MOBILITÄT
Energiekonzepte
Der amerikanische Maler und Bildhauer Jeff Koons ist einer der bekanntesten zeitgenössischen Künstler der Welt, seine Werke erzielen stetig Preisrekorde – wie die Skulptur "Rabbit", die im Jahr 2019 für 91 Millionen US-Dollar im Auktionshaus Christie’s versteigert wurde. Als Inspiration für seine großformatigen Gemälde in Neo-Pop-Ästhetik und überdimensionalen Hochglanzsklupturen aus Edelstahl dienen alltägliche Gegenstände und Werbebilder unserer Konsumkultur. Jeff Koons trägt im Schaffensprozess die Rolle des Ideengebers, realisiert werden die Arbeiten vorwiegend von seinem Team. Er knüpft zudem Bande mit der Industrie, wie im Zuge seiner Kooperation mit BMW, für die er 2010 eine "BMW Art Car" entwarf – eine Aufgabe, mit der die bayerische Motorenschmiede auch schon andere Größen der Kunstwelt wie etwa Alexander Calder (1975), Andy Warhol (1979), Esther Mahlangu (1991), David Hockney (1995) oder Olafur Eliasson (2007) betraut hatte. "The 8 X Jeff Koons", eine limitierte Interpretation des "M850i xDrive Gran Coupé", ist das aktuelle Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen Jeff Koons und BMW.
Alexander Russ: Wie kam die Kooperation mit Jeff Koons zustande?
Corona Döring: Die Kooperation für "The 8 X Jeff Koons" geht auf das Jahr 2018 zurück. Allerdings hat BMW im Rahmen der "BMW Art Car"-Serie bereits 2010 mit Jeff Koons zusammengearbeitet. Es gibt thematische Schnittstellen, die sowohl ihn als Künstler wie uns als BMW-DesignerInnen interessieren – zum Beispiel die Interaktion von Mensch, Raum und Energie.
Steven Wörns: Seit dem gemeinsamen "BMW Art Car" in 2010 standen BMW und Jeff Koons stets im Austausch miteinander. Die Beziehung zwischen ihm und BMW ist über die Jahre gewachsen und man fühlt sich gegenseitig sehr wohl miteinander, fast schon familiär. Und vielleicht bringt uns genau diese besondere Beziehung auch in Zukunft abermals zusammen.
Handelt es sich beim "The 8 X Jeff Koons" um ein neues "BMW Art Car"?
Corona Döring: Die neue Kooperation ist ein Sonderfall, da das Auto kein Einzelstück ist, sondern in einer Gesamtauflage von 99 Einheiten produziert wird und tatsächlich auf die Straße kommt – das heißt es gibt eine Straßenzulassung und auch Reparaturkonzepte wie etwa für die Lackierung. Das hat natürlich ganz andere Voraussetzungen geschaffen.
Steht das für die Zusammenarbeit verwendete Auto – ein "M850i xDrive Gran Coupé" – nicht im Gegensatz zu einer Nachhaltigkeitsagenda, wie sie BMW zuletzt mit dem "BMW i Vision Circular" präsentiert hat?
Steven Wörns: Der "The 8 x Jeff Koons" ist inspiriert aus der "BMW Art Car"-Historie, die bis auf das Jahr 1975 zurück geht. Mittlerweile gibt es 19 dieser "BMW Art Cars" und ein großer Teil der Fahrzeuge kommt aus dem Rennsport – wie etwa der "BMW M3GT2", den Jeff Koons 2010 gestaltet hat. Das sind alles Autos, die für Kraft und Geschwindigkeit stehen. Daran wollte Jeff Koons mit seinem künstlerischen Konzept anknüpfen. Der BMW 8er schien daher die richtige Wahl für ihn.
Corona Döring: Die Kunst von Jeff Koons ist sehr expressiv und das Energetische interessiert ihn sehr. Das war auch der Ausgangspunkt für sein Konzept: ein Transportieren von Energie und deren Wirkung auf die Passagiere. Man sieht das zum Beispiel an der prägnanten Grafik, die das Auto komplett überzieht, aber auch am Farbkonzept und der Sitzgestaltung.
Gehört zum künstlerischen Konzept nur die Oberfläche oder auch die Konstruktion des Autos?
Corona Döring: Es handelt sich um ein reines Farb- und Materialthema. Es gab also keine geometrischen oder technischen Anpassungen des Autos.
Ein weiteres Element der Kunst von Jeff Koons ist das Aufgreifen von profanen Alltagsgegenständen, die in seiner Kunst dann überhöht und veredelt werden. Etwas ähnliches passiert ja auch bei "The 8 X Jeff Koons", indem er eine comicartige Grafik auf eine luxuriöse Limousine wie den "M850i xDrive Gran Coupé" aufbringt.
Corona Döring: Die Grafik steht dabei aber komplett im Vordergrund. Das sieht man unter anderem daran, wie er mit den sogenannten Charakterlinien – also den Linien, die sich aus dem geprägten Blech der Karosserie ergeben – umgeht. Die comicartigen Grafiken brechen die geometrische Struktur des Autos auf und nehmen ihm dadurch die Strenge. Das mag auf den ersten Blick willkürlich erscheinen, ist in seiner Platzierung und Wirkung aber ganz bewusst von Jeff Koons und seinem Team geplant worden. Ein Beispiel ist der Stern am Frontend des "M850i xDrive Gran Coupé", bei dem es ein millimetergenaues Abwägen zwischen den technischen Möglichkeiten und der künstlerischen Intention gab.
Sie haben anfangs das Farbkonzept erwähnt. Können Sie uns mehr darüber erzählen?
Corona Döring: Jeff Koons ist sehr an technisch-handwerklichen Prozessen und der konkreten Umsetzung interessiert. Das sieht man auch an seinen anderen Kunstwerken. Bei seinem "The 8 X Jeff Koons" sind sehr viele Farben in unterschiedlichen Kombinationen im Spiel. Die Farbabstimmung ist dabei in einem engen Austausch von Farbmustern zwischen München und New York und einem Ringen um jede Nuance entstanden. Es gab auch einen Workshop mit ihm in unserem Werk in Dingolfing, wo dann die finalen Farben an einem konkreten Modell getestet und anschließend festgelegt wurden.
Wie wurde die Grafik auf dem Auto aufgebracht?
Corona Döring: Das war eine der großen Herausforderungen des Projekts, da die Grafik in einem händischen Prozess realisiert wurde. Der erste Ansatz bestand darin, die einzelnen Grafikelemente mit Hilfe von Schablonen aufzubringen. Das war aber aufgrund des Zusammenspiels aus der Geometrie des "M850i xDrive Gran Coupé" und der Grafik nicht ganz einfach. Hinzu kam, dass "The 8 X Jeff Koons" nicht ein einzelnes Auto ist, sondern in einer Gesamtauflage von 99 Einheiten produziert wird. Wir mussten also nicht nur gewährleisten, dass die Vorgaben von Jeff Koons exakt umgesetzt werden, sondern dass das künstlerische Konzept auch reproduzierbar ist.
Wie sah die konkrete Lösung aus?
Corona Döring: Das Ganze wurde mit Halbzeugen, die formbündig auf der Karosserie liegen, umgesetzt. Diese haben die Struktur vorgegeben, die es uns ermöglicht hat, mit Folien und Schablonen zu arbeiten. Das ist insgesamt sehr aufwändig und erfordert ein hohes Maß an Konzentration.
Die Expressivität der Karosserie setzt sich auch im Innern in Form der Farbigkeit und der gewählten Materialien fort. Können Sie uns mehr darüber erzählen?
Corona Döring: Die Farbwirkung im Innern des Autos hat wie auch das Äußere einen gewissen Überraschungseffekt. Die ungewöhnlichen Farbkombinationen sorgen für eine Spannung, die dann ebenfalls eine gewisse Energie erzeugt. Allerdings ist Jeff Koons stärker auf die jeweiligen Geometrien eingegangen um, wie er sagte, "die Farben darüber fließen zu lassen" und dadurch einen energetischen Fluss zu erzeugen. Man findet im Übrigen auch hier seine Passion für handwerkliche Details wieder, zum Beispiel in der Entscheidung, mit welchem Nähfaden die Ledersitze genäht werden sollten. Insgesamt war er sehr in den Prozess involviert – es war eine echte Teamarbeit.