Blickpunkt: Architektinnen – Petra Wörner
Wie wird man Krankenhausarchitektin? Als solche gilt Petra Wörner, als solche ist sie in Jurys und Gremien gefragt. Das liegt sicher auch an der schieren Anzahl an Krankenhausprojekten, die seit Jahrzehnten vom Büro wörner traxler richter realisiert werden, wenngleich auch Schulen, Kitas, Hotels, Kultur-, Lehr- und Forschungsgebäude und Sanierungsprojekte auf der Agenda des Büros stehen. Aber es hat auch mit der Zuwendung den Patienten und den Bauherren gegenüber zu tun. "Schöner heilen" ist ein Credo, das das Wohl der PatientInnen und derer, die sich um sie kümmern, in den Vordergrund stellt. Die Entwicklung eines Markenauftritts zum Beispiel ist für Betreiber von Klinken ein Pluspunkt im Konkurrenzkampf auf dem Gebiet des Gesundheitswesens, in eine Einrichtung, die nicht jeder freiwillig betritt.
Petra Wörner, 1957 in Karlsruhe als ältestes von fünf Kindern geboren, kam durch das Frankfurter Architekturbüro ihres Vaters frühzeitig mit dem Bauen in Berührung. Heinrich O. Wörner hatte seit 1971 ein erfolgreiches Büro in Frankfurt am Main geführt. Den vielbeschäftigten Vater hat sie nur erlebt, wenn er sie schon als kleines Mädchen mit zu den Projekten genommen hat, durchaus auch außerhalb Frankfurts: "Ich bin einfach hinter ihm hergelaufen, auf die Baustellen, oder habe gewartet am Rand der Sitzungen. Ich habe mich im Büro immer beschäftigt, je nach Vermögen. Als ich klein war, habe ich bunte Bilder gemalt und später Pläne farbig angelegt." Als sie Architektur studieren wollte, meinte der Vater nur, es sei ein schwerer Beruf. "Da ich ihn als Vorbild hatte, hatte ich keine Bedenken, dass es mir nicht gelingen würde, mich durchzusetzen und habe mir daher auch nie Gedanken darüber gemacht, dass ich eine Frau bin." Auch im Studium war alles gleichberechtigt und später im Büro war das nie eine Frage. Petra Wörner studierte an der Universität Stuttgart. Dort war es ihr schließlich "zu dröge" und sie ging mit einem Fulbright Stipendium für ein Jahr an das IIT in Chicago, ehe sie in Stuttgart diplomierte. Anschließend arbeitete sie in Chicago und in New York.
Durch ihren Mann, einen Geigenbauer und Instrumentenrestaurator, hat sich ihr früh die musikalische Welt erschlossen. Sie besuchte auch das Konservatorium, was sie als sehr bereichernd empfand. Über die akustische Räumlichkeit gibt es die Verbindung zur Architektur. Sie hielt sich nebenher an der Kunstakademie auf, fotografierte viel und nutzte dort das Fotolabor sowie die Materialwerkstätten. "Ich war ganz glücklich, dass ich dort Malerei und Skulptur erleben konnte, das nimmt man ja dann mit, in so einer Atmosphäre".
Beim Bauen interessierte sie vor allem das Konstruieren, das Detaillieren, die Umsetzung von Material in Formen und Konstrukte (der darin ausgewiesene Peter C. von Seidlein war an der TU Stuttgart ihr Diplomvater). Eine Tätigkeit, die zu ihrem Leidwesen im Büroalltag immer mehr vom Organisieren und Managen verdrängt wurde. 1984 trat sie ins väterliche Büro ein, das auf Krankenhausbau spezialisiert war. Ab 1993 bildete sie mit Stefan Traxler und Martin Richter die zweite PartnerInnengeneration mit Standorten in Dresden, München und Basel. Zwischenzeitlich woernerundpartner genannt, firmiert das Büro seit 2013 unter wörner traxler richter und inzwischen ist der Kreis der PartnerInnen in der dritten Generation an allen Standorten bereits deutlich angewachsen. Beim Eintritt in das laufende Büro war sie durchaus unschlüssig. Weitermachen wie bisher? Oder ein neues Büro gründen? Denn die Architektursprache der 1980er Jahre, speziell im Krankenhausbau, war damals eher ein Feindbild. Aber der Vater hat den jungen PartnerInnen freie Hand gelassen. Er war anfangs Prinzeps, Akquisiteur und Mentor, bis die Jungen schrittweise übernahmen. In ihren Wettbewerbsarbeiten entwickelten die NachfolgerInnen den Standpunkt, dass Kliniken nicht mehr nur reine Funktionsmaschinen, sondern städtebaulich wirksame und markante Architekturindividuen sein sollten.
Es gibt zahlreiche Büros, deren Inhaber gleichzeitig Büro- und LebenspartnerInnen sind. "Ich habe mich schon im Studium bewusst gegen eine Beziehung zu einem Architekten entschieden, ich wollte nicht in die zweite Reihe. Ich habe beobachtet, dass man als Frau durch das Repertoire an Empathie in die zweite Reihe rutscht. Und wenn ich gekämpft habe, dann nie mit Handwerkern, sondern mit meinen eigenen Partnern. Partnerschaft im Büro ist ja auch Konkurrenz, die fördert und befruchtet." Die Frage, sich in den Verbänden für die Sache der Frauen in der Architektur einzusetzen und zu kämpfen, blieb im Hintergrund angesichts der Herausforderungen, ein großes Büro zu führen und am Laufen zu halten. "Ich wollte mich nicht in diese Männlichkeit-Weiblichkeit-Diskussion einmischen. Ich sah keine Notwendigkeit und wollte es damit nicht befeuern. Ich bin auch gegen die Quote, weil ich glaube, dass es besser ist, dass man aus sich als Individuum heraus wirkt. Frauen arbeiten tiefgründig, akkurat, konzentriert. Jeder Strich ist überlegt und sitzt. Eine andere Herangehensweise als die der Männer. Beide Temperamente sind im besten Sinne zusammenzuführen. Es gibt ja auch ganze Kongresse, wo darüber gesprochen wird, ob es eine weibliche Architektur gibt. Das glaube ich nicht".
Petra Wörner sieht den Beruf als sicher immer noch männlich dominiert, aber nicht so, dass die Frau deswegen Nachteile hätte. Zwischen Bauherr und Architekt gibt es eine andere Kommunikationsform, als wenn Bauherr und Architektin miteinander kommunizieren. Zwischen Bauherrn und Architekten entstehen zuweilen "Männerfreundschaften", die sich bis zu persönlichen Freundschaften entwickeln können. Petra Wörner hat das so nicht erlebt, weil Mann und Frau über den professionellen Weg nicht befreundet sein können. Aber die Arbeitsbeziehung Mann-Frau habe andere Möglichkeiten, niedrigschwellige Offenheit zum Beispiel. "Vielleicht setze ich auch meinen Charme ein…". Man möchte ja etwas erreichen, und die ArchitektInnen sind oft die Einzigen, die dieses Ziel vor Augen haben. Die anderen Beteiligten sind oft ausschließlich materiell orientiert. "Ich will etwas in der Sache erreichen, und dabei ist mir jedes Mittel recht". Fast jedes Mittel, darf man wohl vermuten, denn in gutem Sinne soll das gemeinsame Ziel erreicht werden, das die ArchitektInnen anstreben, wofür sie ausgebildet sind. "Es ist ein ganz wichtiger Prozess im Werden eines Gebäudes, wenn der Bauherr das am Ende auch als gelungen empfindet. Das Ausfechten, wie unter Männern häufig üblich, versuche ich zu vermeiden. Das ist für mich die einzige interessante Genderfrage." Ich möchte stattdessen für junge Architektinnen ein Vorbild sein. "Dieses Büro als Kosmos zu entwickeln und kompatible Arbeitsmöglichkeiten für Frauen zu schaffen, das war immer mein Anliegen. Ich habe selbst zwei Kinder und kenne die Zwänge, die der ArchitektInnenberuf mit sich bringt und habe das Anliegen, dieses Büro so einzurichten, dass die Frauen diesen Beruf ambitioniert ausüben können".
Das ging einher mit dem Bestreben, den ehemals arrivierten spezialisierten Krankenhausplanern immer auch junge, kreative ArchitektInnen zur Seite zu stellen. Gute Architektur sollte immer der erste Schritt sein, die "Domestizierung" der gestalterischen Qualitäten durch hohe Funktionalität der zweite. Ein Krankenhaus ist heute nicht mehr ausschließlich zum Heilen da, sondern ein Ort der Behandlung. Gesund wird man zu Hause. Also muss man sich vielmehr wertschätzend um die Menschen kümmern, die dort arbeiten, die das Gebäude täglich benutzen. Das Büro wörner traxler richter hat diese Zusammenhänge in dutzenden von Projekten, meist größeren Umfangs, durchdekliniert. Ganze typologische Reihen von Klinikbauten sind entstanden, Typologien von inneren Organisations- und Ablaufplänen, die zu konkreten Bauorganismen führen, die wiederum in städtebauliche Formen gebracht werden. Besseres Arbeiten innen, qualitativer Städtebau außen, ist das Credo, denn Kliniken sind oft maßstabsprengende Bauvolumen. Ihre Akzeptanz in der Bevölkerung und ihr Erfolg hängen vom Wohlfühlfaktor der PatientInnen und von der architektonischen Wohlgestalt ebenso ab, wie von ihrem medizinischen Ruf.
Großprojekte wie Universitätskliniken in einem Büro mit 200 MitarbeiterInnen zu bearbeiten, bringt es mit sich, dass man auf Erfahrungen und bewährte Einzellösungen zurückgreift, was aber die Gefahr birgt, in Routinen zu verfallen. Petra Wörner und ihre PartnerInnen sind immer bestrebt, Innovationen in die komplexen Entwürfe einzubringen. So konnte 2022 mit dem Klinikum Frankfurt Hoechst die weltweit erste Passivhaus-Klinik eröffnet werden. In Halle entstand ein Kliniktrakt aus 255 vorfabrizierten, 4 x 4 x 11 Meter großen Raummodulen, die in beengter Situation innerhalb von zwölf Wochen montiert waren. Ein wachsendes Feld ist die Ertüchtigung von Bestandsbauten, die aus ökologischen Gründen nicht durch Neubauten ersetzt werden sollen. Das voluminöse Universitätsklinikum Münster mit den beiden charakteristischen Doppelrundtürmen ist solch ein Fall. Die Architekten Weber und Brand hatten es Ende der 1970er Jahre errichtet, ebenso wie 1971-85 das berühmt-berüchtigte Klinikum Aachen. Letzteres steht als Ikone der High-Tech-Architektur unter Denkmalschutz. Seine Sanierung durch wörner traxler richter wurde also zu einem Akt der Denkmalpflege. Solche Projekte sind willkommen in einem Architektinnenleben, das weg vom funktionalen, konstruktiven und formalen Entwerfen immer mehr Richtung Management und Betriebswirtschaft tendiert.