Vom Suchen und Finden
Neues Museum, James-Simon-Galerie – das Arbeiten mit dem Vorgefundenen gehört zu den Spezialitäten von David Chipperfield Architects. Beide Projekte erhielten jeweils 2010 und 2020 den DAM-Preis des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main. Dafür ist jetzt ein weiterer Bau des Büros nominiert, der es bislang immerhin auf die Shortlist geschafft hat: Die Jacoby Studios in Paderborn sind Sitz der Unternehmerfamilie Jacoby, die Produkte für den DIY-Markt wie etwa Bastelmaterial oder Künstlerbedarf anbietet. Die neue Firmenzentrale ist Teil eines ehemaligen Kapuzinessen-Klosters aus dem 17. Jahrhundert, dessen Bausubstanz von den Architekten sensibel freigelegt wurde.
Der Ort blickt auf eine lange Geschichte zurück: Am Rand des mittelalterlichen Stadtkerns gelegen, wurde das Kloster ab 1841 als Hospital genutzt und im zweiten Weltkrieg schwer zerstört. In den Nachkriegsjahren erfolgten diverse Auf- und Umbaumaßnahmen, die den Bestand überformten und nur wenig von der historischen Bausubstanz, wie etwa den Giebel der Kapelle, sichtbar ließen. 2012 erwarb dann die Familie Jacoby das Areal und beauftragte in der Folge David Chipperfield Architects mit der Planung einer neuen Firmenzentrale. Als man bei der Bestandsaufnahme auf weitere Schichten wie die alten Umfassungswände stieß, integrierten die Architekten die alte Substanz in das Gesamtkonzept. Die historischen Bauteile wurden in Absprache mit der Bauherrenfamilie unter Denkmalschutz gestellt.
Die Firmenzentrale folgt nun der Logik der Klosteranlage, indem sich die neuen Räumlichkeiten um den Kreuzgang und die ehemalige Kapelle gruppieren. Letztere wurde komplett entkernt, da sowohl der Dachstuhl als auch das Innere keine historische Relevanz besaßen. Sie bildet als malerische Ruine den Eingangsbereich der Jacoby Studios und führt in ein großzügiges Foyer, das zwischen den Mauern der alten Sakristei eingefasst ist. Ein großes Oberlicht sorgt auch hier für eine sakrale Atmosphäre, bevor es dann zu den Büroflächen, Besprechungsräumen, Ausstellungsflächen, dem hauseigenen Fotostudio und der Kantine geht, die sich auf eine Gesamtfläche von 12.500 Quadratmetern verteilen.
Die zwei- und dreigeschossigen Neubauten sind als rationalistische Büroriegel ausformuliert und bilden den größtmöglichen Kontrast zum alten Mauerwerk der Klosteranlage. Ihre strenge Rasterfassade, die sich aus vorgefertigten Sichtbetonelementen zusammensetzt und mit großzügig verglasten Schiebetüren ausgefacht ist, ermöglicht offene und lichtdurchflutete Büroräume. Die etwas zurückversetzte Giebelwand der Kapelle wird von den niedrigeren Neubauten eingefasst und dadurch in die Gesamtanlage integriert. Aufgrund ihrer Höhe wird sie, analog zur historischen Klosteranlage, zum zentralen Element des Gesamtensembles. Ähnlich verhält es sich mit dem ehemaligen Kreuzgang im Zentrum der neuen Anlage, dessen umfassende Mauern größtenteils abgerückt von den angrenzenden Gebäudeteilen stehen. Dadurch ergibt sich eine Raumschicht, die sich zwischen die Hoffassaden und den ehemaligen Klosterhof schiebt und die einzelnen Zeitschichten miteinander in Beziehung setzt.
Die neue Inszenierung der alten Substanz knüpft dabei gekonnt an die sakrale Vergangenheit an. Dazu trägt auch die reduzierte Gestaltung der Außenräume durch die Landschaftsarchitekten von Wirtz International bei, die den neuen Eingangsbereich der Kapelle und den Innenhof des Kreuzgangs als kontemplative Räume inszenierten. Der introvertierte Gedanke des Baus findet sich zuletzt in den Süd- und Westfassaden wieder, die das Ensemble mit ihren Mauern umfassen. Sie schotten die neue Firmenzentrale allerdings nach außen hin ab und wirken dadurch eher abweisend. Trotzdem ist den Architekten mit der Freilegung der historischen Schichten eine sensible Transformation gelungen, die das alte Kloster behutsam einer neuen Nutzung zuführt.