Anti-Arbeitsmöbel
2011 in Wien gegründet, ist das Designerduo chmara.rosinke bekannt für eine konzeptionelle Gestaltungsauffassung. Die Entwürfe von Ania Rosinke und Maciej Chmara, die sich während ihres Architektur- und Designstudiums an der Akademie der bildenden Künste in Danzig kennenlernten, sind weniger reale Dinge. Vielmehr sind es Vorschläge für ein Um- oder Neudenken von sozialen und urbanen Gegebenheiten, die nicht immer realistisch, manchmal künstlerisch und sogar utopisch gedacht sein können.
Timing für Typologien
In den letzten Jahren spezialisierte sich das Team primär auf Küchen, oder besser den damit verbundenen Akt des Kochens. So kam es zu vielfältigen, modellhaften Entwürfen, die die Aspekte Gastfreundschaft, Modularität und Mobilität aufgreifen. Andere resultierten in Pop-up-Installationen mit Retailfunktionen für renommierte Modeunternehmen wie COS, Tommy Hilfiger und Hermès. Sogar funktionale Anwendung fanden sie in einem Pilotprojekt der Caritas in Form von blockförmigen Küchenmodulen, die Kinder und ältere Menschen über das gemeinsame Kochen zusammenzubringen sollten. Nun hinterfragen die GestalterInnen, die sich auch in der Forschung betätigen und an der Universität der Künste in Berlin unterrichten, den Arbeitsraum und die Typologien von Büroausstattungen. Das Timing passt. Denn während das Büro mit der Corona-Pandemie immer weiter in den privaten Wohnraum einzieht, drängt auch der Bedarf nach Funktion und Ästhetik von dazugehörigem Mobiliar. Doch, anders als man es erwarten würde, bot die veränderte Arbeitskultur keinen Anlass für die neue OFIS Collection, die sich aus Drehstuhl, Kniehocker, Schreibtisch, Chaislongue und Stehleuchte zusammensetzt.
Mit Laptop am Herd
Ganz im Gegenteil, Maciej Chmara kritisiert sogar die unablässige Berichterstattung von Fachmedien über das Homeoffice. In seinen Kreisen sei es nicht neu, zu Hause zu arbeiten, berichtet er. Er selbst arbeite gerne in der Küche und er kennt Leute, die auch mal im Liegen ihr Tagewerk verrichten. Außerdem hätte die Krise dringlichere Fragen auf den Plan gerufen als die passende Möblierung, die man immerhin mit ein paar Kniffen den Bedürfnissen entsprechend justieren könne. Fakt ist aber, viele BüroarbeiterInnen verwandeln Küchentische und Sofas gerade in Office-Provisorien. Da bietet die OFIS Collection von Rosinke und Chmara eine Chance, einmal neu über Drehstuhl, Schreibpult und Arbeitsbeleuchtung nachzudenken. Die Anfragen bestätigen das. Nur einen Büroraum hätte das Studio, das auf Bestellung und in kleinen Stückzahlen produziert, damit bisher ausgestattet. "Die anderen Kundinnen und Kunden wollen eine professionelle Arbeitsumgebung für zuhause, die aber ihren Innenraum nicht stört", sagt Chmara.
Korrekte Winkel
Dabei ecken die Möbel, die sich formell am Konstruktivismus anlehnen, schon an. Und das nicht nur buchstäblich. Sie stehen im Kontrast zu den organisch-geschwungenen, hochflexiblen, super-soften "Sitzmaschinen", die einem nicht selten den Eindruck vermitteln, sie müssten einen vor der Arbeit beschützen oder gar heilen. Aus Kanthölzern und Platten zusammengesetzt und in einem reduzierten Farbschema monochrom lackiert, haben diese Büroobjekte hingegen etwas Kunstvolles. Sie bleiben dem modellhaften Stil vorangegangener Entwürfe des Duos treu. Was zuvor zumeist Vision blieb, wird nun aber real – als echte, funktionale Möbel. Auf die Frage nach Ergonomie reagiert der Gestalter überlegt, aber gelassen: "Ich weiß, das ist eine streitbare Frage, aber ich bin kein Freund von diesen hyper-ergonomischen Büromöbeln. Ein korrekter Winkel ist sehr wichtig, Rücken und Nacken vermitteln einem schon rechtzeitig, wenn es Zeit ist, aufzustehen und sich zu bewegen." Den Stuhl gibt es daher in zwei Größen. Relevanter aber sind die ganz unterschiedlichen Sitzmöglichkeiten, die die Kollektion bietet – ein Liegemöbel inklusive. "Die Chaiselongue ist eine Art Anti-Arbeitsmöbel", meint Chmara und erklärt: "In unserer calvinistisch geprägten Arbeitskultur sind wir sehr stark auf Erfolg und Effizienz aus." Diese Moral möchte er mit seiner Designpartnerin konterkarieren, mithilfe von Objekten, die trotz vermeintlicher Härte, Starre und Einfachheit den Spaß und den Genuss an der Arbeit in den Vordergrund stellen.