roosegaarde: Ich will, dass die von mir entwickelten Dinge zu Bestandteilen unserer zukünftigen Lebenswelten werden. Wir verschmelzen in gewisser Weise verschiedene Realitäten, etwa wenn wir einen bestehenden Tunnel oder Park als Ausgangspunkt nehmen und diese Orte sozusagen aktualisieren. Das Alte bleibt bestehen, gleichzeitig wird etwas Neues hinzugefügt. Ich glaube nicht an das einzelne Objekt. Ich mag es, wenn Realitäten ineinander übergehen und so die virtuelle Zukunft zu einer Ebene unserer Gegenwart wird.

Ihr Projekt des „Smart Highway“ ist ein gutes Beispiel für diese Überlagerung.

Daan Roosegaarde: Das Projekt war eine großartige, ziemlich ungewohnte Erfahrung. Unsere Straßen sind ja etwas, das wir jeden Tag nutzen, ohne allerdings groß darüber nachzudenken. Es ging uns um eine Art Update: Alle Designer beschäftigen sich ständig mit Autos, aber niemand denkt grundsätzlich über die dafür notwendige Infrastruktur nach! Wir haben dafür mit dem niederländischen Bauunternehmen Heijmans zusammen gearbeitet. Das bedeutete, dass wir sehr genau wissen mussten, was wir an Energiefreundlichkeit und Interaktion erreichen wollten. Auch echte Forschungsarbeit war notwendig: Im Labor haben wir ausprobiert, wie das bereits von Heijmans verwendete, luminiszente Material haltbarer gemacht werden und auch dauerhaft mehr Licht speichern und wieder abgeben kann.

Am Tage laden sie sich auf, nachts erstrahlen sie: Der „Van Gogh-Roosegarde-Fahrradweg“ im niederländischen Nuenen, besteht aus tausenden leuchtenden Steinen.
Foto © Roosegaarde

Diese Farbe erzeugt einen interessanten Effekt, als ob eine virtuelle Realität auf die Fahrbahn projiziert werden würde. Welchen Einfluß hat das auf das Fahrverhalten?

Daan Roosegaarde: Die Fahrumgebung wird natürlicher und ansprechender, aber auch funktionaler. Heutzutage gibt es so viel Ablenkung und unwichtige Informationen am Straßenrand, zum Beispiel die Schilder für Eis und Schnee, die selbst im Sommer noch vor Eisglätte warnen. Mit einer Oberfläche, die temperatur- und lichtempfindlich ist, wird das Fahrerlebnis interaktiver: Wenn es nass ist oder gefriert, werden Eiskristalle und Glättewarnungen direkt auf dem Straßenbelag angezeigt. Wenn die Sonne scheint, verschwinden sie wieder.

Wäre es nicht noch einfacher, das alles auf dem Display des Bordcomputers anzuzeigen?

Daan Roosegaarde: Das sehe ich anders. Das Auto der Zukunft wird natürlich smart sein, da sind wir uns einig. Wir werden dabei vermehrt auf individuelle Informationen zugreifen können: Wo bin ich, wo möchte ich hin und was erwartet mich auf meiner Fahrt – solche Dinge wollen wir wissen. Mindestens genauso smart müssen aber auch unsere Straßen werden. Nicht jeder kann sich einen nagelneuen BMW mit der allerneuesten Informationstechnologie leisten. Die Straße muss deshalb ein Ort der Allgemeinheit bleiben, an dem alle fahrentscheidenen Informationen kommuniziert werden. Dieses Verhältnis von privaten und kollektiven Daten müssen wir in der Zukunft verstärkt ausloten.

Virtuelle Flut: Die Installation „Waterlicht“ vor dem Museum Plein in Amsterdam besteht aus wellenförmigen LED-Lichtlinien. Foto © Roosegaarde

Ein Nebenprodukt Ihrer Forschung für das Smart Highway-Projekt war der Van Gogh-Fahrradweg bei Eindhoven. Die leuchtenden Sterne auf dem Straßenbelag speichern nicht nur das Tageslicht, sondern brauchen zusätzlich Schwarzlicht. Warum so kompliziert?

Daan Roosegaarde: Ein paar Tage Sonnenschein im Sommer genügt um die Sterne zum Leuchten zu bringen. Wenn es allerdings ein paar Tage lang bedeckt ist, und das ist in den Niederlanden nicht ungewöhnlich, dann muss man etwas nachhelfen. Wir haben also eine zusätzliche Lichtquelle am Rand des Fahrradweges installiert, die aus Solarmodulen gespeist wird. So konnten wir sicherstellen, dass es immer eine Mindestmenge an Licht gibt. Der nächste Schritt unserer Versuchsreihe wird übrigens der Afsluitdijk (Abschlussdeich) sein, ein 32 Kilometer langer Damm, durch den das Ijsselmeer der Zuiderzee abgerungen wurde. Bis Ende 2017 werden wir ihm eine neuartige Licht-Ebene hinzufügen, die seine Ikonizität verstärkt, sowohl mit permanenten als auch temporären Gestaltungsmerkmalen.

Die meisten Ihrer Arbeiten sind spektakuläre ikonische Projekte, die die Idee von Nachhaltigkeit propagieren. Aber sind sie tatsächlich nachhaltig? Zum Beispiel Ihr „Waterlicht“: Es verleiht grüner Energie einen ästhetischen Wert, aber verbraucht es nicht vor allem zusätzliche Energie?

Daan Roosegaarde: Die Frage ist doch, was genau wir unter „Nachhaltigkeit“ verstehen. Für mich bedeutet das, eine Verbindung zu den Dingen zu spüren. Es geht nicht um Weniger, sondern um Mehr. Die Lichtverbindung zwischen den Windrädern unseres „Waterlichts“ verbraucht etwa sechs Watt mehr an Energie, das ist extrem wenig. Wir sind bei unseren Projekten immer sehr vorsichtig, wie viel Energie wir verbrauchen. Wir sind aber noch vorsichtiger bei den Überlegungen, wofür wir die Energie benutzen. Bei der Tanzfläche, die wir vor ein paar Jahren für den inzwischen geschlossenen Club Watt in Rotterdam entwickelt haben, wurde aus den Bewegungen der Clubbesucher Energie erzeugt. Bei „Waterlicht“ geht es aber darum, die Schönheit grüner Energie erlebbar zu machen. Wenn mehr Windparks gebaut und mehr umweltfreundliche Energien genutzt werden sollen, dann brauchen wir dafür vor allem mehr Akzeptanz. Dazu trägt „Waterlicht“ sicher bei. Einige unserer Projekte sind mehr praktisch ausgerichtet, andere sind eher poetisch. Ich muss mich dabei nicht an ein bestimmtes Protokoll halten. Ich möchte lediglich Dinge kreieren, die meiner Ansicht nach etwas bewirken, einen Input erzeugen.

Die Arbeit „Boo" für die Hotelschule in Amsterdam besteht aus interaktiven Lichtsäulen und wurde von der Idee eines futuristischen Zen-Garten inspiriert.
Foto © Roosegaarde

Sie haben an verschiedenen Kunsthochschulen in den Niederlanden studiert, aber am Berlage Institut in Rotterdam ein Diplom als Architekt erworben. Wollten Sie eigentlich jemals Architekt werden?

Daan Roosegaarde: Die Architektur fasziniert mich nach wie vor. Immer wenn ich diesen ganz speziellen Geruch von Modellbau in die Nase bekomme, versetzt mich das in Aufregung. Ich habe einmal für OMA gearbeitet, und ich durfte einige wirklich großartige Architekten wie Arata Isozaki kennenlernen. Aber ich fand das zu einschränkend, nur Häuser für Kunden zu entwerfen. Da gibt es doch nichts zu Erforschen! Also habe ich kurz nach meinem Abschluss lieber mein eigenes Büro eröffnet. Mittlerweile arbeiten wir auch immer wieder mit Architekten zusammen, für die wir dann einen Teil eines Projektes entwerfen. Wir haben uns unsere eigene kleine Nische geschaffen.

Warum wenden Sie das Wissen, das Sie bei Ihren Environments nutzen, nicht auch in einem Smart House an?

Daan Roosegaarde: Wir hätten schon ein paar Ideen, sicher. Wir könnten unzählige künstlerische Projekte für die Happy Few entwickeln – aber wollen wir das? In einem privaten Umfeld hätten unsere Projekte deutlich geringere Auswirkungen. Ich möchte mich stattdessen lieber mit öffentlichen Orten beschäftigen, mit dem gemeinsamen Raum, den alle benutzen, aber über den sich niemand viele Gedanken macht.


www.studioroosegaarde.net


Ein Beitrag zur psychischen Gesundheitsfürsorge: In der Kinderabteilung der „GGz“ in den Niederlanden, hat Roosegaarde unter dem Titel „Lunar“ eine Serie von interaktiven Lichtobjekten installiert. Foto © Roosegaarde
Intelligente Folien, die auf menschliches Verhalten reagieren: Bei „Lotus 7.0“ entfalten sich Aluminiumfolien wenn man an dem Objekt vorbeigeht. Foto © Roosegaarde