STYLEPARK LIGHT + BUILDING 2020
Meisterstücke in der Wohncollage
Wir treffen Annetta Palmisano und Claudia Herke in ihrem Frankfurter Büro. Seit mehr als 10 Jahren analysieren die beiden Designerinnen zusammen mit ihrem Berliner Partner Cem Bora für die Weltleitmesse Light + Building Events und Messen, Ausstellungen und Alltägliches. Dabei gibt es praktisch nichts, was nicht für sie relevant ist. "Denn wir können nicht nicht nach Trends und Entwicklungen Ausschau halten. Die 'Trend-Brille' ist immer aufgesetzt.", erklärt Annetta Palmisano lachend. Und fügt an: "Wir beobachten und ordnen das Gesehene: Aber wir bewerten nicht." Auch für diesjährige Messe haben Annetta Palmisano, Claudia Herke und Cem Bora die Essenz der aktuellen Entwicklungen der Branche zusammengefasst und erlebbar gemacht. Ein Sneak Peak auf das diesjährige Trendforum der Light + Building 2020:
Adeline Seidel: Oft bedarf eine Produktentwicklung von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt länger als zwei Jahre. Ist es bei solchen Entwicklungszyklen nicht schwierig, alle zwei Jahre neue Trends zu identifizieren? Wie gehen Sie vor?
Annetta Palmisano: Wir beobachten Produktdesign, Architektur und Industriedesign und analysieren und sortierten das Gesehene. Daraus lassen sich Muster und Entwicklungen ablesen, die gebündelt wiederum Trends darstellen. Natürlich interessieren uns auch sozio-kulturelle Strömungen. Aber wir versuchen unsere Trends sehr marktnah zu gestalten. Wir bilden also Trends ab, wir "entwickeln" sie nicht.
Claudia Herke: Möbeldesign ist für unsere Arbeit ein ausschlaggebender Faktor für die Trendthemen der Light + Building: Formensprache, Oberflächen, Materialtendenzen und Fügungen beeinflussen natürlich auch das Leuchtendesign. Daher zeigen wir auf der Light + Building 2020 im Trendforum auch Interieur Trends – denn Licht kann nicht ohne Umfeld wirken.
Welche Trends stellen Sie in 2020 vor und wie unterscheiden sich diese untereinander?
Annetta Palmisano: In diesem Jahr legen wir den Fokus auf drei sehr unterschiedliche Entwicklungen: "Organic Sculptures", "Studied Masterpieces" und "Inventive Collages". Beginnen wir mit Organic Sculptures: Wir haben beobachtet, dass es viele runde, gedrungene, mollige Formen gibt – im Möbeldesign ebenso wie bei Wohnaccessoires. Designer sind auf der Suche die beste Form für ein Material zu finden.
Claudia Herke: Vertieft man dann die Suche nach solchen Bespielen, entwickelt sich durch die Fotos und Illustrationen der Gestalter auch eine dem Trend inhärente Farbwelt: Zumeist sind die Räume und Hintergründe in einer weißen, neutralen Farbumgebung. Dadurch rückt die Form des Objektes oder der Leuchte in den Vordergrund. Und diese leuchten meist als ganzer Körper, das Licht ist oftmals diffus und weich – wie die Form selbst, für die häufig sensorisch interessante, haptische Oberflächen verwendet werden.
Die beiden Gestalterinnen arbeiten mit großen Collagen, die sie mit viel Akribie immer weiter verfeinern: Es sind beeindruckende Sammlungen aus Fotografien, Produktbildern und Materialien, die von einer intensiven Materialrecherche zeugen. Wir wandern zu den Collagen, die "Studied Masterpieces" beschreiben:
Claudia Herke: Bei diesem Trend zeigt sich deutlich eine architektonische Ausrichtung. Alle Produkte zeichnet der durchdachte, absolut präzise konstruierte, durchaus systemtaugliche Entwurf aus. Auch die Farben sind sehr architektonisch: Viel Schwarz, mitunter kontrastreich kombiniert, Metalle und eine minimalistische Ästhetik prägen "Studied Masterpieces".
Annetta Palmisano: "Studied Masterpieces" darf man aber nicht auf harte Oberflächen und gerade Linien reduzieren. Das würde zu kurz greifen. Schließlich hat der Trend durchaus komfortable Aspekte, gerade bei Möbeln und Textilen. Da geht es in Richtung Klubmöbel – zeitloses, nicht dekoratives Design. Das Streben nach Qualität vereint alle Objekte dieses Trends.
Den dritten Trend bezeichnen sie als "Inventive Collage"…
Annetta Palmisano: Hier zeigt sich, dass Kunst einen starken Einfluss auf Design hat. Nehmen wir zum Beispiel die Leuchten der Designerin Elena Salmistraro und ihre Kollektion "Miami" für Il Fanale / Torremato: Die Objekte sind absolut eigenständig, sie wollen gesehen werden und oszillieren zwischen Kunstobjekt und Leuchte. Die Funktionalität der Leuchte ist nicht unwichtig, steht aber nicht im Vordergrund. Lebendige Farben und Optimismus prägen den Trend.
Aber Objekte, die zwischen Kunst und Design stehen, gab es doch schon immer. Was also beschreibt dieser Trend Neues?
Claudia Herke: Jedes Element, auch wenn es aufgeräumt wirkt, hat einen künstlerischen spielerischen Aspekt. Selbst ein funktionales Produkt wie simple Hocker werden wie ein Kunstwerk inszeniert. Es ist eine Inszenierung von Einzelobjekten zu einem Gesamtkunstwerk.
Wie kann man diese Entwicklung erklären?
Annetta Palmisano: Ich denke, ein Grund ist die immer stärkere Zusammenarbeit von Stylisten mit Herstellern und Designern. Es reicht nicht mehr ein Produkt nur gut zu fotografieren. Sein Charakter wird auch über die Inszenierung definiert. Stylisten schaffen Identitäten. Und zugleich entstehen Bilder, die sich in Zeiten von Instagram hervorragend verbreiten lassen. Diese Bilder beeinflussen natürlich unsere Vorstellungen von Wohnräumen – und damit das Design.
Was erwartet den Besucher auf dem Trendforum?
Claudia Herke: Wir sind umgezogen: Das Trendforum befindet sich nun in Halle 6.2. Für den neuen Platz haben wir eine markante Farbwelt entwickelt, die Orientierung schafft und ihn zum Blickfang werden lässt. Darüber hinaus verweben wir das Forum mit dem Gang, um eine großzügigere Situation herzustellen. Neben den drei Bereichen für die Trends ist auch ein Café vorgesehen, in dem Events und Vorträge stattfinden können.
Annetta Palmisano: Ein textiles Bandmaterial, das zwischen Decke und Boden gespannt wird, zoniert die Trends und formt organische Räume, in denen atmosphärisch Anwendungsszenarien gezeigt werden. Jeder Trend wird seiner Ästhetik entsprechend inszeniert: So bestehen die maßgefertigten Möbel bei "Inventive Collage" beispielsweise aus kunstvoll bemalten Glasoberflächen.
Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Welche Themen werden auf der Light + Building 2026 relevant sein?
Annetta Palmisano: Die ökologischen Probleme fordern Design- und Material-Alternativen und die Suche nach innovativen Werkstoffen treibt viele Designer an - sie konzentrieren sich auf Materialforschung und Lösungsfindung. Das ist ein wichtiges Thema und wird es auch bleiben.
Claudia Herke: Und auch der 3D-Druck wird noch spannende Entwicklungen erleben. Das Verfahren nimmt wieder Fahrt auf. Im Sinne von neuen Materialien und materialsparend produzieren wird es noch relevanter werden.
Aufgrund der weltweiten Verbreitung des Coronavirus wird die Light + Building im Jahr 2020 ausgesetzt. Die kommende Weltleitmesse für Licht und Gebäudetechnik findet vom 13. bis 18. März 2022 in Frankfurt am Main statt.