Béton brut islandais
Island steht normalerweise nicht im Zentrum des Interesses, wenn es um moderne Architektur geht. Aktuell erhält allerdings eine brutalistische Villa der Anfang des Jahres verstorbenen Architektin Högna Sigurðardóttir in Reykjavik einige Aufmerksamkeit, da sie gegenwärtig zum Verkauf angeboten wird. Die 1929 geborene Sigurðardóttir studierte an der Pariser Ecole des Beaux-Arts und kehrte kurz nach Ihrem Abschluss 1960 nach Island zurück. Das zwischen 1961 und 1964 entstandene Haus in der Brekkugerði 19 war ihr Erstlingswerk in ihrer Heimat und gleichzeitig das erste von einem weiblichen Architekten in Island errichtete Gebäude.
Die Villa ist in seiner Formensprache höchst zeittypisch und lässt die französischen Einflüsse seiner Schöpferin deutlich ablesen: Rauer Sichtbeton bestimmt den Gesamteindruck im Inneren und Äußeren. Auch die dekorativen Elemente des Hauses – monumentale Fensterrahmungen und Brüstungen, einen blockhaften Kamin und Sitzbänke – formte Sigurðardóttir ganz im Geiste des Brutalismus aus diesem Baustoff. In den Innenräumen kontrastierte sie ihn mit verschiedenen Materialien – Holz, Ziegel, Naturstein – und schuf so spannungsvolle Interieurs. Die zahlreichen Möbeleinbauten lassen dabei erkennen, dass die Inneneinrichtung für die Architektin elementarer Bestandteil ihres Entwurfes war. Das Zentrum des Hauses bildet eine feingliedrige Wendeltreppe, die die Wohn- und Schlafräume im Obergeschoss mit einem großen Poolbereich im Sockelgeschoss verbindet. Das blaue Wasser verbreitet hier eine fast mediterrane Atmosphäre, die der isländischen Betonburg eine überraschend heitere Note verleiht.