Die Logik der Natur
Anna Moldenhauer: Wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen?
Carlo Ratti: Wir hatten uns mit dem Immobilienunternehmen CapitaLand über die Innovation von Büroräumen ausgetauscht und dabei kam das Gespräch auf den Wettbewerb für das Gebäude zu "CapitaSpring". Die Wege von Brian und mir haben sich davon ab schon früh gekreuzt, sei es in Harvard oder an der MIT School of Architecture and Planning in Cambridge. Wenn ich mich recht erinnere, gehörte er zu dem Kurs, die das "Copenhagen Wheel" entwarfen, das gewöhnliche Fahrräder im Handumdrehen in Hybrid-E-Bikes verwandelt, die auch als mobile Sensoreinheiten fungieren. Unsere Ideen haben sich für "CapitaSpring" gut verknüpft. "Man kann die Punkte nicht mit Blick nach vorne verbinden, sondern nur in der Rückschau. Man muss also darauf vertrauen, dass sich die Zusammenhänge in der Zukunft ergeben", wie Steve Jobs gesagt hat. Wir haben dann noch Arup und RSP Architects ins Boot geholt und beschlossen, am Wettbewerb teilzunehmen.
Brian Yang: Genau, zudem habe ich im Jahr 2008 einige Zeit in Turin für Carlo gearbeitet. Der Kontakt ergab sich, da ich in der Zeit in Harvard studierte und er einen Kurs im Sensible City Lab am MIT unterrichtete.
Welche Vorgaben hatten Sie für "CapitaSpring" seitens der Bauherrin CapitaLand?
Brian Yang: Eine sehr definierte, technische Aufgabenstellung in Bezug auf die Erwartungen an die Entwicklungsbereiche, die Effizienz, et cetera. Letztendlich sind sie ein Bauträger, der ein Produkt hat, das an die StakeholderInnen und zukünftige MieterInnen verkauft werden soll. Von großer Bedeutung war der Dialog während des gesamten Prozesses. Das Grundstück liegt im modernen Geschäftsviertel von Singapur, da war die Herausforderung ein Gebäude zu entwerfen, das nicht nur ein weiterer Büroturm ist. Wir wollten einen Weg finden, diesem Teil der Stadt einen Mehrwert zu verleihen, mit integrierten Wohnungen, Hotels, kommerziellen Gastronomieeinrichtungen – alle Bereiche der Stadt sollten in einem Gebäude zusammenkommen. Diese Ausrichtung hat sich eher aus den gemeinsamen Gesprächen ergeben, als aus einem Briefing.
Carlo Ratti: Es ging auch darum, die Grenzen auf neue Art und Weise zu erweitern, um eine Mischung der Funktionen sowie von Mensch und Natur. Parallel haben wir über unser Forschungslabor nach einer Idee für die Zukunft der Parkplätze gesucht. Unterirdische Parkflächen wären nicht nützlich gewesen und hätten enorme Kosten verursacht, wie einen hohen Emissionsbetrag. Wir wollten stattdessen ein flexibles Konzept bieten, das berücksichtigt, dass sich die Infrastruktur in der Zukunft mit hochautomatisierten Fahrzeugen wandeln wird. Sprich das Projekt sollte auch die zukünftige Mobilität der Stadt betrachten.
Sie haben nahtlose Übergänge zwischen Garten und Stadt geschaffen: In der Mitte des Turms befindet sich ein 35 Meter hoher Park, es gibt eine üppige Begrünung am Fuß des Baus und einen Dachgarten, der die größte urbane Farm Singapurs bietet. Wie hat sich diese starke Symbiose mit der Natur auf die Entwicklung der Architektur ausgewirkt?
Carlo Ratti: In vielen Gebäuden in Singapur fühlt man sich wie in einem Aquarium, da alle Flächen klimatisiert sind. Dazu ist die tropische Natur zwar unglaublich eindrucksvoll, aber selten Teil der bebauten Flächen. Wir wollten ein Gebäude entwickeln, das von der Natur ausgeht und sie parallel in das Innere bringt. Darum wird es auch aus meiner Sicht bei der 19th International Architecture Exhibition of La Biennale di Venezia im nächsten Jahr gehen – wie wir in der Architektur und Planung mit der Natur arbeiten können, statt gegen sie, besonders mit Blick auf die sich zunehmend verschärfende Klimasituation. Der wichtigste Teil von "CapitaSpring" ist die Mitte. Sie gleicht einem europäischen Platz, ist aber vertikal ausgerichtet. Man befindet sich im Freien, hat einen wunderbaren Ausblick auf die Stadt und ist nah bei der Natur.
Brian Yang: Singapur hat im Grunde sehr fortschrittliche Richtlinien, um die Integration der Natur in seine Gebäude zu fördern. Die begrünten Dachterrassen befinden sich allerdings meist im Privatbesitz und die Bäume und Bänke, die es rund um die Gebäude im öffentlichen Raum gibt, werden nicht aktiv als Teil des Alltags genutzt. Anstatt sehr definierte Komponenten zu fokussieren, haben wir für "CapitaSpring" an die Vielfalt der Stadt gedacht, an einen öffentlichen Park für die Gemeinschaft. Die Grünfläche wird zu einer Erweiterung des Lebens der Stadt, des Gebäudes und für die NutzerInnen. Wie wichtig die physische und psychische Sicherheit mit der Natur verbunden zu sein für uns ist, mussten wir in der Pandemie lernen. Von den Büros aus kann man jetzt beispielsweise mit einem Aufzug direkt in tropischen Dschungel auf 30 Meter Höhe fahren und diesen natürlich belüfteten Raum genießen. Carlo hat mit seinem Team den digitalen Masterplan für das Gebäude erstellt – die Idee drinnen wie draußen sein zu können, nahe der Infrastruktur für die Arbeit sowie zur Gastronomie und Natur, war ein zentraler Punkt. "CapitaSpring" wurde zu dem Zeitpunkt fertiggestellt, als die Einschränkungen der Covid19-Pandemie gerade aufgehoben wurden, die Flächen waren aber dennoch in kürzester Zeit belegt. Ich denke das spricht für die Widerstandsfähigkeit, die diese Räume als Teil der Stadt bieten. Wenn wir ein Gebäude entwerfen, muss es die dreifache Bilanz der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit erfüllen. Die Grünflächen sind also leistungsfähig und nicht nur ein ästhetischer Beitrag.
Carlo Ratti: Der Trend in der Architektur der letzten 20 Jahre die Natur in die bebaute Umgebung zu integrieren, war meiner Meinung nach entscheidend. Jetzt zählt es, das Experiment des vertikalen Dschungels als öffentlichen Raum für alle Menschen zugänglich zu machen – von den ArbeitnehmerInnen in den Büros bis zu den TouristInnen. Die Idee eines öffentlichen Grüns für die Menschen im Gebäude, aber auch für die breitere Gemeinschaft, hat das Projekt inspiriert.
Die Bepflanzung ist nach dem Vorbild der Struktur eines Regenwaldes und dem Verlauf der Sonne ausgerichtet. Können Sie das näher erläutern?
Brian Yang: Der Raum, der uns zur Verfügung stand, ist etwa 30 Meter hoch. Das entspricht der Höhe, die ein typischer Abschnitt eines tropischen Regenwalds hat. Die Pflanzen haben je nach Ebene einen unterschiedlichen Bedarf an Tageslicht, dementsprechend gab es eine umfangreiche Analyse, um sicherzustellen, dass die sie nicht nur überleben, sondern auch gedeihen können, dass Photosynthese möglich ist. Bei dieser wissenschaftlichen Arbeit habe ich viel gelernt. Pflanzen, die hoch wachsen haben zum Beispiel in der Regel kleinere Blätter, um keine Barriere für den Wind zu bieten. Pflanzen am Boden entwickeln eher größere, dunklere Blätter, um über möglichst viel Fläche für die Aufnahme von Licht zu verfügen.
Carlo Ratti: Die Entwicklung der Grünflächen war also ein sehr methodischer Prozess. Statt uns auf eine etwaige Ästhetik zu fokussieren, wollten wir ein Ökosystem schaffen, das wie ein Regenwald auch die Rückkopplungsschleifen, Synergien und Interaktionen zwischen all den unterschiedlichen Elementen zeigt. Über 60 Prozent der Pflanzen sind zudem heimisch.
Abgesehen von den Öffnungen in den vertikalen Aluminiumelementen, die der Querlüftung der Gärten dienen, ist die Fassade elegant und geradlinig. Welche grüne Pracht sich im Gebäude befindet, ist von außen nicht direkt erkenntlich. Warum haben Sie sich für diese Form der biophilen Architektur entschieden?
Brian Yang: Das Gebäude bietet eine Reise der Entdeckung und soll parallel ein sehr singapur-spezifisches Stück tropischer Urbanistik sein. Die klassische Nadelstreifenfassade, die das modernistischen Erbe des Stadtzentrums widerspiegelt, öffnet sich partiell und lädt dazu ein, den Bau zu erkunden.
Carlo Ratti: Es gibt viele Möglichkeiten die Biophilie zu interpretieren. In unserer Auffassung geht es nicht nur um die Anwesenheit von Natur. Es ist entscheidend, ihre Logik der Synergie zu übernehmen und von dieser zu lernen. Zu Beginn des Wettbewerbs hatten wir unterschiedliche Ideen für die Struktur des Baus. Das Gebäude mit der Natur interagieren zu lassen, überzeugte uns.
Brian Yang: Wir haben mit "CapitaSpring" eine Intensivierung der Biophilie erreicht, denn das Gebäude bietet zu 140 Prozent landschaftspflegerische Ausgleichs- und Ersatzflächen. Sprich wir konnten mit dem Bau mehr Grünfläche schaffen, als zuvor auf dem Gelände existiert haben.
Carlo Ratti: Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Klima. In unseren Städten herrschen teils extreme Temperaturen. In Rio de Janeiro hatten wir vor einigen Wochen eine gefühlte Temperatur von um die 65 Grad Celsius. Das sind Werte, bei denen menschliches Leben auf lange Sicht nicht mehr möglich ist. Klimaanlagen sind keine Lösung, denn sie kühlen, aber geben Wärme an anderer Stelle ab und heizen so den Außenraum noch mehr auf. Die Natur bietet die beste Kühlung unserer Städte und ist wohl auch unsere einzige Chance zur Eindämmung des Klimawandels. Dank der Begrünung wird ein öffentlicher Platz wieder nutzbar.
Wo wir beim Thema Gleichgewicht sind – wie ist der ökologische Fußabdruck des Gebäudes?
Carlo Ratti: Im "CapitaSpring" konnten wir mit Hilfe der Natur ein Mikroklima schaffen. Parallel tragen wir mit dem Anbau von Lebensmitteln auf dem Dach zur Versorgung im Gebäude und zu kurzen Wegen bei. Für den Bau wurden bevorzugt lokale Materialien verwendet. Das Gebäude bietet so unterschiedliche Strategien, traditionelle und experimentelle. Zu Beginn gibt es eine Desinvestition, aber langfristig zählt der nachhaltige Betrieb des Baus.
Brian Yang: Die Nachhaltigkeit hat hierbei viele Facetten, wie den sozialen Aspekt, der dazu beiträgt, den Wert der Natur zu erkennen und zu einer Kultur beiträgt, in der dieser gegenüber einer künstlich klimatisieren Fläche bevorzugt wird. Die Dachfarm produziert bis zu 100 Kilo Lebensmittel pro Monat, die von den Restaurants im Gebäude verarbeitet werden. Sie fördert die Biodiversität und schafft eine Form der Freiheit in einer Stadt wie Singapur, in der die Ressourcen begrenzt sind. Ebenso verändert sie die Perspektiven auf nachhaltige Landwirtschaft. Der Bau leistet mit der biologischen Vielfalt und Ökologie einen Beitrag zur zukunftsfähigen Entwicklung der Stadt. Die Flächen sind zudem in ihrer Nutzung flexibel veränderbar. Das Gebäude an sich wurde klassisch in Auftrag gegeben und gebaut. Allerdings beinhaltet es viele Ideen zum Thema Anpassungsfähigkeit. Auch mit Blick auf die Materialien: Die Lamellen der Fassade bestehen aus Aluminium, eines der am besten recycelbaren Materialien. Von Beginn an wurde eine strukturelle Gestaltung gewählt, die es ermöglicht, mehrgeschossige Verbindungen zu schaffen, wenn sie gebraucht werden. Wir haben bereits beim Entwurf über die eigentliche Lebensdauer des Gebäudes hinausgedacht. Die Logik der Natur besteht immer darin, von dem auszugehen, was bereits vorhanden ist. Das ist eine andere Herangehensweise als die der Moderne des 20. Jahrhunderts, in der eher im Fokus stand, das Bestehende zu zerstören und neu anzufangen. Dazu kommt, dass der Großteil der Weltbevölkerung unter der Reproduktionsrate liegt. In dem Zustand, in dem sich die Welt befindet, ist es keine Lösung mehr, alles von Grund neu aufzubauen. Wir müssen das Beste aus dem machen, was wir bereits haben, das bedeutet auch eine adaptive Wiederverwendung. "CapitaSpring" ist ein Neubau, für den wir allerdings das, was bereits da ist, die Natur und die soziale Gemeinschaft, so gut wie möglich integrieren. Wir fügen etwas hinzu, dass dem gesamten System dient, statt zu zerstören. Das ist ein wichtiger Punkt bei diesem Projekt.
Carlo Ratti: The logic of nature is always to start from what is already there. This is a different approach than that of 20th-century modernism, which tended to focus on destroying what already existed and starting anew. In addition, most of the world's population is below the replacement rate. In the state the world is in, rebuilding everything from scratch is no longer a solution. We need to make the most of what we already have, which also means adaptive reuse. “CapitaSpring” is a new building, but we are integrating what is already there, nature and the social community, as much as possible. We are adding something that serves the entire system instead of destroying it. This is an important point in this project.
Ein lokales Food Center, das sich auf dem Grundstück befand, wurde beispielsweise in den Neubau integriert, statt es mit Luxusrestaurants zu ersetzen. Sollten ArchitektInnen die Verantwortung zu Erhaltung der lokalen Strukturen verstärkt herausstellen, um zu erreichen, dass die Gebäude von der Gemeinschaft wertgeschätzt und nicht nur genutzt werden?
Carlo Ratti: Durchaus. Im Zuge der Postpandemie und auch mit Blick auf die schrumpfende Bevölkerung ist unser Bewusstsein für die Nutzung von Gebäudebeständen gewachsen und das diese eher als Lebensräume dienen sollten, statt als monoprogrammierte Bürofläche. Das Grundstück liegt an der Market Street, eine der ältesten Straßen in Singapur. Im Laufe der Jahre hat sich dieser Ort zu einem traditionellen Geschäftsviertel entwickelt, der vor allem zwischen 9 und 17 Uhr belebt ist. "CapitaSpring" bietet nun einen Mehrwert.
Carlo Ratti, Ihre Arbeit bezieht die Forschung zur natürlichen, künstlichen und kollektiven Intelligenz wie Prozessen stark mit ein. Welche Erkenntnisse konnten Sie in das Projekt einbringen?
Carlo Ratti: Die Gestaltung nach der Logik der Natur beinhaltet, dass wir mit unseren Gebäuden auf Veränderungen reagieren können, ähnlich einem lebenden Organismus. Dank dem technologischen Fortschritt wird die Architektur mit Sensoren und Netzwerken immer anpassungsfähiger. Gemeinsam mit Ed Glaeser, Vorsitzender des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der Harvard University, habe ich kürzlich über die Idee der "Playground City" gesprochen: Zu Beginn sind Städte wie ein kleiner Marktplatz und entwickeln sich dann mit den industriellen Revolutionen. Sie verändern ihre Funktion. Im Zuge der Pandemie haben sich Strömungen beschleunigt, die bereits vorhanden waren, wie das hybride Arbeiten. Das sieht man beispielsweise in den USA, wo Bürogebäude nun zum großen Teil leerstehen. Die Funktion der Stadt wandelt sich vom Arbeitsplatz zum Treffpunkt.
Unsere Gegenwart bietet neben den besprochenen Chancen auch viele Krisen, wie mit Blick auf die Ressourcen oder den Arbeitskräftemangel. Welche Lösung haben Sie für den Bau von "CapitaSpring" gefunden?
Carlo Ratti: Es geht eher um den Versuch und den Irrtum, als darum Lösungen zu finden. Jedes Projekt ist ein Experiment, eine Sandkiste. Wir sollten immer versuchen, neue Wege zu finden, die Logik der Natur in unser Denken einzubringen und aus den Fehlern zu lernen. Wir müssen uns von den bewährten Verfahren lösen, denn diese waren in vergangenen Jahrzehnten erfolgreich, sie zu replizieren ist nicht förderlich. Im Grunde genommen sperrt man die Zukunft in der Vergangenheit ein. Stattdessen sollten wir den Gestaltungsprozess an sich hinterfragen und bei jedem Projekt ausprobieren, was am besten funktioniert.
Brian Yang, die Komplexität eurer Projekte bei BIG zeigt, dass Flächen mit einer Vielzahl flexibler Nutzungen charakterisiert werden können, um den Bedürfnissen von Individuen und der Gesellschaft gerecht zu werden. Sie kombinieren Gegensätze zu einem harmonischen Ganzen. Was ist der Garant, um diese Herausforderung jederzeit erfüllen zu können?
Brian Yang: Es stimmt, dass wir eher im Bereich des Oxymorons arbeiten, um zwischen vermeintlichen Widersprüchen einen Mittelweg zu finden, der die Erfahrung aller verbessert. Ein Beispiel ist die Müllverbrennungsanlage Amager Bakke, auch CopenHill genannt, auf der wir einen Freizeitpark inklusive trockener Skipiste gebaut haben. Somit trägt der Zweckbau auch zur Lebensqualität für die Menschen in Kopenhagen bei. Ein weiteres Beispiel in Kopenhagen ist "8Tallet", das 8 Haus, bei dem Gewerbe und Wohnen eine ideale Mischung erfährt und mit einer Promenade sowie einem Radweg verbunden ist, der bis in die oberen Etagen reicht. Bei "CapitaSpring" haben wir in einer modernen Metropole mitten im Gebäude einen 30 Meter hohen Regenwald. Es ist oft die Frage "Warum nicht?", die am Anfang dieser Projekte steht. Wir wollen Räume schaffen, die das Erleben für alle verbessern. Durch das Finden eines Weges inmitten der Kontraste schaffen wir eine neue Art der Architektur.
Carlo Ratti, Sie kuratieren die Biennale Architettura 2025 in Venedig. Brian Yang, Sie leiten aktuell eine Vielzahl der Projekte bei BIG – welche Erkenntnisse nehmen Sie aus der Arbeit für "CapitaSpring" mit in Ihre nächsten Schritte?
Carlo Ratti: Als Teil unserer Aufgabe verstehe ich, dass wir im Nachgang prüfen, ob die Idee funktioniert. Die Eröffnung eines Gebäudes ist nicht das Ende. Im Fall von "CapitaSpring" hat es geklappt, den Raum für alle zu öffnen. Der öffentliche Park wird von den BewohnerInnen der Stadt wie von Touristen angenommen. Für meine Arbeit steht im Kern, dass die Natur kein Ende kennt. Sie entwickelt sich ständig weiter, wechselt zwischen den Zuständen. An diese Lehre sollten wir uns in der Architektur halten und gewillt sein, weiter zu lernen. Sehen, wie Gebäude und Mensch miteinander agieren und mit dem Wissen die nächsten Schritte setzen.
Brian Yang: Diese Erkenntnisse beeinflussen auch die Zusammenarbeit mit den BauherrInnen – zu Beginn der Planungen für "CapitaSpring" waren die großzügigen Grünflächen beispielsweise nicht vorgesehen. Gemeinsam haben wir eine Vision entwickelt, bei der die Nutzer des Gebäudes und ihre Erfahrungen im Vordergrund stehen. Das zahlt sich nun auch wirtschaftlich aus und dient als Beispiel dafür, wie wertvoll es in vielfacher Hinsicht ist, der biologischen Vielfalt in der Stadt einen Vorrang einzuräumen. Der Erfolg von "CapitaSpring" hilft uns, weitere Projekte dieser Art planen zu können.