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Blick auf The Opera Park, Paper Island und Kroyers Plads

Bauen für die Zukunft

Das Architekturbüro Cobe wurde 2006 von Dan Stubbergaard in Kopenhagen gegründet, gestaltet Stadtplanung auf lokaler Ebene und inspiriert mit seinen internationalen Projekten. Wir sprechen mit Stine Lund Hansen, Leiterin der Unternehmensentwicklung und Kommunikation, über die Philosophie des Teams und warum der Mensch im Mittelpunkt des Gestaltung stehen sollte.
11.11.2024

Anna Moldenhauer: Cobe ist ein Architekturlabor – welche Bedeutung hat das für das Team?

Stine Lund Hansen: In erster Linie bezeichnen wir unser Büro und Studio in Kopenhagen als Labor, da wir die gesamte Gestaltung für ein Projekt in einem gemeinsamen Raum entwickeln. Von hier aus exportieren wir unser Wissen, unsere Denkweise und unsere Werte in Städte auf der ganzen Welt. Wir glauben, dass es wichtig ist, unsere Ideen gemeinsam zu entwickeln, auszuprobieren und verschiedene Disziplinen in die Diskussion einzubeziehen. Das Spektrum reicht hier von groß angelegten Stadtplanungsprojekten und Masterplänen bis hin zu Architektur und Gebäudedesign, städtischen Räumen, Landschaften und Designobjekten. Wir glauben, dass es wichtig ist, eine Diskussion über die verschiedenen beteiligten Maßstäbe zu führen, da sie voneinander abhängig sind. Wenn wir an einem Großprojekt arbeiten, zoomen wir immer näher heran und untersuchen, was es für die Menschen bedeutet, in dieser Stadt zu leben. Dieser ganzheitliche Ansatz liegt dem Begriff "Labor" zugrunde. Die Einbeziehung verschiedener Maßstäbe und Berufe ist für jeden Entwurf von entscheidender Bedeutung.

Was sind die Vorteile und Herausforderungen der Co-Creation?

Stine Lund Hansen: Unser Büro ist ein einziger großer, offener Raum in einer ehemaligen Industriehalle, in dem wir mit 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern arbeiten. Die Arbeitsplätze sind in Teams aufgeteilt, die sich bei jedem Projekt untereinander austauschen. Das bedeutet, dass verschiedene Fachgebiete zusammenkommen, was für die weitere Entwicklung und die endgültigen Pläne von entscheidender Bedeutung ist. Der aktuelle Stand der Arbeit ist an unseren Wänden deutlich sichtbar, da wir den relevanten Status der laufenden Projekte jeden Tag ausdrucken und an unsere Projektwand hängen. Auf diese Weise werden die Ideen Teil der Büroumgebung und inspirieren auch andere Teams und fördern den Dialog. Für uns geht es darum, das "Ich" durch ein "Wir" zu ersetzen und einen offenen Austausch und Zusammenarbeit zu fördern. Alle am Entwicklungsprozess Beteiligten fühlen sich für das Design mitverantwortlich, sodass es nie darum geht, eine externe Vision durchzusetzen. Stattdessen liegt unser Fokus darauf, das Wesen, den Charakter und das Potenzial jedes Ortes genau zu verstehen, damit wir ihn von Grund auf weiterentwickeln können.

Also ist die Arbeit aus dem Home Office bei Cobe keine Option?

Stine Lund Hansen: Wir sind offen dafür, von zu Hause aus zu arbeiten, wo es sinnvoll ist. Insgesamt ist es für unsere Art von Arbeit jedoch in der Regel effektiver, im Büro zusammenzuarbeiten.

Espoo City Hall

Ihre Projekte sind so konzipiert, dass sie "out of the box" gedacht sind, wie das Espoo House, ein hybrides städtisches Gebäude, das die Interaktion und das Engagement zwischen den Gruppen der NutzerInnen fördert. Oder die Umwandlung eines ehemaligen Getreidespeichers, der in einen Wohnkomplex und öffentliche Einrichtungen umgewandelt wurde. Was ist für Cobe wichtig, um diesen Ansatz beizubehalten?

Stine Lund Hansen: Jedes Projekt bietet einen neuen Ausgangspunkt mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Wir lernen aus jedem Prozess und wollen aufgeschlossen bleiben. Wir waren schon immer der Meinung, dass wir, bevor wir etwas bauen, im menschlichen Maßstab arbeiten und den Kontext verstehen müssen – wir müssen analysieren, wie sich Menschen bewegen, leben und mit ihrer Umwelt interagieren. Wir müssen verstehen, welche Materialien, Ressourcen und Kompetenzen verfügbar sind. Wir müssen die Herausforderungen und Chancen des Standorts, der angrenzenden Gebiete, der Stadt und der Gesellschaft erkennen. Diese Grundsätze sind heute so aktuell wie eh und je, insbesondere angesichts der vielen Krisen, mit denen unsere Gesellschaften konfrontiert sind – sei es der Klimawandel, Ressourcenverknappung oder der Verlust der biologischen Vielfalt. Die Zukunft unserer Städte, Landschaften und Gebäude hängt davon ab, lebenswertere Umgebungen zu schaffen und gleichzeitig die Bauquote drastisch zu senken wie den Flächenverbrauch zu minimieren. Unsere Leitfrage lautet immer: Wie können wir mit dem geringsten Aufwand das wirkungsvollste Ergebnis erzielen?

Mit Ihren Projekten wie dem Opernpark, dem Væksthuset und Papirøen im Kopenhagener Stadthafen haben Sie Raum für Vielfalt und Nähe zur Natur geschaffen. Warum ist Ihnen das generell wichtig?

Stine Lund Hansen: Das hat mit unseren Werten zu tun. Wir glauben, dass es am wichtigsten ist, eine Architektur zu schaffen, die die Menschen nutzen und lieben werden. Die NutzerInnen stehen im Mittelpunkt unserer Arbeit – und das Projekt auf Paper Island ist ein gutes Beispiel dafür. Es handelt sich um eine gemischt genutzte Wohnsiedlung im Zentrum von Kopenhagen, wo die Bebauungsdichte sehr hoch ist. Bei diesem Projekt haben wir dafür gesorgt, dass sowohl Eigentumswohnungen, Sozialwohnungen und ein Hotel als auch ein öffentliches Wasserkulturhaus einbezogen werden und dass das gesamte Erdgeschoss zu 100 Prozent öffentlich ist. Ebenso ist das Herz der Insel ein öffentlicher Innenhof, und die gesamte Insel wird von einer öffentlichen Holzpromenade flankiert. Neben Paper Island befindet sich auch der Opera Park, eine offene, grüne Landschaft, die mit sechs unterschiedlich gestalteten Gärten, je nachdem, ob man allein oder in Gesellschaft sein möchte, eine Flucht aus dem geschäftigen Leben der Stadt bietet. Dieses Angebot kann auf unterschiedliche Weise genutzt werden und steht allen zur Verfügung. Mit unseren Projekten wollen wir den Alltag an diesen Orten optimieren.

Stine Lund Hansen

Im Opera Park wurden zudem Sammelbereiche für das Regenwasser integriert – was bedeutet nachhaltiges Bauen für Cobe?

Stine Lund Hansen: Nachhaltigkeit hat für uns höchste Priorität, obwohl wir allein keine Lösung für die Bauindustrie haben, die insgesamt einer der größten CO2-Emittenten ist. Der Beruf der Architektin/ des Architekten ist mit vielen Dilemmata behaftet, und wir tragen eine große Verantwortung dafür, sinnvolle, positive Veränderungen zu schaffen. Wir konzentrieren uns in erster Linie auf die Umgestaltung von Räumen durch die Erhaltung, Restaurierung und Reparatur bestehender Strukturen, anstatt dem Abriss und dem Ersatz durch Neubauten den Vorrang zu geben, um nur so viel Raum wie nötig zu nutzen, mehr Holz zu verbauen und neue Materialien zu erforschen. Es ist ein Prozess. Wir streben auch danach, mehr Biodiversität in unsere Städte zu integrieren. Nur wenn wir zusammenarbeiten – Bauunternehmen, Städte, AuftragnehmerInnen, IngenieurInnen, ArchitektInnen, DesignerInnen – können wir Materialien und Bauprozesse verbessern. Auch aus diesem Grund sind uns Zusammenarbeit und eine offene Denkweise so wichtig. Die Branche kann sich Veränderungen widersetzen und folgt oft etablierten Praktiken, um Risiken zu minimieren. Wir jedoch streben jeden Tag danach, uns selbst, unsere Mitarbeiter und unsere Kunden in eine nachhaltigere Zukunft zu führen. Es liegt noch ein langer Weg vor uns, doch jeder Schritt bringt uns dem Fortschritt näher.

Suchen Sie gezielt nach ungewöhnlichen Projekten oder ist diese Auswahl in der Arbeitsweise von Cobe begründet?

Stine Lund Hansen: Jedes Projekt ist einzigartig – das ist die Grundlage unserer Arbeit. Dennoch suchen wir nicht direkt nach besonderen Aufgaben, noch haben wir einen bestimmten Stil oder arbeiten mit einer bestimmten Typologie oder sind Experten in einer bestimmten Kategorie. Wir arbeiten aus einer Cobe-Denkweise heraus und versuchen alles zu bieten, von der Gestaltung eines Stuhls bis hin zur Stadt. Deshalb ist es uns wichtig, den Geist und unsere Designsprache offen zu halten.

The Opera Park

Welche Möglichkeiten bieten Ihnen skandinavische Architekturtraditionen als Inspiration für die Städte von heute und morgen?

Stine Lund Hansen: Kopenhagen war schon immer wichtig für die Entwicklung von Cobe, von der Gründung bis heute. Viele unserer Projekte haben ihre Wurzeln in dieser Stadt, und wir sind sozusagen gemeinsam mit dieser Stadt gewachsen, die sich in den letzten Jahren zu einem der Orte mit der besten Lebensqualität der Welt entwickelt hat. Heute ist es ein fantastischer Ort zum Leben und Arbeiten, mit Fahrrad- und Fußwegen und schwimmbaren Wasserstraßen, die das tägliche Leben bereichern. Die Gestaltung öffentlicher Räume ist hier von entscheidender Bedeutung. Unsere Erfahrung in der Gestaltung für die sich entwickelnden Bedürfnisse Kopenhagens hat unsere Arbeit stark beeinflusst. Im Gegenzug haben wir zur Umgestaltung der Stadt beigetragen. Diese gegenseitige Beeinflussung steht im Mittelpunkt unseres Handelns und hat unser Engagement für die Schaffung außergewöhnlicher Alltagsräume für alle beflügelt.

Was möchte Cobe in Zukunft noch zur Entwicklung der Stadt beitragen?

Stine Lund Hansen: Wir möchten vermitteln, dass Architektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung keine statischen Prozesse sind. Es geht um Langlebigkeit und dynamische, zukunftssichere Entwürfe. Wir glauben, dass Architektur die Kraft hat, unser Leben zu gestalten, und deshalb eine entscheidende Rolle bei der Förderung nachhaltiger Praktiken spielt. Architektur ist unerlässlich, um uns alle voranzubringen.