Eine typische Szene: Beiläufig, aber nicht ganz zufällig, legt der Kerl den Autoschlüssel auf den Tisch. Das „Statement-Piece“ soll klar machen „was da geht“, beim Auto und zwischen Mann und Frau. Anachronistisch, meinen Sie? Heute, wo man zum Starten des Wagens nur noch aufs Knöpfchen drückt wie bei einem Computer? Das mag schon sein, aber: Der Schlüssel ist noch immer das einzige, was man bei sich trägt, nachdem man den Wagen abgestellt hat. Er ist es, der einem noch zuhause versichert, dass man Besitzer eines tollen Autos ist. Und wer jemanden seine Schlüssel übergibt, der kennt den Blick des Empfängers, der den Wert des Wagens anhand dieser Insignie abschätzt – und desjenigen, der ihm den Schlüssel überreicht hat.
Wie also wird jener magische Stellvertreter heute gestaltet? Lassen sich aus seiner Gestalt Rückschlüsse hinsichtlich des Markenerlebnisses ziehen? Wir haben uns auf der IAA umgesehen und nach den neuesten Exemplaren gefragt, was mitunter kein leichtes Unterfangen war, denn nicht immer waren die Schlüssel zu den präsentierten Modellen aufzutreiben. Besonders italienische Hersteller scheinen ihre Schlüssel einer ominösen, aber sehr mächtigen Figur anzuvertrauen, die auf den Namen „der Techniker“ hört. Er ist es, der morgens die Wagen auf- und abends wieder abschließt. Den Rest des Tages bleibt er verschwunden. Wir hatten trotzdem recht abwechslungsreiche „Schlüsselerlebnisse“.
Das Modellauto
Porsche hat es vorgemacht, Tesla macht es besser: Der Türöffner gleicht einem Modellauto. Während man aber beim Porscheschlüssel das Logo und die entsprechenden Knöpfe eher grob in das abstrahierte Modell eingelassen hat, bekommt der Tesla-Fahrer tatsächlich eine verkleinerte Version seines Fahrzeuges in die Hand gedrückt. Knöpfe sind hier fehl am Platz, die Bedienung erfolgt intuitiv. Man berührt einfach jene Partien des Autos, von denen man eine Reaktion erwartet. Drückt man beispielsweise zweimal auf die Heckklappe des Modells, so öffnet sich diese beim „echten“ Wagen. Simsalabim.
Das dicke Ding
Zeig mir deinen Autoschlüssel und ich sage dir, wer du bist. So oder so ähnlich lautet doch der Spruch. Nun, wer eine noble Karosse sein eigen nennt, der möchte auch einen „fetten“ Schlüssel. So die These, die zumindest von Bentley und Rolls Royce untermauert wird. Bei Rolls Royce durften wir den Schlüssel noch nicht einmal anfassen, eine behandschuhte Frau rückte ihn für’s Foto ins rechte Licht. Auch wenn der Schlüssel aus Kunststoff nicht wirklich wertig daherkommt – seine wuchtigen Proportionen passen zum Gefährt.
Bentley hingegen setzt auf viel Edelmetall und unterschiedliche Oberflächenstrukturen. Das Stück gleicht einen Ufo, liegt schwer in der Hand und möchte als Handschmeichler auch in der Hosentasche immer angefasst werden. In die gleiche Kerbe schlägt auch Maserati. Fast ist man geneigt anzunehmen: Je sportlicher der Wagen – und Fahrer – daherkommen sollen, umso mehr Edelstahl wird für den Schlüssel verwendet. Selbstverständlich gilt auch hier: Ausnahmen bestätigen die Regel. Beim Audi R8 verzichtet man nämlich weitestgehend auf das glänzende Metall und schreibt einfach den Fahrzeugnamen auf den Schlüssel. R8. Alter – haste gesehen?!
Die Fernbedienung
Etwas Voluminöses hat auch BMW für seinen neuen 7er herausgebracht: Neben dem Erstschlüssel, der recht unauffällig daherkommt, gibt es auch einen zweiten, weitaus größeren. Und er kann noch viel mehr. Auf den ersten Blick erinnert er an die ersten klappbaren Mobiltelefone, ist aber eher mit einem Smartphone verwand: Wer möchte, kann über das Display des Schlüssels den Wagen mittels „Remote Control Parking“ vollautomatisch einparken oder sich allerlei Daten anzeigen lassen, beispielsweise die verbleibende Reichweite. Fragt sich nur, ob es bald schon eine Schutzhülle für diesen Schlüssel und sein Display geben wird, denn in den meisten Hosentaschen wird’s für dieses Gerät eng werden.
Der Freund
Auch Fiat hat von Mobiltelefonen gelernt. Genauer: Von dessen – echter oder vermeintlicher – Individualisierung per Handyhülle. Weswegen man nun auch den Fahrzeugschlüssel mit unterschiedlichen Verkleidungen ausstatten kann, damit er wie ein kleiner Freund zum Auto und zur Persönlichkeit des Besitzers passt. Übrigens, bei Mercedes-Benz war leider nirgendwo ein Autoschlüssel aufzutreiben, beim Devotionalien-Shop der Schwaben aber kann man sich Schlüsselanhänger machen lassen, auf dem die Typenbezeichnung geschrieben steht – in silbernen Buchstaben. Ob, wer eine A- oder B-Klasse fährt, auch die Bezeichnung „S-Klasse“ an seinen Schlüssel hängen darf?
Der Aktive
Scheinbar bescheiden geht es bei Jaguar und Land Rover zu: Damit es nicht zur Verwechslung kommt, wurde am Edelstahlelement des Schlüssels der Markenname eingraviert. Ansonsten sind die schlichten Handschmeichler aus glattem, schwarzen Kunststoff mit abgerundeten Ecken identisch. Britisches Understatement, wie sollte es anders auch sein. Was man uns nicht gezeigt hat: Jaguar bietet für seinen neuen SUV „F-Pace“ ein schwarzes Armband als Schlüsselersatz an. Gedacht ist dieser „Activity-Key“ für all jene, die sportlichen Aktivitäten frönen, bei denen ein Schlüssel stören würde oder verloren gehen könnte.
Der Fröhliche
Mini-Fahrer sind, glaubt man dem Marketing, heitere, fröhliche Typen. Und das vermittelt auch der Schlüssel: Knackig, rund und flach, verspricht er Spaß und unterstreicht eine gewisse Non-Konformität. Etwas Ähnliches würde man auch bei Smart erwarten, wird man dort doch seit Jahren nicht müde zu betonen, dass der kleine Wagen ach so „fun“ und „jugendlich“ sei. Betrachtete man den Schlüssel, so muss man allerdings erkennen: Offenbar zählt bei Smart doch nur das Praktische. Der mattgraue Plastikschlüssel scheint überhaupt nicht gestaltet zu sein. Mit Markenidentität ist hier also nicht zu rechnen.