Freundliche Krake
Der Kunde ist König – das gilt auch in der Architektur. Ohne gute Bauherrin kann ein gutes Projekt nicht entstehen. CapitaLand ist die Bauherrin hinter dem CapitaSpring-Projekt, das gerade mit dem diesjährigen Internationaler Hochhaus Preis ausgezeichnet wurde. Die CapitaLand ist aktuell eines der größten Immobilien- und Projektentwicklungsunternehmen Asiens. Sie entstand im Jahr 2000 aus einer Fusion der Immobilienabteilung der singapurianischen Staatsbank DBS mit dem Immobilienunternehmen Pidemco. Auch wenn Singapur die Heimat von CapitaLand ist und einen Schwerpunkt ihrer Projekte bildet, waren die Aktivitäten von Anfang an international ausgerichtet und wurden in den 2000er-Jahren systematisch über Malaysia, Indien, Vietnam, Australien, Japan, China und schließlich auf fast den gesamten asiatischen Kontinent ausgeweitet. Dabei hat CapitaLand ebenfalls schon immer Immobilien entwickelt, die anschließend mit Profit verkauft wurden sowie Gebäude dauerhaft im eigenen Portfolio behalten und betrieben.
So gelten Südostasien, China und Indien heute noch als die Kernmärkte für CapitaLand, während das Unternehmen allerdings mit etlichen Verästelungen und Immobilien-Trusts in über 260 Städten in mehr als 40 Ländern auf der ganzen Welt aktiv ist, darunter sind längst auch Projekte in Afrika, Europa und den USA. Zum Portfolio gehören Büro- und Wohnhochhäuser wie große Einkaufszentren, Server- und Datenzentren oder Self-Storage-Einrichtungen. Allein der für Wohnimmobilien zuständige Firmen-Arm The Ascott Limited, die seit 2008 zu CapitaLand gehört, betreibt aktuell 960 Gebäude in gut 230 Städten auf der ganzen Welt, darunter serviced Apartments-Komplexe, Hotels, Co-Living und Wohnheime für Studierende. Man darf sich die CapitaLand wohl schon als einen Immobilien-Kraken mit mindestens acht Armen vorstellen, allerdings ist dies ein freundlicher Krake. Denn schon früh hat sich CapitaLand selbst zu großer Sorgfalt bei seinen Immobilienprojekten verpflichtet. "Mit unserer gewachsenen, globalen Präsenz glauben wir, dass wir auch eine größere Verantwortung haben gegenüber den Gemeinschaften, in denen wir operieren", schreibt das Unternehmen.
Dazu gehört sowohl eine ökologisch-nachhaltige wie eine soziale Verantwortung, die man über langfristiges Engagement bei den meisten Projekten einlösen möchte. Dafür folgt CapitaLand schon länger einem selbst entwickelten "2030 Sustainability Master Plan", der von finanzieller Transparenz bis zu Energieeffizienz, Wasserwirtschaft, Wiederverwertung und sozialen Einflüssen umfassend all das abbildet, was die Staatengemeinschaft mit ihren Klimakonferenzen seit Jahren vergeblich zu lösen verspricht. CapitaLand lässt sich bei der Umsetzung dieses Masterplans von der unabhängigen Science Based Targets Initiative evaluieren. Diese hat 2022 bestätigt, dass CapitaLand mit seinem Masterplan die Erderwärmung unter zwei Grad halten kann.
Zu den Ansprüchen gehören aber auch architektonisch-gestalterische. Diesen folgt das Unternehmen, indem es immer wieder mit renommierten Architekturbüros arbeitet oder eingeladene Wettbewerbe veranstaltet. So sind unter CapitaLands Bauherrenschaft Dutzende von herausragend gestalteten Einkaufszentren und Hochhäuser entstanden. Beispiele sind die ION Orchard-Einkaufspassagen von 2010 in Singapur, mit einem angebundenen, 218 Meter hoch aufragenden Wohnturm, The Orchard Residences. Die Entwürfe stammen vom lokalen Architekturbüro RSP. Oder das gewaltige Hochhaus-Ensemble namens "Raffles City Chongqing" im chinesischen Chongqing von 2019. Es besteht aus acht Hochhäusern, von denen vier in 250 Metern Höhe eine runde Röhre namens "The Crystal" tragen, die als zweithöchste Skybridge der Welt gilt. Der Entwurf stammt vom israelisch-kanadischen Architekten Moshe Safdie, der für seine radikalen Projekte wie Habitat 67 in Montreal oder die Marina Bay Sands in Singapur weltbekannt ist. Raffles City Chongqing gilt als eines der teuersten Projekte, die in China gebaut wurden – was in China wirklich etwas heißen will.
Einen Superlativ bietet auch die von CapitaLand entwickelte Shopping Mall Jewel am Changi Airport von Singapur, die ebenfalls von Safdie entworfen wurde. In deren Zentrum bildet die Architektur üppig begrünte Terrassen wie einen Indoor-Dschungel unter einem Glasdach, das sich in der Mitte nach unten öffnet, um den größten Indoor-Wasserfall der Welt zu formen. Und wenn wir auf die Wohnungsbauprojekte der CapitaLand blicken, dann sehen wir Mega-Projekte wie etwa "The Interlace" in Singapur von 2013, ein Entwurf von Ole Scheeren und RSP, der sechsgeschossige Wohnriegel zu einem gewaltigen Stapel übereinanderstellt als seien diese Bauklötze eines besonders kreativen Kindes. Zwischen den Blöcken bleiben große Lufträume frei, was den in den Wohnungen reichlich Licht, Luft und einen relativ weiten Ausblick garantiert.
CapitaLand sagt zu diesen Projekten, man wolle nicht nur die Skyline Singapurs verschönern, sondern jedes der Beispiele sei auch nachhaltig, innovativ und gemeinschaftsorientiert entwickelt worden. Viele Projekte von CapitaLand zielen aber nicht auf solche Rekorde. Die Regel sind eher stillere Projekte wie Raffles City in Singapur. Das ist zwar ebenfalls ein gewaltiger Komplex aus mehreren Büro- und Hotelhochhäusern – darunter das kreisrunde Stamford-Hotel, Entwurf von I.M. Pei –, einer Shopping Mall und einem Konferenzzentrum. Aber dieser Komplex stammte bereits aus dem Jahr 1986, was seine silbern glänzende Aluminiumfassade bezeugt. CapitaLand übernahm ihn 2006 und begann mit einer behutsamen Renovierung und Erweiterung, damit die Einrichtung wieder aktuellen Ansprüchen genügen. Das ist ein nachhaltigerer Umgang mit bestehenden Gebäuden, als die sonst weit verbreitete Praxis von Abriss und Neubau.
Auch das Einkaufszentrum Bugis+ in Singapur blieb erhalten, nachdem CapitaLand es 2011 übernommen hatte. Der Entwurf des vielfach abgerundeten Baukörpers stammt von WOHA Architekten, die wunderbar abstrakte Medienfassade aus leuchtenden Schneekristallen vom Berliner Büro realities:united. Unter dem alten Investor lief die Mall nicht besonders gut. CapitaLand veränderte vor allem die BesucherInnenführung und die Zugänglichkeit, seitdem laufen die Geschäfte besser und die Fassade zeigt sich noch immer als besonders spielerisches Stück Architektur. CapitaLand konnte mit dem Projekt beweisen, dass sie ein Herz für ambitionierte und durchaus verspielt experimentelle Architektur hat – und darüber hinaus auch weiß, wie man diese professionell und dauerhaft betreiben kann.
Mit solchen Ambitionen ist es wenig verwunderlich, dass Projekte der CapitaLand bereits mehrere Male für den Internationaler Hochhaus Preis nominiert waren, der seit 2004 vom Deutschen Architekturmuseum und der Stadt Frankfurt am Main vergeben wird. Die erste Nominierung hatte 2014 das Projekt Raffles City im chinesischen Chengdu erhalten. Dessen Entwurf stammt vom amerikanischen Architekten Steven Holl, es ist wie bei den anderen "Raffles City" ein Konglomerat aus mehreren Hochhäusern, die über eine expressive Gestaltung und mehrere Skybridges verbunden sind. 2016 war mit dem "CapitaGreen", entworfen von Toyo Ito, ein 245 Meter hoher Turm nominiert, der als Vorläufer für das jetzt ausgezeichnete CapitaSpring gelten kann. Die gesamte Gestaltung des "CapitaGreen" soll einer wachsenden Pflanze nachempfunden sein. Der Turm gipfelt an seiner Spitze in einem mehrgeschossigen Gewächshaus, in dem 40 verschiedene Pflanzensorten gedeihen; darüber strecken sich zwei Stutzen wie Blätter in die Höhe. Sie sammeln den Wind ein und helfen, die Büros mit Frischluft zu versorgen sowie die Energiebilanz des Hauses zu verbessern.
2018 war wieder ein Raffles City Projekt nominiert, dieses Mal im chinesischen Hangzhou und entworfen vom niederländischen Büro UN Studio von Caroline Bos und Ben van Berkel, die mit ihren computergestützten, weichen Entwürfen eine erkennbare Handschrift entwickelt haben. Und 2002 wurde mit dem oben bereits erwähnten Werk von Moshe Safdie auch die dritte Raffles City nominiert. Es ist also kein Zufall, wenn der Internationaler Hochhaus Preis in diesem Jahr an ein Projekt von CapitaLand vergeben wird, sondern Ergebnis der kontinuierlichen Umsetzung der Ziele auf gestalterischer und ökologischer Ebene. Das Unternehmen selbst begreift "CapitaSpring" jedenfalls unbedingt als ein Symbol der eigenen Ansprüche: "CapitaSpring setzt nicht nur neue Maßstäbe für die Büros der Zukunft, sondern verkörpert auch unser Engagement für eine grünere und nachhaltigere Zukunft."