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Das Comeback von Kupfer und Kalkrand
von Markus Frenzl | 13.03.2009

In seinem 1996 veröffentlichten Buch „Undesigning the Bath" konstatierte der Autor Leonard Koren, dass Industriedesigner schon aufgrund ihres „Hangs zur Reduktion" gar nicht in der Lage seien, gute Bäder zu gestalten: „Das Hauptmerkmal der meisten zeitgenössischen Bäder ist eine beliebig kombinierte Collage von Standardprodukten - Badewannen, Ablageflächen, Duschköpfen, Seifenschalen, Armaturen usw. - in Kombination mit wasserfesten Materialoberflächen." Doch alarmiert von der Virtualisierung unserer Welt und dem Massensterben der Dinge, das durch die digitale Revolution ausgelöst wurde, haben Designer, Hersteller und Kunden in den letzten ein, zwei Jahrzehnten die Werte des Gegenständlichen, der Handwerkstraditionen und Materialien und den Bezug zum menschlichen Körper wiederentdeckt. Bei der Suche nach Authentizität sind Räume in den gestalterischen Fokus gerückt, die durch die Rationalisierungs- und Effizienzmaßnahmen der Moderne zu Stiefkindern der Wohnung geraten waren, zunächst die Küche und schließlich das Bad. Viele gestalterische Ansätze zeichnen sich dabei durch eine Rückkehr zu Traditionellem, Vertrautem und Bewährtem aus, bei der nicht nur einzelne Produktformen, sondern immer stärker auch die Handlungen in den Vordergrund treten, die so oder ähnlich schon seit Jahrhunderten vollzogen werden: in der Küche die vielfältigen Arten der Speisenzubereitung, im Bad die Rituale des Reinigens und Entspannens. Das Design hat die Qualitäten der Hammams, Banjas und Onsens und damit auch die zentrale Rolle des Wassers fürs Bad als Ort der Reinigung und Regeneration wiederentdeckt.

Was so banal und selbstverständlich klingt, ist nicht weniger als eine radikale Umkehr im Verständnis dessen, was ein Badezimmer leisten soll: Über Jahrhunderte war es eine der größten logistischen Herausforderungen gewesen, das Wasser wieder ins Haus zu holen, das seine Bewohner doch gerade vor dem Wasser schützen sollte. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts kam das fließende Wasser in unsere Wohnungen und es galt seitdem als Ausdruck des menschlichen Obsiegens über die Natur, es in streng geordnete Bahnen zu lenken, ihm die Orte zuzuweisen, an dem es sich aufhalten durfte und seine weitere Ausbreitung mit Silikon, Gummilippen oder Aqua-Stops zu verhindern. Das Bad wurde zum funktionalen Raum, „Design fürs Bad" war dementsprechend über Jahrzehnte fast ausschließlich die Gestaltung von Armaturen, Trennwänden, Fliesen oder Badkeramik. Schon mit seiner ersten Bad-Serie für Axor/Hansgrohe und Duravit von 1994 aber schaffte es Philippe Starck nicht nur blitzschnell den aktuellen Trend zur Einfachheit für sich zu reklamieren, er stellte auch den Bezug seiner Entwürfe zum Wasser her, der in der Werbung kongenial mit Bildern von Archetypen vermittelt wurde: Eine gusseiserne Brunnenpumpe lieferte das Vorbild für die Waschtischarmatur, eine blecherne Waschschüssel für die Form des Waschbeckens, ein Zink-Wassereimer für die Toilette. - Sanitärkeramik und Armaturen waren plötzlich mit Geschichte aufgeladene Objekte, bei denen dem Wasser wieder die Hauptrolle zukam. Auch Peter Zumthors 1996 gebaute Felsentherme im schweizerischen Vals bot dem Wasser nicht länger nur versiegelte Becken, sondern machte es zum Hauptakteur im Zusammenspiel mit dem Quarzitstein, mit Licht und Klängen.

So haben die Hersteller von Produkten fürs Badezimmer in den letzten Jahren das Erleben des Wassers mit allen Sinnen als Thema entdeckt: Armaturen lassen Wasserfälle niederprasseln und versprühen Wassernebel, sie erzeugen das Gefühl von Regen oder vom Sprudeln einer Quelle. Selbst die Kneipp-Schläuche, die in der Sauna immer ein wenig improvisiert aussahen, strahlen nun bodenständige Ehrlichkeit aus und haben als „WaterTube" ein Re-Design fürs designorientierte Bad erfahren. Zeitgenössische Badkeramik versinnbildlicht das Wasserschöpfen, ja ganze Teiche oder Flussläufe und soll so Authentizität, Wertschätzung für die Ressource und Natürlichkeit vermitteln. Zusammen mit den breiten Schwallarmaturen, den sanft tröpfelnden Regenbrausen und den wasserschalenförmigen Waschbecken sind Materialien ins zeitgenössische Bad zurückgekehrt, die lange als unmodern, unpraktisch, fleckempfindlich und nicht wasserfest gegolten hatten: Holz, Metalle, unversiegelter Stein oder Marmor, aber auch Materialien und Legierungen, die lange nicht für die Moderne, für Funktionalität und Hygiene standen wie Bronze, Kupfer und Gold. Designer haben für alle Bereiche der Wohnung warme Materialien wie Messing und Zinn wiederentdeckt, die noch vor kurzem mit spitzen Fingern aus jedem designorientierten Haushalt entfernt worden wären. Tom Dixon zelebriert die Schönheit des Materials mit ganzen Trauben kupferner Kugelleuchten. Alfredo Häberli nutzt das traditionelle Küchenmaterial Kupfer für seine Konzept-Küche für Schiffini. e15 stellt seinen Massivholzmöbeln Tabletttische aus Kupfer oder Messing zur Seite. FSB stellt der Hightech-Anmutung der Edelstahlklinken auch Klinken aus Bronze gegenüber, die patinieren und von ihrer Vergangenheit erzählen. Es gibt den Eames Beistelltisch mit Blattgoldauflage und Arne Jacobsens „Egg"-Chair zum 50. Jubiläum als limitierte Edition mit Bronzefuß. Wir haben die Messingarbeiten des Österreichers Carl Auböck wiederentdeckt oder die Schönheit von Poul Henningsens Artischocken-Leuchte in Kupfer.

Auch ins Bad halten wieder Kupferwannen Einzug, denen sogar besondere therapeutische Wirkungen zugesprochen werden. Goldene Wasserhähne - lange nur noch im Sprichwort oder in Dubai zu finden - gehen nun wieder als Designerstücke fürs zeitgenössische Bad durch. Hölzerne Elemente kontrastieren selbst bei Waschbecken die jahrzehntelang geforderte Unempfindlichkeit der Oberflächen. Unversiegelte Travertinblöcke, eine Bruchsteinwand oder eine Schieferverkleidung holen Naturmaterialien ins Bad, an denen das Wasser nach dem Duschen nicht sofort abperlt, sondern manchmal noch nach Stunden sichtbar ist - und für die man keinen Wasserschaber braucht. Spuren des Gebrauchs gelten nicht länger als Makel, sondern dürfen ihre eigene Ästhetik entwickeln. Selbst die Kalkablagerungen durch einen tropfenden Wasserhahn können sich ja - wenn man ihnen nur ein bisschen Zeit gibt wie in manchem Bad in Instanbul oder Budapest - zu ansehnlichen Tropfsteinen auswachsen.

Ein „Bad mit Patina" - das wäre in einer Wohnungsanzeige noch vor kurzem ein offensichtlicher Euphemismus für Fugenschimmel, gesprungene Kacheln, kalkverkrustete Armaturen oder stumpfes Emaille gewesen. Nun steht es für einen seit langem genutzten Ritualort, den bisher keiner so perfekt inszeniert und auf Produkte übertragen hat wie Mike Meiré und Sieger Design mit dem 2007 vorgestellen „Elemental Spa" von Dornbracht: Die als Wasserstellen inszenierten Armaturen stehen dabei für verschiedene Reinigungs- und Entspannungsrituale; ein Ort zur Fußwaschung stellt sogar den Bezug zu religiösen Riten her. Das Wasser wird zum Mittelpunkt des Bades, es hinterlässt mit der Zeit gewollt Spuren auf dem archaisch wirkenden, oxidierten Cortenstahl, auf Kupfer oder Olivenholz, die von Nutzung und Geschichte erzählen.

Man kann diese Wiederentdeckung des Reinigungsrituals, die neue Wertschätzung des Wassers, die Begeisterung für Patina und das Ansprechen aller Sinne im Bad schlicht als Niederschlag des Wellness-Trends betrachten, als einen übertriebenen Kult um Regeneration und Wohlgefühl, als einlullenden Esoterikquatsch, mit dem sich gutes Geld verdienen lässt. Man kann darin aber auch eine Auseinandersetzung mit Badekultur, Archetypen und Ritualen erkennen, bei der Designer sich nicht länger mit der Auswahl von Standardprodukten und wasserfesten Oberflächen zufrieden geben. Das Bad ist einer der Bereiche, in dem Unternehmen erste Ansätze machen, das in Produkte umzusetzen, was vielen als zukünftige Hauptaufgabe des Designs gilt: Die Gestaltung von Inhalten und Werten, von Kultur und Sinn stiftenden Ritualen, das Bedenken von zusammenhängenden Handlungen und Nutzungen. In der Suche nach Authentizität, der Wiederbesinnung auf Rituale und der Wiederentdeckung patinafähiger Materialien fürs Bad spiegelt sich die Erkenntnis, dass auch die sogenannten „Designprodukte" sich der Jahrtausende alten Kultur der Dinge und Handlungen nicht entziehen können, wenn sie für die Menschen bedeutsam sein möchten. Es spiegelt sich darin die Erfahrung, dass sich das Wasser ohnehin früher oder später seinen Weg bahnt. Und die Einsicht, dass es besser ist die Ästhetik der Patina schätzen zu lernen als laufend Antikalkreiniger zu kaufen.

Starck 1 von Philippe Starck für Axor/Hansgrohe und Duravit
Starck 1 von Philippe Starck für Axor/Hansgrohe und Duravit
Starck 1 von Philippe Starck für Axor/Hansgrohe und Duravit
Starck 1 von Philippe Starck für Axor/Hansgrohe und Duravit
Axor Starck von Philippe Starck für Axor/Hansgrohe
Water Jewels von Matteo Thun für Vitra Bad
Water Jewels von Matteo Thun für Vitra Bad
Water Jewels von Matteo Thun für Vitra Bad
BA13 Meguro von Philipp Mainzer für e15
CM05 Habibi von Philipp Mainzer für e15
Copper Shade Pendant von Tom Dixon
Low Table Rod Base von Charles & Ray Eames für Vitra
Low Table Rod Base von Charles & Ray Eames für Vitra
Elemental Spa von Dornbracht
Elemental Spa von Dornbracht
Elemental Spa von Dornbracht
Elemental Spa von Dornbracht
Supernova von Sieger Design für Dornbracht
Supernova von Sieger Design für Dornbracht
WaterTube von Sieger Design für Dornbracht
BA10 Aomori von Philipp Mainzer, Johanna Egenholf für e15
BA07 Chiba von Philipp Mainzer für e15
Copper Shade Pendant von Tom Dixon
FSB @ FSB, Franz Schneider Brakel GmbH + Co KG
The egg von Arne Jacobsen für Fritz Hansen
PH Zapfen von Poul Henningsen für Louis Poulsen