Am ersten November-Wochenende pilgerten tausende Besucher zum 15. Designers‘ Saturday in das schweizerische Langenthal – ein beschaulicher Ort zwischen Basel und Bern und gleichzeitig auch Design-Hotspot, denn die Firmen Création Baumann, Hector Egger Holzbau, Glas Trösch, Girsberger und Ruckstuhl haben hier Firmensitze und Produktionsstätten, die sie zu diesem Anlass öffneten. Als reizvoll gilt die Veranstaltung, weil sie sich deutlich von Messen unterscheidet, denn Hersteller sollen nicht einfach nur Produkte zeigen, sondern sie inszenieren, sodass sie mit den Räumlichkeiten der Firmen und ihren Produktionshallen in Dialog treten. So zumindest die Idee.
Zum diesjährigen Designers‘ Saturday, der alle zwei Jahre stattfindet, präsentierten über 70 Hersteller, Hochschulen und Designer ihre Arbeiten an neun Standorten in Langenthal. Erstaunlich war, dass nur knapp ein Viertel ortsbezogene Inszenierungen umgesetzt haben. Zu oft glichen die Präsentationen der Hersteller und Hochschulen einem gewöhnlichen, im äußersten Falle auch vollkommen uninspirierten Messeauftritt. Es scheint, als sei der kommerzielle Druck für die Hersteller gestiegen, diese Plattform verstärkt für den Vertrieb zu nutzen, statt hier den Austausch mit externen Köpfen aus Design, Kunst und Architektur zu suchen, um neue Ideen und Konzepte auszuprobieren. Nichtsdestotrotz gab es glücklicherweise auch genau jene Installationen, für die man sich gerne nach Langenthal aufmacht – und deren Qualität nun noch deutlicher hervortrat.
Gleich drei, äußerst sinnliche Installationen entwarf Studio Hannes Wettstein. Für Horgenglarus verwandelte das Studio die Kellerräume von Ruckstuhl in eine Höhle, durch die weißer Nebel waberte und Baumwurzeln von der Kellerdecke nach unten wuchsen, so als ob man sich in der Unterwelt von Kobolden befände. Im schummrigen Licht hörte man das ferne Läuten von Glocken: Eine Herde Büffel, zusammengesetzt aus Holzelementen der Horgenglarus-Objekte wie dem Stuhl „Klio“ von Studio Hannes Wettstein, grasten nickend am Höhlenende. Eine friedliche wie mystische Szenerie.
Für Bauwerk Parkett verwandelte Studio Hannes Wettstein Parkett zu Mobile-Vögeln, die dem Sonnenaufgang entgegen flogen. Und für den Überraschungsgast Bauknecht entwickelte das Schweizer Designbüro einen weißen Raum, in dem Waschmaschinen, Trockner und Kühlschränke in Schwarzlicht getaucht waren und in dem der Besucher zwischen und auf Stoffbahnen versonnen schaukeln konnte. Dass gerade solch ein Hersteller die Nähe zum Design sucht, mag erstaunen, aber man plant bei Bauknecht einen Kurswechsel: Die Weiße Ware kommt bald auch in Mattschwarz und mit neuer Keilriementechnologie. Das macht sie leise und attraktiv für den wohl gestalteten Wohnraum.
Auch Vitra überraschte mit der Präsentation „Out of the box“, die sie gemeinsam mit den Absolventen Joelle Aeschlimann und Sylvain Aebischer der Ecole Cantonale d'art de Lausanne (ECAL) entwickelt haben: In ausrangierten Spinden und Aktenschränken haben Aeschlimann und Aebischer Dioramen von Designklassikern und Designern geschaffen.
So fand man in Schubladen die Kugeln der Eames’schen Garderobe „Hang it all“, in den Spinden die hölzernen Puppen von Alexander Girard im Reigentanz und in einem Hängeregister historische Bilder von Designern wie Charles Eames. Welche Tür man auch öffnete oder an welcher Schublade man zog, immer wieder öffnete sich eine andere Geschichte aus dem Vitra-Universum.
Erstaunlich war, dass sich gerade Hersteller von technischen Produkten und Verfahren auf abstraktere Inszenierungen eingelassen haben. So etwa das begehbare Kaleidoskop-Karussel von Iria Degen für Galvolux, dem schweizerischen Glas- und Spiegelhersteller, der nun in Kooperation mit Création Baumann Sicherheitsglas anbietet, das mit Stoffen des Langenthaler Herstellers durchzogen ist. Wer aus dem vollverspiegelten Karussell heraustrat, dem wurde zwar ein wenig schwindelig, war aber dennoch beseelt vom Farb- und Lichtspiel der Installation.
Auch Hasenkopf hat seine neue Technologie in Langenthal vorgestellt: Die Firma kann nun acrylgebundenen Mineralwerkstoff gießen. Dafür haben sie Vorhänge in den flüssigen Mineralwerkstoff getaucht, gerafft und trocknen lassen, so dass ein steifer Wald aus Vorhängen entstand, hinter dem sich unterschiedliche Produkte versteckten.
Creaplant verwandelte gemeinsam mit dem Architekturbüro Herbert Bruhin die Lager von Girsberger zu hängenden Gärten. Denn das kann das Team um Firmengründer Michel Aebi am besten – schließlich sind sie „Innenbegrünungspezialisten“. Mit Topfpflanzen hat das aber wenig zu tun, vielmehr schaffen sie mit ihrem Wissen und Handwerk grüne Räume, die ein Teil der Architektur werden.
In eine Art künstliche Natur hängte Sattler seine LED-Leuchtringe und Ligalicht inszenierte seine Leuchten als Kristalle, die über einem blubbernden Becken hingen – jene Becken, aus denen in Filmen gerne die Zukunft vorhergesagt wird. Jörg Boner trennte für seine Installation, die er für Schätti Leuchten entwarf, einen runden Bereich in den Werkhallen von Création Baumann mit Tyvek-Vlies ab. In dieser leuchtenden Wolke zeigte Schätti die präzisen Leuchten von Boner – in Gegenüberstellung mit den mächtigen Maschinen von Création Baumann ein gelungener Kontrast.
Pflanzen spielten bei der Präsentation von Richard Lampert ebenso eine Rolle: Die Blüten, Blätter und Stängel des Schlafmohns sind auf einem rechteckigen Teppich zu sehen, zwei runde Teppiche zeigen abstrahiert das sezierte Innenleben der Blüten. Hinter der Inszenierung verbirgt sich nicht nur die Lancierung eines neuen Produktbereichs der Firma, sondern auch eine spannende Geschichte, denn die Teppiche stammen aus Afghanistan. Der Anbau von Schlafmohn für illegale Zwecke ist für viele Bauern in Afghanistan die einzige Möglichkeit ihre Familien zu ernähren. Dabei könnte die traditionelle Handwerkskunst des Teppichknüpfens eine lukrative und legale Einnahmequelle sein. Doch dafür mangelt es an einer Infrastruktur von Händlern, Handwerkern und Transporteuren. Karin Struck, die als Mediatorin in Afghanistan arbeitet, initiierte gemeinsam mit Richard Lampert und dem Designer Alexander Seifried, der die Teppichmuster entwarf, das Projekt, um diese Infrastruktur aufzubauen. Es hat viel Geduld und Einsatz von Lampert, Struck und Seifried abverlangt und so möchte man am liebsten auf den Teppichen Platz nehmen, um Lamperts und Seifrieds Berichten zu lauschen.
Doch wie präsentierten sich die Hersteller selbst, die für den Designers‘ Saturday ihre Hallen zur Verfügung stellen? Création Baumann zeigte ein sinnliches Schattenspiel mit „Reverso“, einem Trennvorhang aus Tyvek entworfen von dem schweizerischen Nachwuchs-Designer Yann Mathys, der durch Handstreichen Verschattung ermöglicht. Création Baumann wird diese filigrane Wand gemeinsam mit dem Designer zur Marktreife und in drei Varianten weiterentwickeln – auch wenn diese nicht aus herkömmlichem Stoff gefertigt ist.
Bei Glas Trösch konnte man dagegen auf Xylophonen aus Glas musizieren. Eingerahmt wurden die Instrumente von dem Regalsystem „Pile“ des schweizerischen Designers Moritz Schmid für Glas Trösch, das aus eingefärbtem Glas gefertigt ist und dessen Böden von filigranen Holzelementen gehalten werden. Dadurch scheinen die Regale zu schweben – so leicht und durchsichtig wirken sie.
Besonders viel Mühe bei der Wegführung gab sich Girsberger: Die aus Blisterfolie gefertigten, großen Dreiecke zeigten in die zu folgende Richtung und führten sicher durch die Hallen. Um die Kompetenz in Sachen Holz hervorzuheben, zeigte Girsberger den Besuchern am Rande des Parcours verschiedene Holzsorten. Auch wenn das zunächst etwas pädagogisch wirkte, so stieg die Neugier beim Anfassen und Fühlen der Hölzer.
Ruckstuhl hatte extra eine kolumbianische Strickerin einfliegen lassen und zeigte, wie rasant Handarbeit sein kann. Die Dame strickte in atemberaubender Geschwindigkeit Bahnen für den Teppich „Maglia“, dass wohl allen Hobbystrickern die Luft weg blieb. Das Besondere ist die Geschichte von „Maglia“, der aus der kolumbianischen Naturfaser Fique hergestellt wird. Eine Faser, die vorwiegend für Kaffeesäcken und Landwirtschaftsprodukte verwendet und nun in Kooperation mit einer Strickmanufaktur von Hand gesponnen und mit großen Stricknadeln zu Teppichen verstrickt wird.
Auch wenn dieser Designers‘ Saturday kommerzieller war als zu den Veranstaltungen davor, so bot der Rundgang doch genug Inspiration und Abwechslung, um aus der gewohnten Perspektive aufs Design herauszutreten. Die Stimmung war entspannt und man sah besonders viel Fachpublikum, Architekten, Designer und Einrichter, neben den eidgenössischen Designinteressierten und natürlich den Langenthalern selbst, die lustvoll durch die Räume wandelten, nach besonderen Attraktionen Ausschau hielten und sich am Ende jedes Parcours lukullisch erquicken konnten. Dass der Publikumspreis an die kolumbianische Strickerin ging, die mit ihren langen Fingernägeln noch jede Masche trotz Lichtgeschwindigkeit richtig strickte, verwundert daher nicht, da hier besonders schön der Kontrast von Maschine und Handarbeit zum Ausdruck kam. Für die Installation von Jörg Boner für Schätti Leuchten regnete es am Ende Gold beziehungsweise gab es den Gold-Award des Designers‘ Saturday. Silber konnte sich Studio Hannes Wettstein zusammen mit Horgenglarus für die Büffel im Schweizer Untergrund sichern – ebenso wie Axor mit seiner Seifenschauminszenierung bei Girsberger.