André Schmidt
18.11.2014
Michiko Wemmje: Sie haben im Office for Metropolitan Architecture, kurz OMA, von Rem Koolhaas gearbeitet. Macht man sich dort überhaupt Gedanken über Bodenbeläge?
André Schmidt: Beim TVCC Gebäude in Peking, dem kleinen Bruder des großen CCTV Gebäudes, an dem ich als verantwortlicher Architekt gearbeitet habe, war der Boden Teil des gesamten Raumkonzepts. Es war wichtig, dass die Materialien der Räume, die sich wie Bausteine aufeinanderstapeln, innerhalb eines Raumes kongruent sind. Der gesamte Masterplan ist eine abstrakte, grafische Umsetzung von Giovanni Battista Piranesis historischem Stadtplan von Rom. Dieser wurde sozusagen „gepixelt“ und in ein Punktmuster übersetzt, das sich über die gesamte Fläche erstreckt – auf den Dächern des CCTV, auf den Vorplätzen und den Vorfahrten in den Straßen bis in das TVCC-Gebäude. Somit zieht sich der Außenraum in das Gebäude hinein und setzt sich im Erdgeschoss nahtlos im Innenraum fort. Gleichzeitig diente diese Grafik als Designkatalysator zur Erzeugung von Raumkörpern, die in ihrer komplexen Anordnung die Vielschichtigkeit einer Stadt darstellen.
Sie haben Erfahrungen rund um den Globus sammeln können – gibt es kulturelle Unterschiede in der Wahl und der Gestaltung von Bodenbelägen?
André Schmidt: Unfertig oder roh wirkende Materialien beispielsweise lassen sich leichter im westlichem Umfeld einsetzen – das gilt nicht nur für Sichtbetonwände, sondern auch für Böden, etwa für einen Betonestrich im Gegensatz zu einem polierten Granitboden. Das ist eine ganz andere Herangehensweise – und das hat natürlich auch was mit dem Wunsch des Bauherrn und dessen kulturell geprägtem
Ästhetikempfinden zu tun. Ein wichtiger Punkt ist: Welche Kulisse liefert die Umgebung? Es ist einfacher, einen Bau aus Sichtbeton in die Alpen zu stellen als vielleicht ins Zentrum einer schnell wachsenden Metropole. Weil die Umgebung schön ist, kann die Rauheit des Betons leichter akzeptiert werden. Wenn sich die Umgebung selbst nicht besonders schön darstellt, wünscht man sich offenbar eher das Gegenteil: eine gepflegte oder grüne Oase mitten in der Stadt.
Was ist denn Ihr persönlicher Favorit unter den Bodenbelägen?
André Schmidt: Ein Wellenschliff in einem Holzboden, den ich in einem Hotel von Kengo Kuma in Peking vorgefunden habe. Hier lässt sich das Besondere an Bodenbelägen im Vergleich zu Wänden oder Decken erkennen: Man spürt den Boden auf eine ganz besondere Weise. Es ist sehr beeindruckend, über diesen Boden zu laufen.
Auf der Domotex gestalten Sie die Innovations@DOMOTEX Areas. Was hat Sie an diesem Projekt besonders gereizt?
André Schmidt: Ich fand es besonders spannend, drei Hallen gestalten und so unterschiedliche Konzepte entwickeln zu können. Der fundamentale Unterschied zu dem, was ich vorher gemacht habe, liegt ja darin, dass man das Ergebnis sehr schnell sehen und begehen kann. Der Wermutstropfen ist natürlich, dass solche Raumistallationen nach kurzer Zeit wieder verschwinden.
In Halle 17 befindet sich die Innovations@DOMOTEX Area, in der moderne handgefertigte Teppiche präsentiert werden. Wie sind Sie hier vorgegangen?
André Schmidt: Wir sind zunächst analytisch und mit ganz praktischen Fragen an das Thema herangegangen. Etwa: Wie viel passt auf eine Fläche? Fast automatisch geht man dann in die Vertikale. Anschließend haben wir für alle drei Areas ein übergreifendes Gestaltungskonzept entwickelt – die Transformation der Fläche ins Dreidimensionale. Dabei haben wir uns für Halle 17, wo handgeknüpfte Teppiche präsentiert werden, für eine Welle entschieden. Die Welle entsteht durch das Zusammenschieben einer Fläche an einem erhöhten, auf Brusthöhe liegenden Punkt, sodass für die Besucher die Sichtbeziehungen zu den umliegenden Ständen bestehen bleiben. Darüber spannen sich dünne Seile, die an Webstühle erinnern.