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Perfektion in Serie

Seit vier Jahrzehnten führen Manfred Wolf und Jean-Marc da Costa die Leuchtenmanufaktur serien.lighting. Die HerausgeberInnen von Stylepark haben die Designer in ihrem Werk in Rodgau getroffen und über die Unternehmensgeschichte ebenso gesprochen, wie über ihre Pläne für die Zukunft.
27.09.2024

Robert Volhard: Vor geraumer Zeit hat Stylepark mit euch das zwanzigjährige Bestehen von serien.lighting gefeiert. Zum Vierzigsten habt ihr dieses Jahr eine sehr besondere Ausstellung im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main präsentiert. Wie fühlt man sich, wenn man auf vier Dekaden Erfolgsgeschichte zurückschauen darf?

Jean-Marc da Costa: Es fühlt sich toll an! Es ist eine schöne Wertschätzung, von solch einem Museum eingeladen zu werden. Zudem war es eine großartige Aufgabe, die Dinge, die wir so noch nie vereint hatten, in einem Ausstellungskonzept zusammenzubringen. Die Grundidee stammt von Manfred und möchte alle Produkte aus unserer Firmengeschichte, sozusagen unsere Kinder, gleichwertig museal behandeln – ob erfolgreich oder nicht. Dafür haben wir unser Präsentationssystem weiterentwickelt: Es sind filigrane Gestelle, an denen man Böden, Wände und Decken anbringen kann, und die wir in einem Raster arrangiert haben.

Robert Volhard: Kommen wir auf die Anfänge zu sprechen. Ich finde es sehr beachtlich, dass ihr euch noch im Studium an der HfG in Offenbach getraut habt, ein Unternehmen zu gründen.

Manfred Wolf: Bereits damals war uns klar, dass es sich um ein langfristiges Projekt handeln und mindestens zwanzig, dreißig Jahre laufen würde. Wir finden es demnach nicht sonderlich überraschend, dass wir so lange zusammengearbeitet haben, sondern eher, dass wir alle technischen Entwicklungen, die nicht absehbar waren, überlebt haben. Banken haben uns etwa um die Rückzahlung von Krediten gebeten, weil sie nicht davon ausgingen, dass wir die Umstellung auf LED schaffen würden. Daher ist es schön, dass wir diese Hürden gemeistert haben und wir uns nun die Zeit nehmen konnten, für die Ausstellung alles auszugraben. Im nächsten Schritt wollen wir ein Buch produzieren, ein Werkkatalog mit den Produkten der letzten vierzig Jahre, damit das Wissen nicht irgendwann verloren geht. Das können nur wir anständig aufarbeiten.

Franziska von Schumann: Woher kam dieses unternehmerische Selbstbewusstsein?

Manfred Wolf: Durch meinen Vater und meinen Großvater. Sie haben einfach das, was sie gemacht haben, gemacht. Warum sollten sie damit aufhören?

Jean-Marc da Costa: Wir haben uns darüber keinen Kopf gemacht und waren extrem zuversichtlich, dass es der richtige Weg ist. Zudem hatten beide Erfahrungswerte, die dem zugutekamen. Ich hatte als Schüler und Student schon Geld verdient mit Handel auf Flohmärkten. Dadurch hatte ich bereits Kontakt mit HändlerInnen und später keinerlei Hemmungen diese mit unseren Produkten anzusprechen. Ganz direkt, mit etwas Gutem in der Hand, war ich unser eigener Vertreter.

Manfred Wolf: Wir wussten, dass wir ganz oben einsteigen müssen, bei den Top-Läden. Der erste war Stoll, ein Mitglied des CI Verbands, über den wir an den Verband gekommen sind.

Franziska von Schumann: Jean-Marc, dein Vater war Architekt. Manfred, du "musstest" in der Metallwerkstatt deines Großvaters arbeiten, der hier Taschen- und Kofferbeschläge hergestellt hat. Und diese Räumlichkeiten dienten euch dann für die ersten Schritte. Inwieweit haben die Umstände euch zu dem gemacht, was ihr heute seid?

Manfred Wolf: Ich war bereits mit zwölf Jahren "der Sklave meines Vaters", wie ich es manchmal formuliert habe. Meine Mutter hat mich dann mit fünfzehn cleverer Weise auf ein Internat geschickt, damit ich hier wegkam. Aber diese Werkstätten mit allen Maschinen waren am Anfang von sehr großem Nutzen für uns. Da mein Vater etwa die Galvanik tagsüber nutzte, konnten wir erst abends ab 20 Uhr anfangen und haben dann nächtelang galvanisiert. Dadurch waren wir in den ersten Jahren bereits an ein hohes Arbeitspensum gewöhnt.

Jean-Marc da Costa: Teilweise war die Produktion sehr frustrierend. Man hat eine kleine Auflage von 100 Stück gestanzt, geschweißt, zusammengebracht und dann galvanisiert. Wenn dabei ein Fehler passierte, war die ganze Serie nicht wiederherstellbar. Es gab heftige Rückschläge, aber dabei haben wir sehr viel gelernt, etwa über Metallverarbeitung oder Oberflächenbehandlung.

Robert Volhard: Die "Lift Suspension" ist in den achtziger Jahren entstanden, folgte aber nicht den damaligen Trends. Vielmehr assoziiert man Mies van der Rohe oder das Bauhaus und seine stilistischen Elemente. Habt ihr euch bewusst gegen den Zeitgeist entschieden oder woher kam die Gestaltungsidee?

Manfred Wolf: Die "Lift" war angeregt vom Material, das hier von meinem Vater herumlag, dieser Rundstab und das Blech. Das liegt alles noch im Keller.

Franziska von Schumann: Grundsätzlich würde man sagen, dass eure Designsprache eher puristisch ist, abgesehen vielleicht von der "Poppy" Leuchte. Wie entscheidet ihr generell die Designsprache von serien.lighting?

Manfred Wolf: Wir sind schon immer ziemliche Minimalisten. Auch die "Lift" ist nicht komplett puristisch, sie ist zwar minimalistisch, aber genau genommen ist sie verspielt. Dabei waren und sind wir begeistert vom italienischen Design der Sechziger, wie von der "Toio" von Castiglioni mit freiem Trafo. Der Ventilator, den ich 1982 entworfen habe, hatte auch einen freien Motor. Dieses Offenlegen interessiert uns bis heute. Zum Einfluss italienischen Designs aus den Schaufenstern in Frankfurt und Mailand kam natürlich in der Ausbildung an der HfG Offenbach ein starker Fokus auf das Bauhaus.

Franziska von Schumann: Warum habt ihr über all die Jahre entschieden, an diesem Standort festzuhalten?

Manfred Wolf: Tatsächlich haben wir zwei Standorte: Hier sind die Produktentwicklung und die gesamte Verwaltung mit Vertrieb, Buchhaltung und Marketing angesiedelt. Das Werk Zwei ist ein großes angemietetes Lager im Industriegebiet. Dort findet die Endmontage statt, Kontrolle, Sampling generell und auch der Versand erfolgt von dort aus. Bei unserer Unternehmensgröße hat es sich nicht angeboten, alles wegzugeben. Im Grunde bin ich froh, dass wir nur sehr moderat gewachsen sind und alle Abläufe in unserer Struktur hier halten konnten – damit haben wir alles unter unserer direkten Kontrolle. Mein Sohn sitzt im selben Haus in der Auftragsbearbeitung, dadurch bekomme ich die Reklamationen direkt mit, die wir haben. Das hat zur Konsequenz, dass man immer dranbleibt und sich seiner Verantwortung für die verkauften Produkte bewusst ist.

Robert Volhard: Dass ihr so nah am Produkt seid, ermöglicht euch auch, Sonderanfertigungen zu realisieren. In Zusammenarbeit mit ArchitektInnen entwickelt ihr projektspezifische Leuchten oder Variationen eurer Standardprodukte für Hotels, Bibliotheken, Kirchen, Synagogen und Krankenhäuser.

Manfred Wolf: Zu den Vorteilen der Produktion vor Ort kommt, dass wir als Designer aktiv werden können. Es ist sicher eine Besonderheit, dass wir als Eigentümer über diese lange Zeit hinweg auch Designer waren. Wenn wir Manager wären, wäre alles anders: Die Firma wäre sicher größer, es wäre mehr im Vertrieb passiert, wir wären aktiver im Ausland und der Fokus läge auf einer anderen Qualität.

Jean-Marc da Costa: Und wenn wir zum Beispiel InvestorInnen reingenommen hätten, was regelmäßig in Unternehmen erfolgt, wäre sicherlich vieles anders, aufgeblasener.

Manfred Wolf: Daher rühren häufig die Probleme: Der Investor will etwas anderes als der Designer. Aber wir haben solche Notwendigkeiten natürlich auch und dann übernehme ich den Part des Investors und sage, dass der Markt mir für ein gewisses Design noch nicht reif erscheint. Das führt teils zu Auseinandersetzungen, und wie unser Designer Yaacov Kaufman, mit dem wir viel gearbeitet haben, immer sagt: "Manfred, I have to tell you: Designers like to design." Das ist sicher wahr, und wir haben anfänglich auch so gedacht.

Robert Volhard: Neben Yaacov Kaufman ("Propeller") habt ihr unter anderem mit Ulrich Beckert, Georg Soanca-Pollak, Peter Thammer ("Poppy") oder Uwe Fischer ("Annex") kooperiert. Wie ist es für euch mit externen GestalterInnen zusammen zu arbeiten und vice versa?

Jean-Marc da Costa: Umso kompetenter die PartnerInnen sind, desto besser ist die Zusammenarbeit. Die Kommunikation erfolgt auf Augenhöhe und das verbessert die Entwicklungsprozesse. Wir sind immer in der Doppelrolle bestehend aus Designer und Unternehmer, aber die Entscheidung, ob ein neues Produkt produziert wird, fällen wir mittlerweile im Sinne des Unternehmers. Deswegen haben wir früher auch mehr Flops produziert. Heute sind wir viel strategischer, viel professioneller in solchen Entscheidungen und konzentrieren uns auf Produkte, bei denen wir ziemlich sicher sind, dass sie sich verkaufen. Das ist auch einer der Gründe für unsere aktuelle Stabilität. Ich würde gerne wieder mehr Design machen, diesbezüglich sind die Sonderanfertigungen immer erfrischend.

Franziska von Schumann: Wann ist ein Auftrag mit Sonderanfertigungen für euch so spannend, dass ihr ihn annehmt?

Manfred Wolf: Grundsätzlich arbeiten wir immer mit denselben Architekturbüros. Mittlerweile sind wir Spezialisten für Synagogenbeleuchtung und werden deswegen immer wieder kontaktiert. Nach der Ausstattung von aktuell acht Synagogen gibt es niemanden, der mehr Synagogen mit kultischen Objekten beleuchtet hat als wir. Wir wären prädestiniert für mehr Projekte, aber wir haben nicht die Struktur dafür. Obwohl sie interessant sind und sehr viel Spaß machen, sind sie finanziell nicht lukrativ. Wir sanieren zum Beispiel gerade die Synagogen in Darmstadt und in Heidelberg, beide stammen aus den achtziger Jahren. Als Serviceleistung rüsten wir die Kronleuchter auf LED um, womit wir quasi nichts verdienen, und schlagen weitere Lichtlösungen vor, die ins Konzept passen – dann wird es auch wirtschaftlich interessant.

Robert Volhard: Eure Produkte sind reparabel und ihr könnt den Generationenwechsel hin zu LED vollziehen – Nachhaltigkeit par excellence.

Manfred Wolf: Gerade heute habe ich eine Mail bekommen: Vor über 30 Jahren wurden zwei "Lift" Leuchten gekauft, die jetzt ab und zu flackern. "Können Sie da weiterhelfen?" Ich konnte erklären, woher das Problem stammt. Die Leuchten werden nun zu uns geschickt. Vor kurzem hatte ich vier Stück aus Hamburg hier – jetzt sind sie wie neu. Ich repariere sehr gerne!

Franziska von Schumann: Wo seht ihr die aktuellen Herausforderungen auf dem Markt?

Jean-Marc da Costa: Das Konsumverhalten hat sich komplett geändert: Eine Krise jagt die nächste. Das drückt auf die Stimmung und reduziert die Lust zu konsumieren. Dennoch gibt es viele Menschen, die weiterhin über ausreichend Mittel verfügen.

Manfred Wolf: Hinzu kommt, dass die nachkommende Generation komplett anders unterwegs ist. Sie will kein gepflegtes Heim haben, sondern möglichst wenig Ballast. Warum dann eine Stehleuchte mit sich herumschleppen?

Franziska von Schumann: Ihr seid letztes Jahr nicht auf der Light + Building gewesen. Wie wichtig waren oder sind für euch Fachmessen? Welche Auswirkungen hatte die Zeit der Corona-Maßnahmen?

Jean-Marc da Costa: Tendenziell ist die Teilnahme an Fachmessen für uns immer unwichtiger geworden und stand in einem ungünstigen Preis- und Leistungsverhältnis. Eine Teilnahme kostet unseren kleinen Betrieb viel Geld, etwa eine viertel Million Euro. Während Corona haben wir entschieden, dort einzusparen. Zum Abschluss haben wir ein schönes Signal gesetzt und waren als Premium Design Marke bei der Oktoberedition der Light + Building 2022 noch ein letztes Mal dabei. Die Kundenbindung pflegen wir seitdem über Inhouse-Messen.

Robert Volhard: Wie sind die Pläne für euer Unternehmen in den nächsten Jahren, eure Ziele, Hoffnungen, Wünsche?

Jean-Marc da Costa: Ich denke, wir sind auf einem guten Kurs und werden es in dieser Balance zwischen Spaß und stabilen Zahlen auch für die nächsten rund fünf Jahre so weiterführen. Wir sind nicht aktiv auf dem Markt, um das Unternehmen zu veräußern, aber auch das wird eines Tages vermutlich anstehen.

Manfred Wolf: Falls die Geschäfte nochmal deutlich besser als bisher laufen, würde ich gerne noch ein paar schöne Designs produzieren, bei denen es egal ist, ob wir sie verkaufen oder nicht.

Franziska von Schumann: Wie habt ihr beide es geschafft, so lange Freundschaft und Arbeit miteinander zu verbinden?

Jean-Marc da Costa: Ich vergleiche das mit einer Ehe, die vielleicht schon jenseits von Gut und Böse ist. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass man respektvoll miteinander umgeht und bestimmte Grenzen nicht überschreitet.

Manfred Wolf: Wir haben ein gemeinsames Commitment. Für uns beide war von Anbeginn klar: Das ziehen wir gemeinsam durch.

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