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Das Wundergras
von Nora Sobich | 18.11.2008

Die alten Klischees sind schon fast überholt. Nur noch wenige denken bei Bambus gleich an „Toast Hawai" oder das rustikal exotische Bambusröhren-Ambiente von pseudoauthentischen Thairestaurants. Das vornehmlich in China wachsende „Wundergras", das zu den am schnellsten nachwachsenden Rohstoffen der Welt zählt, hat sich mit seiner hohen Nachhaltigkeit, Härte und Flexibilität zu einem der innovativsten grünen Materialien entwickelt und wird bereits als „Baustoff des 21. Jahrhunderts" gehandelt. Für Designer scheint es bald schon zum korrekten Ton zu gehören, wenigstens ein Bambusprodukt im Repertoire zu haben.

Einen großartigen Entwurf aus dem so vielseitigen wie widerstandsfähigen „Trend"-Gras hat gerade der niederländische Designer Tejo Remy vorgestellt. Remy, der schon früh mit leichter, unprätentiöser Hand Umweltbewusstsein ins moderne Produktdesign integrierte und anfangs auch zur „Droog Design"-Bewegung gehörte, wurde zu Beginn der Neunzigerjahre mit seiner inzwischen legendären Recycling-Kommode „Remy's Chest of Drawers" bekannt. Heute betreibt Tejo Remy gemeinsam mit René Veenhuizen ein auf grüne Gestaltung spezialisiertes Designbüro. Ihr neuer Bambus-Stuhlsessel sieht so aus, als hätten sich die beiden Designer von altmodischen Fruchtkörben inspirieren lassen. Die Konstruktion aus Bugholz-artig weich gebogenen Bambusbrettern ist ein echter Geniestreich und verkörpert mit seiner körbchenhaften Gestalt nicht nur ergonomische Bequemlichkeit, sondern auch handwerkliches Können.

Um handwerkliche Traditionen geht es auch bei der schwungvollen Stuhlliege, die Konstantin Grcic aus Bambus entworfen hat. Sein gerade auf der „Maison & Objet" in Paris vorgestelltes Möbel besteht aus insgesamt 43 laminierten Bambus-Latten, die der Liege ihren Namen „43" eingetragen haben und deren Konstruktion ein wenig an alte Holzschlitten erinnert. Die Liege entstand im Rahmen des so genannten „Yii"-Projekts, einer Zusammenarbeit zwischen dem „NTCRI" (National Taiwan Crafts Research Institute) and dem „TDC" (Taiwan Design Center), das traditionelle Verarbeitungstechniken ins zeitgenössische Design integrieren will. Der grüne Anspruch beschränkt sich bei Grcic's großzügiger Liege dann auch nicht nur auf die Verarbeitung eines nachhaltigen Werkstoffs, sondern zeigt sich auch darin, dass umweltbewußt vor Ort handgefertigt wird.

Altbewährte Gestaltungstraditionen führt auch Tom Dixon als Kreativdirektor der traditionsreichen finnischen Möbelmanufaktur „Artek" mit seinen Bambusmöbeln fort. Bei „Artek", 1935 von dem Modernististen Alvar Aalto mitbegründet, gilt schon seit der ersten Stunde eine umfassende Gestaltungsphilosophie. Mit Dixon's „Sustainable Bambu Collection" wird nun gleichsam Alvar Aaltos Gestaltungsanspruch ins 21. Jahrhundert übertragen. Ganz grün und ganz Alvar Aalto gemäß geht es dabei aber nicht zu. So wird die Bambuskollektion nicht etwa in Finnland, sondern im fernen Japan gefertigt und auch nicht aus heimischen Gräsern, sondern aus solchen, die in China wachsen.

Bei den meisten der neuen Bambus-Objekte, die inspiriert von den fertigungstechnischen Eigenschaften der asiatischen Kulturpflanze zuhauf entstehen, ist die Oberfläche so fein verarbeitet, dass ihre ursprüngliche Röhrenstruktur kaum mehr sichtbar ist. Beinahe unscheinbar wirkt der zu massiven Platten verarbeitete Rohstoff etwa bei dem funktional schlichten Bambusstuhl der holländischen Designfirma „de onderneming in architectuur". Inzwischen gibt es aber auch schon andere Beispiele, die dem „Trendmaterial der Zukunft" wieder urwüchsige Exotik verleihen. Geradezu gewöhnungsbedürftig unbearbeitet sieht etwa das Bambusdesign von „Stijn van Woerkom" aus. Bei dem gigantischen Esstisch ist die natürliche Ästhetik des Materials ungeniert und mit fast schon schockierender optischer Gewaltigkeit inszeniert. Dabei tritt die Formensprache der „Bamboetafel" kantig beziehungsweise klassisch modern auf: ein Kontrast, den mancher geschmacklich grenzwertig, aber dennoch für originell halten wird, so dass er ihn beinahe schon wieder überzeugend finden dürfte.

Artek
Artek
Gesellschaft für bessere Möbel
Pli
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43 by Konstantin Grcic for Yii, Photos via Yatzer, www.yatzer.com
43 by Konstantin Grcic for Yii, Photos via Yatzer, www.yatzer.com
Bamboestoel by Tejo Remy and Rene Veenhuizen
Artek
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Gesellschaft für bessere Möbel