Ein Teebeutel, im Zweifel triefend, und ein Blatt Papier - zurück bleibt ein Abdruck, eine Spur. Antonia Henschel verfolgt sie über 64 Seiten. Mal hinterlässt der Teebeutel nur einen Fleck, mal sind es zwei, dann vier, ein andermal sind es nur Spritzer, denen das Auge folgt. Je nach Feuchtigkeit und Fallhöhe hinterlassen die Teebeutel auf dem Papier unterschiedliche Formen von Abdrücken, mal scharf umrissen, mal verwischt. Mal sind es mehrere Teeflecken, die sich auf dem Blatt verteilen, mal überlagern sie sich. Sie erinnern im ersten Moment an Rorschachtests, wie sie die Psychodiagnostik verwendet. Doch im Falle der Teebilder sind die Abdrücke nicht symmetrisch, sondern zufällig auf dem Blatt verteilt. Und als solche Früchte des Zufalls lösen die Flecken instinktiv Assoziationen im Betrachter aus - man denkt an dies und das, an Gegenstände, Figuren oder kleine Szenen. Nicht umsonst hat die Kunstgeschichte seit Leonardo einen Sinn für zufällige Flecken und schrundige Mauern. Unabhängig von der Teesorte, erscheinen sämtliche Abdrücke auf dem saugfähigen Aquarellpapier in einer bräunlichen oder rötlichen Tönung. Ab und zu werden die Teespuren von Buchstaben begleitet, wobei Antonia Henschel mit den Buchstaben des Titels ein munteres Spiel treibt, bis die durch Permutation entstehenden Anagramme immer absurder werden und zumindest der Sinn sich in Abstinenz übt. So wird aus TOTAL TEA am Ende LEO TA TAT. Die Tee-Fleck-Bilder dulden es und erzählen ihre eigenen Geschichten. Das feinsinnige Büchlein von Antonia Henschel mit dem Titel „Tea-Total" ist in der Picnic-Reihe bei Trademark-Publishing erschienen und kostet 17 Euro.
Dem Tee auf der Spur
von Claudia Beckmann | 26.08.2010
Alle Fotos © Dimitrios Tsatsas, Stylepark
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