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Den Ideen dienen
18.04.2012
Oki Sato, Foto © Nendo

Vor zehn Jahren gründete der japanische Designer Oki Sato das Studio Nendo mit dem Gedanken, eines Tages beim Salone Internazionale del Mobile mit eigenen Entwürfen vertreten zu sein. Das Ziel ist erreicht. In diesem Jahr ist das Designbüro mit einer ganzen Reihe von Arbeiten für Hersteller wie Bisazza, Established & Sons, Cappellini und anderen mehr auf der Mailänder Möbelmesse vertreten. Nendo gestaltet nicht nur Produkte, sondern auch Ausstellungsräume. Darüber hinaus hat das japanische Design-Studio weltweit zahlreiche Läden für die spanische Schuhmarke Camper eingerichtet und wird dieses Jahr eine Etage des Edelkaufhauses La Rinascente in Mailand ausstatten. Die Kuratorin und freie Journalistin Ayako Kamozawa befragte Sato zur Erfolgsgeschichte von Nendo und zu den Vorlieben einiger Hersteller, mit denen er zusammenarbeitet.

Ayako Kamozawa: Inwiefern hat der Salone Internazionale del Mobile Sie zur Gründung Ihres eigenen Studios motiviert?

Oki Sato: Als ich 2002 zum ersten Mal mit Kommilitonen zum Salone del Mobile kam, fiel uns auf, dass die Teilnehmer, egal welchen Background sie hatten, spielerisch sowohl Produkte als auch Installationen gestalteten. In Japan ist es so, dass Menschen, die Architektur studiert haben, nur Architektur entwerfen, Innenarchitekten nur Innenarchitektur und Produktdesigner nur Produkte. Ich wollte mich als Gestalter zwischen den verschiedenen Disziplinen flexibler bewegen können. Deshalb beschloss ich, zusammen mit den Kommilitonen, die mit nach Mailand gekommen waren, ein Studio zu gründen und nannte es Nendo, was im Japanischen Knete bedeutet. Wir wollten etwas Flexibles und Freies schaffen und die Vorstellung vermitteln, dass man mit Nendo alles formen kann.

Außerdem entdeckten wir in der Mailänder Innenstadt, dass Tokujin Yoshiokas Entwürfe zusammen mit denen von Philippe Starck im Showroom von Driade präsentiert wurden. Zu der Zeit war Tokujin Yoshioka etwa im gleichen Alter wie ich heute, was mich beeindruckt hat. Sogar als ein junger japanischer Designer konnte man sich also einen Namen machen. Das war auch einer der Gründe, warum ich mein eigenes Studio gegründet habe.

Sie haben erläutert, dass es eine Grenze zwischen den Bereichen Architektur und Design gibt. Sie haben diese Grenze überwunden und arbeiten in unterschiedlichen Disziplinen wie Produktdesign, Innenarchitektur und Architektur. Empfinden Sie Unterschiede zwischen den verschiedenen Bereichen?

Sato: Von Anfang an habe ich daran geglaubt, dass es keine so großen Unterschiede zwischen Architektur und Design gibt. Natürlich sind Detailarbeit und Output jeweils unterschiedlich und natürlich sollte ich mir als jemand, der Architektur studiert hat, einer gewissen Verantwortung bewusst sein. Aber ich glaube, die Philosophie der Architektur lässt sich auf jede Art der Gestaltung anwenden, ob es sich um Objekte oder Grafikdesign handelt. Kurz gesagt, geht es um eine Philosophie der Lösungsfindung für bestehende Probleme. Ich bin kein Künstler, folglich schaffe ich nicht etwas, das meine Intuition mir als schön oder interessant eingibt. Die Grundlage meiner Arbeit ist vielmehr Logik und Bedeutung. Oder wenn es Probleme gibt, sollte ich sie lösen. Jede Disziplin hat seinen eigenen Reiz und die verschiedenen Disziplinen überschneiden sich, sodass ich sie gedanklich nicht trenne. Zum Beispiel setze ich manchmal Wissen ein, das ich durch Experimentieren beim Entwerfen von Objekten in limitierter Auflage erworben habe, und wende es auf die Gestaltung eines Massenprodukts an. Es gibt bei mir viele Arten des Outputs, zum Beispiel Produktdesign, Innenarchitektur und Grafikdesign, sodass ich eine Idee in ganz unterschiedliche Richtungen entwickeln kann. Auf der anderen Seite gestalte ich manchmal den Raum und das Grafikdesign für ein bestimmtes Produkt, um es zu präsentieren, und habe für alle diese Elemente das gleiche Konzept. Deshalb gestalte ich so gern interdisziplinär.

Beim Salone Internazionale del Mobile 2003 nahmen Sie am Salone Satellite teil und gewannen die Special Mention beim Design Report Award. Daraufhin haben Sie sofort angefangen, für erstklassige Möbelhersteller wie Cappellini und DePadova zu arbeiten. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit ihnen entwickelt?

Sato: Bei Cappellini ist es so, dass Giulio Cappellini mir nie ein Briefing gibt. Immer wenn ich ihn sehe, soll ich neue Ideen zeigen. Ihm ist es lieber, wenn ein Produkt die Designsprache von Nendo ausdrückt, als dass es der Formensprache von Cappellini verpflichtet ist. Nendo arbeitet auch für japanische Kunden, zum Beispiel für einen großen Elektrohersteller. Im Vergleich zu ihnen sind Giulios Vorgaben völlig anders. Normalerweise haben japanische Kunden bestimmte Ziele und Vorstellungen, die wir für sie verwirklichen sollen. Das sind zwei völlig gegensätzliche Herangehensweisen, im Falle Japans ist es ein Top-down-Ansatz, während Giulio einen Bottom-up-Ansatz verfolgt. Ich habe das Gefühl, ich setze meine Kapazitäten jeweils ganz unterschiedlich ein.

Welche Gedanken haben Sie zur Designsprache von Nendo?

Sato: Ich selbst habe eine Vorliebe für frische Ideen, deshalb vermeide ich es für gewöhnlich, hier und da allzu sehr nachzuhelfen. Ich möchte gerne den Ideen dienen, die auf natürliche Weise aus mir herauskommen und so frisch wie möglich sind, wie Sashimi oder frisches Gemüse. Um sich die Qualitäten von Rohmaterial zunutze zu machen und es in möglichst frischem Zustand verarbeiten zu können, ist es besser, nicht viel Zeit durch das Diskutieren mit vielen Leuten zu verlieren.

Wo kommen Ihre Ideen her?

Sato: Ich habe nicht das Gefühl, dass die Ideen plötzlich aus dem Nichts zu mir kommen. Ich glaube, die Ideen liegen von Anfang an auf dem Tisch, an dem die Kunden und ich sitzen und diskutieren. Ich versuche einfach, sie zu finden oder sie aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Im Laufe eines intensiven Gesprächs mit den Kunden tauchen sie normalerweise irgendwann auf. Ich arbeite auch sehr gern mit Handwerkern zusammen, die über besondere Fähigkeiten verfügen. Vor Kurzem habe ich mit der tschechischen Glasmanufaktur Lasvit ein Projekt gemacht. Der Entstehungsprozess bei Glas inspiriert mich sehr. Ich fand den Moment, wenn sich das Glas in einer Hohlform ausbreitet und der Glasbläser tätig wird, wunderschön. Also versuchte ich, ihn in einem Entwurf einzufangen. Auf diese Weise bekomme ich vielerlei Inspirationsquellen zur Gestaltung durch das Beobachten von Herstellungsprozessen und das Gespräch mit Handwerkern.

Sie sind in Kanada aufgewachsen. Glauben Sie, dass diese Erfahrung Ihr Design beeinflusst?

Sato: Ich bin in Kanada auf dem Land aufgewachsen. Deshalb habe ich auch einen richtigen Kulturschock erlebt, als ich ins Zentrum von Tokio gezogen bin. Alles war neu und interessant für mich. Ich nehme an, dass ich durch diese Erfahrung einen etwas anderen Blickwinkel habe als normale Japaner. Ich entdecke im täglichen Leben manchmal erstaunliche Dinge und habe Spaß daran.

Möchten Sie in Zukunft mehr Architekturprojekte umsetzen?

Sato: Das hängt direkt mit der Frische der Arbeiten zusammen, die ich bereits erwähnte. Ich gestalte sehr gern Innenarchitektur, aber wenn sich mir die Gelegenheit bietet, entwerfe ich auch gern Architektur. Gebäude fertigzustellen, dauert mindestens zwei Jahre, sogar bei Privathäusern. Bei großen Projekten braucht es natürlich noch länger. Bei Innenarchitektur ist es so, dass ich die Projekte durch meine Ideen in einem kürzeren Zeitraum ergänzen und durch das zeitnahe Feedback etwas lernen kann. Dann lassen sich die Ideen sofort für neue Projekte nutzen. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet, habe ich ein stärkeres Interesse an Innenarchitektur. Ich möchte versuchen, etwas zwischen Möbeldesign und Innenarchitektur zu machen, da Innenarchitekten heute in erster Linie Oberflächen, Textur und Beleuchtung gestalten. Wenn Möbel in ihren Dimensionen wachsen, können sie zum Raum werden. Und umgekehrt, wenn ein Raum kompakt wird, könnte er ein Möbelstück sein. Es ist meiner Meinung nach nicht so wichtig, diese Einzelfälle in Möbeldesign oder Innenarchitektur aufzuteilen. Aber ich möchte diese Übergänge für meine Arbeit nutzen.

Sie haben mit Issey Miyake zusammengearbeitet. Welche Art von Einfluss hatte er auf Sie?

Sato: Ich habe großen Respekt vor seiner Leidenschaft für Design und vor seiner Fähigkeit, schöne Dinge wertzuschätzen, doch was ich von ihm in erster Linie gelernt habe, ist das Erkennen verschiedener Grade an Perfektion. Im Falle der Architektur müssen wir uns bei der Verwirklichung so eng und perfekt wir möglich an die Pläne halten. Er aber unterbricht Prozesse manchmal gnadenlos, wenn er merkt, dass man am interessantesten Punkt angelangt ist. Ich war erstaunt darüber. Tatsächlich machten seine Entscheidungen die Gestaltung lebendiger oder lebensnaher. Von dieser Methode konnte ich viel lernen. Ich glaube, er ist die Person, die mich ich in den letzten zehn Jahren am meisten beeinflusst hat.

www.nendo.jp

Oki Sato, Foto © Nendo
„24 Issey Miyake” Concept Shop, Foto © Nendo
„7400 mm table“ und „7200 mm hanger rack“, Foto © Nendo
„Bamboo-steel chair”, Foto © Nendo
Tresen für Bisazza, Foto © Nendo
„Drop” für Cappellini, Foto © Nendo
„Farming-net lamp”, Foto © Nendo
„Growing vases”, Foto © Nendo
„Kandenchi”, Foto © Nendo
„Dining chair” für Moroso, Foto © Nendo
„Scatter shelf”, Foto © Nendo
„Transparent chair”, Foto © Nendo