PORTRAIT
Ganzheitlich denken
Jedes neue Projekt beginnt im Studio von Besau Marguerre in Hamburg-Eimsbüttel mit einem internen Workshop: Gemeinsam mit ihrem dreiköpfigen Team aus Architekten und Designern tragen sie im Erdgeschoss des charmanten Altbaus Ideen zusammen, spielen ein interdisziplinäres PingPong. Es folgen Moodboards mit Hilfe ihrer Materialbibliothek, Recherchen zu Fertigungsverfahren, Skizzen in 3D, erste Experimente in der hauseigenen Werkstatt. "Es ist immer ein gemeinsamer Weg", so Eva Marguerre. Farbe ist in allen ihren Arbeiten ein wichtiger Faktor. Sie übernimmt die Rolle, Geschichten zu erzählen, eine Identität zu transportieren. "Es geht uns nicht in erster Linie um den Effekt, sondern darum, die richtige Farbe für die Form zu finden und andersherum", erklärt Marguerre. Wie beim Konzept des Kaffeehausstuhls 214 von Thonet, der anlässlich des 200-jährigen Jubiläums des Unternehmens in Schwarz, Weiss, Samtrot und Salbei aufgelegt wurde. Über die hellere Beizung der Verbindungselemente, wie des inneren Bugholzbogens, schaffen sie ein spannendes Farbspiel und interpretieren den Klassiker modern. Viel Spielraum für Individualität lassen auch die farbigen Wandelemente "Simetria" für Schönbuch, die auf der imm cologne 2020 zum ersten Mal präsentiert wurden: Die matte Lackierung der acht Wandschränke in Form von Kreisen, Halbkreisen, Rechtecken oder Quadraten kann individuell aus einem großen Angebot gewählt werden. Ihre Möbelserie für die Elbphilharmonie tauchten sie hingegen in viele Nuancen von Weiß. Unterschiedliche Haptiken, wie der Wechsel von Stahl über Polster zu Marmor, standen hier im Fokus. Die Formsprache ist zurückhaltend und geometrisch. "Reduktion auf das Wesentliche", sagen sie.
Ein Twist ist in ihrer Arbeit stets mit dabei – so auch bei den ungewöhnlichen Körben "MOA" für kkaarrlls: Im Durchmesser 130 Zentimeter groß, bestehen diese lediglich aus elastischem Garn in unterschiedlichen Farben und Kunstharz, sind robust und leichtgewichtig. Besau Marguerre schätzen das Experiment, ihren Entwürfen sieht man das allerdings nicht an. Sie wirken nicht grob oder unfertig, sondern in sich stimmig. "Plisago" für Fürstenberg ist ein Grenzgänger: Vollständig aus Porzellan gefertigt, greifen zwei gestapelte Kegel ineinander. Die Abstellfläche ist diamantgeschliffen und damit sehr robust. Mit einer Plissee-Optik versehen und matt glasiert, spielt "Plisago" mit unseren Sehgewohnheiten, das Porzellan wirkt weich und textilhaft. "Wir haben bei diesem Projekt die Grenzen des Materials ausgelotet", so Eva Marguerre. Der nächste Schritt war die Übersetzung von "Plisago" in Wandboards, weitere Projekte mit Fürstenberg sollen folgen.
Geschichten erzählen
Zur imm cologne 2020 entwarfen Besau Marguerre ein offenes Messestandkonzept für die neue Designmarke favius. Die Schnittstelle des Herstellers zwischen Kunst und Architektur wurde in der Installation mit nur wenigen Elementen ideal unterstrichen: Bedruckte Vorhänge unterteilten die Fläche in die Bereiche Neuheiten, Wohnen, Verkauf und Shop-Präsentation. Zwei Farbwelten in Cognac und Dunkelgrün und die elegante Inszenierung der Produkte bot viele unterschiedliche Blickwinkel. "Wir können über unseren Beitrag den Weg von favius mitformen, das ist sehr reizvoll für uns", erzählt Eva Marguerre. Auf den Podesten war auch ein Produkt aus ihrer Feder zu sehen, die Beistell- und Couchtische "Sediment". Benannt nach der gleichnamigen Gesteinsart, erforschten Besau Marguerre hierfür die Möglichkeiten der Oberflächenbearbeitung von Marmor. Glatte und raue Partien der Sorten "Giallo Reale" und "Verde Guatemala" in Grün und Goldgelb wechseln sich ab und bilden Platten in zwei Größen, die auf geradlinigen Tischgestellen aus lackierter Eiche liegen. "Das Briefing war sehr frei, wir konnten uns komplett ausprobieren", so Eva Marguerre.
Wichtig ist für Besau Marguerre bei allen Installationen: Die Kombination der Farben und Materialien muss sich stimmig anfühlen. "Man kann nicht jedem Raum einfach eine beliebige Farbe überstülpen", so Eva Marguerre. Dieses Credo galt auch bei dem Retail-Konzept, das Besau Marguerre für die Showrooms von Vitra in Asien entwickelt haben und das aktuell in einzelnen Stores umgesetzt wird. Die erste von insgesamt sieben Fialen ist kürzlich in Kuala Lumpur auf 200 Quadratmetern eröffnet worden. Knallige Farben wechseln sich ab mit blanken Betonwänden, Grünpflanzen und Vorhänge lassen die freie Fläche wohnlich wirken. "Die Herausforderung war, die Geschichte, den Geist von Vitra sowie die Idee des Vitra Campus in den asiatischen Markt zu transportieren", so Eva Marguerre. Und fügt hinzu: "Wir lernen bei jedem Projekt dazu und die Abwechslung hält das Denken frisch".