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Kim Le Roux (le.) und Margit Sichrovsky

Blickpunkt: Architektinnen – LXSY Architekten

In unserer Serie "Blickpunkt: Architektinnen" stellen wir Ihnen in regelmäßiger Folge das Werk von Architektinnen vor ¬– zum Beispiel die Projekte von Kim Le Roux und Margit Sichrovsky, die zirkuläres Planen und Bauen in ihre Arbeit integrieren.
von Alexander Russ | 18.09.2023

Es hat sich einiges getan in der Selbstwahrnehmung von ArchitektInnen: Während sich die Profession in den Nuller Jahren vor allem über spektakuläre Projekte und das Idealbild des international tätigen StarchitektInnen definierte, wächst seit geraumer Zeit eine Generation heran, die andere Ziele verfolgt: International vernetzt und oft mit sozialer Agenda, rütteln sie am Selbstverständnis der Branche und versuchen Lösungen, Prozesse und Projekte zu entwickeln, die einen gesellschaftlichen Mehrwert liefern. LXSY Architekten sind so ein Büro, benannt nach dem jeweils ersten und letzten Buchstaben im Nachnamen der beiden Gründerinnen Kim Le Roux und Margit Sichrovsky. Kennengelernt haben sich die beiden in Berlin. Le Roux, die teilweise in Südafrika aufwuchs und an der UCT in Kapstadt (RSA) studierte, bevor sie nach Deutschland kam, traf dort ihre spätere Büropartnerin an der TU Berlin. Gemeinsam entwickelten sie im Rahmen der gemeinsamen Masterarbeit ein Township-Upgrading-Programm in Kapstadt. Das Projekt kam ins Finale des „Better Living Challenge (BLC)“, einem Wettbewerb, der Lösungen für die schrittweise Modernisierung informeller Siedlungen in Südafrika entwickeln will.

Impact Hub im CRCLR House

Nach ersten Berufserfahrungen in verschiedenen Architekturbüros gründeten die beiden 2015 ihr Büro in Berlin. Als Vorbilder für ihre Arbeit geben sie die aus dem Alltag entwickelte Architektur von Lacaton Vassal oder den partizipativen Entwurfsansatz von Susanne Hofmann und ihrem Büro Baupiloten an. Auch die Lehre ihres Professors Peter Herrle, der in seinem Lehrstuhl Habitat Unit unter anderem Architektur und Stadtplanung mit neuen Modellen der Partizipation, Koproduktion und urbanen Governance verbindet, hat die beiden beeinflusst. Der partizipative Ansatz findet sich unter anderem im Dialog mit den BauherrInnen und späteren NutzerInnen ihrer Gebäude, die sie mit Hilfe sogenannter Co-Creation-Workshops in den Entwurfs- und Bauprozess einbinden. Dabei werden zum Beispiel Faktoren wie Lieblingsorte, der Tagesablauf und spezifische Arbeitsweisen abgefragt. Hinzu kommt, je nach Wunsch, die Teilhabe am konkreten Innenausbau als Community-Building Maßnahme.

Die Co-Creation-Workshops spielen auch beim zirkulären Planen und Bauen eine Rolle, ein Ansatz, für das LXSY Architekten wohl gerade am meisten Aufmerksamkeit erfahren. Darin sehen Kim Le Roux und Margit Sichrovsky eine Schlüsselrolle für einen nachhaltigen Wandel in der Baubranche. Wie beim partizipativen Bauen unterscheidet sich der Entwurfsprozess grundlegend von herkömmlichen Architekturprojekten: Die zur Verfügung stehenden gebrauchten Materialien, Elemente und Produkte bilden hier die Grundlage für das architektonische Konzept, das sich im Verlauf der Planung je nach verfügbarer Ressource immer wieder ändern kann. Entsprechend viel Flexibilität wird von den ArchitektInnen, BauherrInnen und HandwerkerInnen abverlangt. Die Co-Creation-Workshops helfen unter anderem dabei, die ausführenden Firmen frühzeitig einzubinden, um gemeinsam spezifische Detaillösungen vor allem im Hinblick auf die Gewährleistung zu erarbeiten.

Umbau des Impact Hubs

Obwohl das zirkuläre Planen und Bauen noch Neuland ist, gibt es bereits einige gebaute Beispiele: So verwendete das dänische Architekturbüro Lendager doppelt verglaste Altbaufenster oder eine Patchwork-Fassade aus recycelten Ziegeln für ihre Wohnbauten. Beim Projekt K.118, eine Aufstockung im Kopfbau der Lagerhalle 118 in Winterthur, setzte das Schweizer Baubüro In Situ möglichst viele gebrauchte Bauteile von Rückbaustellen aus der Umgebung ein. Ein weiteres Projekt ist das CRCLR House in Berlin, eine etwa 17 Meter lange Lagerhalle auf dem Areal der Kindl-Brauerei in Berlin-Neukölln. Das Konzept sah eine Umnutzung des Baus vor, bei dem Wohnen, Kultur und Arbeiten in Form eines Co-Working-Space zusammenkommen. Für die Sanierung und Aufstockung des Bestandsbaus planten die ArchitektInnen von Die Zusammenarbeiter GmbH eine Wiederverwendung gebrauchter Materialien und natürlicher Baustoffe. Zudem wurde auf eine Demontierbarkeit der verwendeten Materialien geachtet, um sie bei einem zukünftigen Rückbau problemlos nutzen zu können.

Das gilt auch für den Co-Working-Space im CRCLR House, der von LXSY Architekten entworfen wurde. Für den Bauherren Impact Hub hatten Kim Le Roux und Margit Sichrovsky bereits 2015 die Innenarchitektur in einem Gebäude von Werner Düttmann aus den 1960ern-Jahren gestaltet – der erste Auftrag des Büros, für den sie gleich den German Design Award 2017 erhielten. Dort planten sie auf einer Fläche von etwa 600 Quadratmetern eine Mischung aus offenen und privaten Arbeitsbereichen, die unter anderem durch multifunktionale Holzeinbauten als räumliche Kerne strukturiert werden. Für den neuen Co-Working-Space im CRCLR House verwendeten Kim Le Roux und Margit Sichrovsky unter anderem Materialien aus den ehemaligen Räumen von Impact Hub. Zudem waren sie auf Abriss-Baustellen unterwegs oder fragten Tischlereien nach Restholz. Auch über soziale Medien wie Instagram kamen gebrauchte Materialien oder Produkte zusammen. So wurde etwa ein Sofa aus einem Feinkostmarkt leicht modifiziert und ist nun Teil der Lounge.

Impact Hub im CRCLR House
Impact Hub im CRCLR House
Impact Hub im CRCLR House
Impact Hub im CRCLR House

Die Vorgehensweise zeigt den mitunter improvisierten Charakter der Planung auf, bei der zu Beginn bestimmte Materialien zusammen mit einem Farbkonzept festgelegt wurden. Die Kunst der Architektinnen bestand darin, der eingeschriebenen Zufälligkeit einen kohärenten gestalterischen Rahmen zu geben. Im Fall des neuen Co-Working-Space ist das vor allem eine industrielle Ästhetik, in der sichtbare Verbindungselemente wie Schrauben zum bewussten Stilmittel werden. Allerdings ist die Gestaltung auch funktional begründet, da sie aufzeigt, wie sich spätere Änderungen vornehmen lassen. Und tatsächlich wurden bereits Elemente für eine bessere Akustik von den NutzerInnen hinzugefügt. Gleichzeitig sorgt das vermeintlich Unperfekte für eine gewisse Vielfalt, zum Beispiel in Form einer Telefonbox, die mit unterschiedlichen Holzsorten verkleidet wurde.

Neben den beiden Co-Working-Spaces für Impact Hub haben LXSY Architekten auch andere Arbeitsräume gestaltet – etwa einen Co-Working Space für Full Node in Berlin, der für Blockchain-Unternehmen gedacht ist. In einem 1927 erbauten ehemaligen Postgebäude entwarfen Kim Le Roux und Margit Sichrovsky eine Struktur aus geschlossenen und offenen Bereichen für eine Fläche von rund 1.000 Quadratmetern. Auch hier gliedern eingestellte hölzerne Boxen den offenen Grundriss des Bestands. Das Konzept folgt einer Idee der Vernetzung: So fassen umlaufende Lichtbänder die einzelnen Bereiche zusammen, während sich der Blockchain-Code auf den innenliegenden Glaswänden der Büros wiederfindet und als Wegeleitsystem dient.

Co-Working Space für Full Node
Co-Working Space für Full Node
Co-Working Space für Full Node

Mittlerweile operiert das Büro aber auch in einem größeren Maßstab. Ein Beispiel ist das Projekt "Der neue Stöckach" in Stuttgart, das im Rahmen der IBA `27 entstehen soll. Auf dem ehemaligen, 7,25 Hektar umfassenden Betriebsgelände der EnBW ist ein Quartier geplant, das Arbeiten und Wohnen miteinander verbindet. Dort entwickeln Kim Le Roux und Margit Sichrovsky zusammen mit asp Architekten gerade ein Konzept für einen Block mit 76 Wohn- und sechs Gewerbeeinheiten. Hinzu kommen zwei Bestandsgebäude, in denen zukünftig ein Mobility Hub, Coworking, Gewerbe und Gastronomie untergebracht werden sollen. Angedacht sind auch zwei Dachterrassen für Urban Gardening. Die Planungen für alle drei Gebäude beinhalten zudem Ansätze des einfachen, zirkulären und ressourcenschonenden Bauens und folgen den Prinzipien "form follows simplification" und "form follows availability". Dies beinhaltet sowohl eine Vereinfachung als auch eine Rückbaufähigkeit der Konstruktion, um dadurch so wenig Ressourcen wie möglich zu verbrauchen.

So liegt dem Neubau ein Raster mit tragenden Stützen und aussteifenden Treppenhauskernen zugrunde. Für einen der drei Gebäudeteile soll die Rasterstruktur aus RC-Betonfertigteilen bis nach außen geführt und dessen Verglasungen und Backsteinausfachungen aus dem Rückbaumaterial der Bestandsgebäude gewonnen werden. Für die Fassaden eines weiteren Gebäudeteils ist eine Verkleidung aus recyceltem Holz vorgesehen. Die Flexibilität der Tragstruktur und Grundrisse bilden auch die Grundlage für einen späteren sortenreinen Rückbau, um das Gebäude als zukünftiges Materiallager zu nutzen. Allerdings pausiert das Projekt gerade. Als Grund gibt der Bauherr, der Energiekonzern EnBW, die Rahmenbedingungen auf dem Immobilienmarkt wie etwa die gestiegenen Baukosten und Zinsen für Baukredite an. Das ist keine gute Nachricht für einen Markt, der nicht nur dringend neuen Wohnraum benötigt, sondern auch zukunftsfähige und ressourcenschonende Wohnkonzepte. Bleibt zu hoffen, dass Kim Le Roux und Margit Sichrovsky ihre Ideen und Konzepte an dieser oder anderer Stelle noch umsetzen können – und so einen Wandel in der Baubranche anstoßen.