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Bitte mit Aha-Effekt!
Von Martina Metzner | 16.04.2014

Wie zur Garantie, dass man es drauf hat, steht fast an jedem zweiten Stand: ein Stuhl. Der Stuhl als das Nonplusultra des gestalterischen Ausdrucks, als das Aushängeschild für das eigene Können, den Umgang mit Handwerk und Technologie und nicht zuletzt für die Haltung, die dem Gestalten zugrunde liegt. Wir sind auf dem Salone Satellite in Halle 13/15, wo sich die Jugend des Designs versammelt – in diesem Jahr 650 Talente an rund 120 Ständen –, wobei ein jeder hofft, eine Karriere wie die von Stefan Diez oder Sebastian Herkner starten zu können, die hier auf dem „kleinen“ Salone entdeckt wurden.

Umsonst gibt’s die Chancen nicht. Rund 2.700 Euro kostet die Standgebühr. Knapp die Hälfte der Teilnehmer ist bereits zum zweiten Mal dabei, alle sind sie noch keine 35 Jahre alt und haben ihr Studium erst vor kurzem abgeschlossen – oder sind noch dabei. Der Weg ins unabhängige Designerleben erfordert Durchhaltevermögen. Beim deutschen Duo Geckeler Michels – sprich David Geckeler und Frank Michels aus Berlin – kann man von einem ersten Etappensieg sprechen: Er steht still und stumm in der hintersten Ecke, der „Nerd Chair“ für Muuto – als Sitzgelegenheit, nicht als Ausstellungsstück, darf hier doch nur ausgestellt werden, was noch keinen Vertrieb gefunden hat, beziehungsweise nicht älter als zwei Jahre ist. Um sich nicht auf ihrem ersten Stuhl auszuruhen, legen Geckeler Michels gleich nach, mit einem knallblauen Sitzschalenstuhl der auf filigranen Stahlkufen thront. Er soll aus Kunststoff gefertigt werden, noch aber besteht er aus Schaum, weshalb es zu einer Diskussion mit einem Besucher kommt, der den Stuhl anfassen will, was Frank Michels zurückweist. Der Schaum sei zerbrechlich, der Stuhl ein Prototyp.

Gleich um die Ecke wartet Guglielmo Poletti, ein aufgeschlossener Norditaliener, der zunächst Kunstgeschichte studiert hat, bevor ihn der Designerberuf lockte, auf Kundschaft. Er möchte ihr das bodennahe Sitzen schmackhaft machen, und zwar mit einem Lounger, der lediglich aus einer mit Leder bezogenen Metallplatte besteht, die dreifach abgecknickt ist, sodass die Sitzfläche leicht abschüssig und die Lehne recht niedrig gehalten ist. Sitzen lässt es sich auf dem schicken Teil schon, aber bequem? Ob wir dank Globalisierung wirklich wie Japaner oder Inder auf dem Boden sitzen und speisen werden? Über Polettis Entwurf erstaunt sind jedenfalls viele.

Wie anders erscheinen da Stühle, die an die Massivholzmöbel unser Kindertage erinnern, zum Glück aber geistreicher daherkommen. Etwa der Stuhl des italienisch-portugiesisch-deutschen Designer-Trios From, der breit auf zwei Beinen steht, die wiederum auf Kufen befestigt sind, um Stabilität zu garantieren. Dass es auch ohne Beine geht, zeigt der Holzstuhl des Ungarn Andras Kerekgyarto, der mit seinen organischen Formen wie aus einem Stamm gefertigt zu sein scheint und durch ein nüchternes Spiel aus Falten und Flächen besticht.

Auch wenn der Stuhl der unangefochtene Star bei den Satelliten ist, so hat all das, was sich um den Stuhl schart – also gleichsam die Groupies –,definitiv das Zeug zum Star von übermorgen: Tische, Beistelltische, Regale, Ablagefächer, Vasen, Garderoben, und, und, und, alles äußerst flexibel einsetzbar und oft mit mehreren Gebrauchsmöglichkeiten. Möbel, so flexibel wie „wir“ selbst. Möbel für die allerkleinsten Räume, die später vielleicht wachsen und wieder schrumpfen, so oft, wie wir umziehen, Job und Einkommen sich verändern. Kleine Tische etwa, die, wie bei Leko, durch eine Klappmechanik Stauraum offenbaren, oder die sich, wie bei Kaschkasch, durch ein Klappsystem platt an die Wand drücken lassen. Auf eine Kombination mehrerer Funktionen ist auch Hanna Emelie Ernsting bedacht, wenn sie einen Sessel mit einer Decke als Überzug kombiniert – bei Studenten seit jeher ein probates Mittel.

So lassen sich auf dem Salone Satellite die großen Strömungen wunderbar im Kleinen ablesen. Der Wunsch nach Einfachheit, nach Handgemachtem, jenseits der technologisierten Welt, auch hier ist er vorhanden und tritt recht eindrucksvoll zu Tage bei einer großen Leuchte des Designerpaars Miriam Aust und Sebastian Amelung, kurz Aust + Amelung, aus Kassel. Die Leuchte, nach dem Heimwerkerprinzip aus einfachen Leisten zusammengezimmert, sieht aus wie ein großer Kran, dessen Neigung man mittels eines Sandsacks als Gegengewicht regulieren kann. Es sei immer wieder überraschend, erzählt Miriam Aust, wie erstaunt Menschen auf diese Leuchte reagieren. Dabei handele es sich einfach nur um das althergebrachte Prinzip der Waage.

Natürlich darf auch die neue Gärtnerlust nicht fehlen, so stellt eine junge Italienerin, die sich hinter dem Label Dossofiorito versteckt, Pflanzgefäßen vor, die mit Lupen und Spiegeln ausgestattet sind, um so die Aufmerksamkeit auf die „zarten“, ja „menschlichen“ Seiten der Pflanzen zu lenken. Eine sympathische, hübsche Idee, die kurzzeitig schmunzeln lässt – doch braucht es dafür einen ganzen Stand?

Auch beim Salone Satellite regen LEDs und gelegentlich sogar OLEDs den Erfindergeist an. Zum Beispiel bei From, die mit ihrer LED-Stabhängeleuchte den ersten Platz beim Satellite-Award erobern konnten. Beim Lichtdesign haben neben Stäben auch Kreise Hochkonjunktur, so auch bei Vera & Kyte aus Großbritannien, bei Kaschkasch oder Joa Herrenknecht, beide aus Deutschland. Last but not least sind es Varianten der supererfolgreichen „Beat“-Lamp von Tom Dixon, die hier in unterschiedlichster Mach- und Materialart durchdekliniert werden.

Böse Zungen behaupten, es gebe eine neue Kategorie im Design. Nennen wir sie „Facebook-Design“. Wer viel in sozialen Netzwerken unterwegs ist, wird es vielleicht ahnen: Es sind Objekte mit einem gewissen Aha- oder Trompe-l’oeil-Effekt. Ganz vorne in dieser Kategorie liegen Naoki Ono und Yuki Yamamoto von Yoy aus Japan. Dafür, dass sie in Mailand Tabletts an Tischkanten balancieren ließen, bekamen sie sogar den Satellite Sonderpreis. Man kann darüber streiten, ob das Design oder einfach nur Spielerei ist. Es ist aber ungemein sympathisch. Und besonders Social-Media-freundlich. In der Sympathienote daher: Däumchen hoch.

Vor allem der Anteil der Jungdesigner aus Asien scheint in diesem Jahr deutlich gestiegen zu sein. Sie überzeugen durch filigrane Entwürfe – vielfach mit Poesie. Bei Mooi Design aus Japan beispielsweise werden Negativ-Formen von Tellern und Bestecke aus Brotpapier dargeboten. Bei den chinesischen Gestaltern von Pengzhong sind es fragile Keramikplättchen und -blättchen, die zu Objekten geformt werden – netterweise „Xin’s Ceramic Surgery“ genannt. Wogegen junge skandinavische Designerinnen wie Caroline Olsson, die schon im vergangenen Jahr dabei war, oder Lovisa Hansson mit ganz anderen Dingen locken. Sie präsentieren gefächerte, vergoldete Kerzenhaltern oder eine futuristische Chaiselongue, wobei ihre Entwürfe deutlich einem gewissen Trend geschuldet sind. Zuweilen wundert man sich schon, wer immer noch beim Salone Satellite ausstellt. Und ohne das Design selbstverliebt in nationale Grenzen fassen zu wollen: Die deutsche Beteiligung mit Alexander Rehn, Karoline Fesser, Konstantin Landuris, Mathias Hahn, Tobias Nitsche von From, Sarah Böttger, Hanna Emelie Ernsting, Joa Herrenknecht, Thomas Schnur oder Siren Elise Wilhelmsen kann sich sehen lassen. Sie alle überzeugen durch eine wohl durchdachte, präzise Herangehensweise.

Wären da noch die Hochschulen: Mit ihren vielen Projekten und Studierenden tun sich naturgemäß schwer, ihre Qualitäten auf einer Messe zu zeigen – b in den Hallen in Rho oder aber in Ventura Lambrate. Einzig die ECAL aus Lausanne und das Royal College of Art aus London können von den ausstellenden Hochschulen mit klaren Konzepten und Entwürfen jenseits von Facebook-Design und Chichi überzeugen. Für die ECAL präsentieren Joséphine Choquet und Virgile Thévoz ein Jahr nach ihrem Abschluss („One Year later“) ihre Acetat-Arbeiten, eine Alternative zu Horn. Schon die Ankündigungsposter sind gelungen und ein Genuss. Dann stoßen wir auf das vielleicht merkwürdigste Objekt bei den Satelliten: ein Hocker, dessen Sitzfläche nach einem Chemielaborunfall ausschaut. Irgendeine toxische Masse klebt da auf den Holzbeinen ... und später auch am Gesäß. Oder etwa nicht? James Shaw ist der Erfinder des „Well Proven“-Stuhls und erklärt, die seltsame Masse sei Resultat einer Materialrecherche: Holzspäne vermischt mit einem Harz aus Sojaprotein. Das Gemisch ergebe ein voluminöses Material, das sich natürlich anfühlt, hart, aber leicht sei. Ob so ein Span-Sojaharz-Schaum-Stuhl den Weg ins Wohnzimmer findet, womöglich sogar Klassiker aus Holz, Kunststoff oder Metall ablösen wird? Auch wir haben Durchhaltevermögen und werden berichten.

Die Salone Satellite-Awards 2014 gehen an:

1. „Volta“ Leuchte, From (Italien) – 10.000 Euro
2. „Atmos”, Arturo Erbsman (Frankreich) – 5.000 Euro
3. „Steptool”, Avandi (USA) – 2.500 Euro

Sonderpreise:

„Chamotte”, Ruxi Sacalis (Rumänien)
„Clip Tray”, Yoy (Japan)

www.cosmit.it


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