Andreas Dornbracht
30.04.2015
Thomas Wagner: Herr Dornbracht, was hat Sie bewogen, den Markenclaim Ihrer Firma stärker auf Kultur und weniger auf Wasser auszurichten?
Andreas Dornbracht: Keine Sorge, als Armaturenhersteller sind wir nach wie vor sehr intensiv mit Wasser verbunden. Was kann Wasser bewirken, welche Rolle spielt Wasser im Bad, welche Rolle spielt Wasser für den Megatrend Gesundheit – das sind und bleiben für uns wichtige Fragen und Themen. Beim Thema Kultur geht es um etwas andere Fragen: Wie verändert sich unser Lebensumfeld? Wie nutzen wir unsere Zeit gewinnbringend für uns? Wir verfolgen eine Art Kultivierungsstrategie. Wofür es aus meiner Sicht zwei Beweggründe gibt: Der erste betrifft die Rolle des Bades. Über die haben wir schon in den letzten Jahren immer wieder gesprochen, wohin sich das Bad entwickelt bleibt aber spannend. Das Zweite ist: Wir befinden uns, was Design und Badarchitektur, oder, ich will mal sagen, was Design und Material angeht, in einer Phase, die wir als eine Kultur der feinen Unterschiede beschreiben können. Das bedeutet: Wir wollen in der Kommunikation nicht nur durch ein neues Produkt ein Aha-Erlebnis erzielen, sondern tatsächlich argumentieren, welche Feinheiten und welche Details es sind, die ein Produkt anders, vielleicht sogar einzigartig machen. Das ist aber eine kulturelle Frage. Das ist wie mit Salz und Pfeffer. Früher hatten wir im Haus nur eine Sorte Salz und eine Sorte Pfeffer. Heute schätzen wir es, dass es viele, zum Teil sehr verschiedene Gewürze gibt. Wir genießen die Unterschiede. Wenn ich von Kultur spreche, geht es eigentlich um die Wertschätzung von Unterschieden.
Sie sind – etwa als Sponsor von Kunstprojekten – ja schon länger im kulturellen Bereich tätig.
Dornbracht: Richtig. Es geht darum, den Blick über das Produkt hinaus auf anderes zu lenken und damit Impulse aufzunehmen und selbst Impulse zu setzen. Als Hersteller sind wir Armaturenhersteller, als Marke verstehen wir uns als Impulsgeber und Inspirator – in Richtung Badarchitektur, aber auch darüber hinaus. Nehmen Sie etwa Themen wie „Connectivity“ oder das „Internet der Dinge“. Ich glaube, diese Rolle muss die Marke annehmen, auch im Sinne eines Claims. „Spirit of Water“ war schon sehr stark eingegrenzt auf das Thema Wasser. „Culturing Life“ reicht weiter, umfasst mehr.
„Culturing Life“ erweitert die Perspektive. Das hat sicher Vor- und Nachteile?
Dornbracht: Sehr viel weiter, ja, und natürlich hat das Vor- und Nachteile. Es ist ein Claim mit einem hohen Anspruch, sagen wir es mal so. Nehmen Sie etwa den Megatrend Gesundheit, dann sagen wir eben nicht nur, das Bad ist Teil oder Plattform für eine persönliche Gesundheitsstrategie. Wir sagen: Wenn wir im Zusammenhang mit dem Bad über persönliche Gesundheitsstrategien reden, dann müssen wir auch über das große Ganze reden. Das heißt, wir suchen nach Kooperationen, nach Netzwerken, in die wir uns hineinbegeben. Ein bisschen ins Blaue gesprochen bedeutet das: Ich würde mich gern mit einem Matratzenhersteller über gesundes Schlafen unterhalten oder mit einem Haushaltsgerätehersteller über gesundes Kochen. Das heißt, wir wollen andere Lebensbereiche einbeziehen, zumindest was das Thema Interieur angeht.
Heißt das, um es vorsichtig zu sagen, wir tun alle gut daran, uns noch stärker als bisher zu kultivieren? Was bedeutet das in Bereichen wie Gesundheit, Wellness, Bad, Wasserverbrauch?
Dornbracht: Das Stichwort lautet: Eigenverantwortung. Das ist es, was wir in stärkerem Maße kultivieren müssen. Und das ist es, wozu wir beispielsweise unter dem Begriff „persönliche Gesundheitsstrategie“ auffordern möchten. Letztendlich möchten wir dazu auffordern: Tu etwas für dich! Denn wo es um Prävention geht, können wir uns letztlich nicht einfach auf den Staat und die Solidargemeinschaft verlassen. Wir sind ja nicht die einzigen, denen das auffällt. In gewisser Weise hat es das in den 1970er Jahren sogar viel stärker gegeben, mit ... wie hieß die Kampagne damals gleich?
Trimm Dich, hieß das damals.
Dornbracht: Genau, das war damals eine große Geschichte. Vieles davon ist abhanden gekommen. Sicher, Fitness ist heute ein großes Thema, es mangelt aber an einer ganzheitlichen persönlichen Gesundheitsstrategie. Es ist eben nicht damit getan, dass ich jede Woche zwanzig Kilometer laufe. Das ist zu kurz gedacht. Eine umfassende Gesundheitsstrategie hat auch mit Stressabbau zu tun, mit Ernährung, mit gesundem Schlafen, damit, Prävention zu betreiben, den Stoffwechsel und das Immunsystem zu stärken – und in diesem Zusammenhang ist das Bad nur ein Mosaikstein.
Im Alltag aber durchaus ein wichtiger Baustein, oder?
Dornbracht: Ja, das Bad kann schon einiges beitragen, und wenn man mal überlegt, wo das Thema der eigenen Gesundheit einen Raum finden könnte, dann glauben wir: das Bad ist ein solcher Raum. Nicht nur, weil im Bad vielleicht ein Medizinschrank an der Wand hängt (lacht). Recht verstanden könnte das Bad ein Raum sein, wo verschiedene Aspekte einer aktiven Gesundheitsvorsorge im Sinne einer Koordination, aber auch im Sinne einer Visualisierung, zueinander finden.
Was Ihren Wunsch erklärt, mit einem Matratzenhersteller oder mit Anbietern von Fitnessgeräten ins Gespräch zu kommen.
Dornbracht: Ja, deshalb haben wir ganz bewusst Geräte von Technogym in unsere Bäder mit rein genommen.
Mit Schlafen, Wasser und Bewegung haben Sie schon drei Elemente, die wichtig sind, beisammen. Fehlt eigentlich nur noch ein guter Koch.
Dornbracht: Ich war vor Kurzem zum ersten Mal auf der Consumer Electronics Show CES in Las Vegas – und natürlich war das Thema „Smart Home“ für mich ausschlaggebend, die Messe zu besuchen. Was mich sehr überrascht hat: In der Halle, in der es um „Smart Home“ ging, nahmen Hersteller aus dem Bereich Gesundheit doppelt so viel Fläche ein wie die Smart-Home-Anbieter, über deren Visionen derzeit viel berichtet wird. Ich hatte angenommen, im Bereich „E-Health“ und Fitnessarmbänder gäbe es ein, zwei, drei Hersteller – tatsächlich gibt es hunderte. Plötzlich tauchen Firmen wie Honeywell und ABB, die aus dem Anlagenbau kommen, dort mit irgendwelchen Ideen für den Gesundheitsmarkt auf, die sie testen wollen. Das ist ein absoluter Megatrend, und deshalb glaube ich, wird das Bad auch in eine nächste Phase eintreten. Wir haben dreißig Jahre lang eine ästhetische Evolution betrieben, was wir auch fortsetzen, mit Blick auf die Gesundheit kommen jetzt aber neue Kombinationen und Rituale hinzu.
Gesundheit und Ästhetik gehören für Sie auch in Zukunft zusammen?
Dornbracht: Ja sicher. Ich glaube aber, dass wir einen höheren Komplexitätslevel erreichen werden. Darin liegt eine Herausforderung, insbesondere für die Badplaner und für die Architekten, die sich künftig mit diesen Prozessen werden auseinandersetzten müssen. Nehmen Sie das Thema demographischer Wandel: Vierzig Jahre alte Bauherren achten heute stärker als noch vor einigen Jahren auf eine nachhaltige Entwicklung ihrer Immobilie – gerade, was das Bad angeht. Heutzutage muss ein Architekt den Wandel der Lebensumstände bei der Planung einkalkulieren, spätere Entwicklungen vorwegnehmen. Das finde ich schon sehr interessant. Das macht deutlich, wie sehr Gesundheit, Prävention, demographischer Wandel ineinanderfließen.
Verstehe ich Sie richtig – Sie interpretieren den Begriff der Kultur dezidiert politisch und in Verbindung mit dem der Eigenverantwortung?
Dornbracht: Ja, politisch und gesellschaftlich.
Wie geht die Entwicklung weiter?
Dornbracht: Nach meiner Einschätzung sind digitale Produktlösungen nicht der eigentliche Trend, sie machen es vielmehr möglich, dass andere Trends besser umgesetzt werden können. Nehmen Sie ein einfaches Beispiel: Wenn ich ein Duschprogramm habe, das den Wechsel von Kalt- und Warmduschen auf Knopfdruck optimiert und ich die Regler an der Armatur nicht mehr selbst bewegen muss, so ist das einfach Convenience. Solche digitalen Produkte sind Helfer, die für mehr Komfort und Sicherheit sorgen. So muss man das sehen. Das Thema „assisted living“, das in den Vereinigten Staaten derzeit stark in den Vordergrund rückt, wird mittels Digitalisierung vorangetrieben. Im Bereich der Kommunikations- und Informationstechnologie ist das ja seit Jahren der Fall.
Steht das im Widerspruch zur Selbstverantwortung?
Dornbracht: Bei dem Thema gibt es große Berührungsängste, da muss man höllisch aufpassen. Deswegen reden wir auch nicht über „Home Automation“, und deswegen muss man in der Digitalisierung auch die Helferlein sehen, die dem Nutzer nichts aufzwingen oder als einzige Alternative zur Verfügung stehen. Was automatisch passiert, ohne dass ich selbst eingreifen und entscheiden kann, bleibt problematisch. Ein Beispiel ist für mich immer die Klimaanlage im Hotel. Um sie ab- oder einstellen zu können, brauche ich schon mal eine Lesebrille (lacht). Das Zweite ist, ich weiß als Nutzer gar nicht, wie diese Dinger funktionieren. In Zukunft wird sich die Klimaanlage über ein Interface des Herstellers und eine App mit meinem Smartphone verbinden und meine Einstellungen abrufen – Temperatur, Ventilator, Off-Einstellung. Auch das ist Convenience.
Ja, Erfahrungen des Scheiterns im Zusammenhang mit Haustechnik macht jeder.
Dornbracht: Es bedeutet auch Komfort, wenn ich über mein Smartphone das Licht ausschalten kann, während ich heute im Hotel immer suchen muss, wo der Lichtschalter ist. In allen diesen Bereichen wird digitale Technik Hilfestellung leisten können.
Welchen Stellenwert hat die Ästhetik der Produkte für Sie, wenn Sie den Akzent nun stärker auf den des Kultivierens legen? Nehmen wir beispielsweise die neue Armatur CL.1. Ich will nicht sagen, mit dieser beginne eine neue Verspieltheit, das würde zu weit gehen, eine gewisse Lockerung lässt sich aber doch beobachten. Trauen Sie sich in Sachen Gestaltung jetzt Dinge zu, die bislang weniger im Vordergrund gestanden haben?
Dornbracht: Ja, das stimmt. Lassen Sie es mich so sagen: Das Dogma des rechten Winkels (lacht), ist kein Dogma mehr. Es ist wichtig für die Marke, diesen evolutionären Schritt zu riskieren. Zugleich muss man darauf achten, dass man den Markenkern nicht gefährdet.
Wenn Sie von einem Dogma sprechen, dann klingt das stark nach Fesseln, die sie sich selbst angelegt haben. Wie kommt es, dass Sie nun stärker auf Hybridisierung, Individualisierung und kollagenartige Verbindung setzen? Wird Ihre Verwurzelung in der Moderne schwächer?
Dornbracht: Vielleicht, ja.
Dornbracht und Ästhetik, als wirklich dogmatisch habe ich das nie wahrgenommen.
Dornbracht: Es gibt intern schon strikte Regeln, die angewendet werden, wenn es um ästhetische Entscheidungen und deren Beurteilung geht. Das haben wir jetzt ein bisschen aufgebrochen, ohne deshalb unsere Wurzeln zu verraten. Es wird auch künftig kein Retrodesign geben. Wenn ein Stil ein Upgrade braucht, dann heißt das für uns: Er wird neu gedacht und progressiv interpretiert. Wir betrachten es auch weiterhin als unsere Aufgabe, die ästhetische Evolution in den Produktkategorien, die wir anbieten, voranzutreiben. Das ist eine Art Basisarbeit. Mit der Armatur CL.1 ist uns, glaube ich, eine sehr prägnante Armatur gelungen, inklusive evolutionärer Veränderungen – sie ist sehr filigran, der Auslauf hat keinen 90 Grad Winkel, sondern öffnet sich in einem Winkel von 105 Grad. Wenn Sie sagen, das ist verspielt, okay.
So weit wollte ich ja nicht gehen ...
Dornbracht: Auch die Griffe sind nicht einfach luxuriös, sondern hochwertig. Gemeinsam mit Sieger Design und Meiré und Meiré haben wir festgestellt, dass Struktur etwas mit Architektur zu tun hat. Also reden wir nicht über Luxusstrukturen wie Diamantschliff, sondern wir reden über Architekturstrukturen – und die spiegeln sich gewissermaßen in der Armatur. Eine luxuriöse Struktur wäre aller Voraussicht nach symmetrisch, und das haben wir eben nicht gemacht, sondern die Strukturen bewusst asymmetrisch angelegt. All das zeigt, wie wir die typische Dornbracht-Kultur verstehen.
Was Sie anbieten ist aber doch Luxus?
Dornbracht: Ja, das ist schon Luxus, aber nicht im Sinne von Luxusvarianten, bei denen der Preis eines Produkts über dessen gewöhnliche Positionierung hinaus angehoben wird. Zum Beispiel: Sie haben, sagen wir mal, das Produkt preislich in der dritten Schublade von oben positioniert und bieten eine Luxusvariante an, die preislich zwei Stufen höher liegt, dann denkt jeder: Das Produkt ist erste Schublade und greift nicht zu, wenn er eines aus der dritten Schublade möchte. So kann es leicht geschehen, dass man die Chancen eines Produktes verringert, indem man es „zu hoch“ positioniert – nicht allein im Preis, auch in der Wahrnehmung.
Geht es eher darum, einen eigenen Begriff von Luxus zu definieren?
Dornbracht: Eindeutig, ja.
Bedeutet das auch, sich nicht an das anzupassen, was der Markt im einen oder anderen Land verlangt? Für vergoldeten Luxus müssen ja immer pauschal „die Russen“ herhalten.
Dornbracht: Nein, das machen wir nicht, zumal sich die Produktion mit fortschreitender Individualisierung ohnehin verändern wird. Wenn immer mehr Produktkonzepte auf den Markt kommen, die individuell an die Wünsche der Kunden angepasst werden können – wer weiß, ob wir dann in zwanzig Jahren überhaupt noch Artikelnummern haben?
Ich würde sagen: Ganz bestimmt!
Dornbracht: Ja, aber was heißt das? Was ist ein Katalog?
Wir alle sind an standardisierte Produkte gewöhnt, das hat spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts etwas Selbstverständliches. Entsprechend schwer werden sich die Leute mit einer vollständigen Individualisierung tun.
Dornbracht: Eben. Wir werden aber trotzdem eine wachsende Zahl von Kunden haben, die das wollen – was wir als Hersteller berücksichtigen müssen. Individualisierung ist nun mal ein weiterer wichtiger Megatrend. Natürlich wird nicht jeder morgen zu Hause einen 3D-Drucker stehen haben, der eine Armatur ausdrucken kann.
In der Qualität, die Sie bieten, ist das relativ unwahrscheinlich.
Dornbracht: Was aber durchaus passieren kann ist, dass der Kunde ein Ersatzteil ausdruckt. Jedenfalls sind das Fragestellungen, mit denen man sich beschäftigen muss. In Las Vegas gab es übrigens – auch das hat mich überrascht – mehr als 100 Austeller, die 3-D-Drucker angeboten haben.
Heißt das, auch für Ihre Branche gilt jetzt der Satz: Learning from Las Vegas? (beide lachen)
Dornbracht: Wenn man in der Wirtschaftspresse verfolgt, wie viele Unternehmer mittlerweile ihre Studienreisen ins Silicon Valley oder zur CES nach Las Vegas unternehmen, möchte man das fast glauben. Wir sind freilich in einer Branche beheimatet, die sehr traditionsgeprägt und sehr komplex ist. Was heißt: Viele kurzlebige Trends gehen an uns vorbei. Klar könnte man sagen, demnächst wird der Kunde auch sein Badezimmer leasen können. Ein Badezimmer wird trotzdem ein Badezimmer sein. Dass Automobilhersteller mal mit dem Thema „Besitz “ ein Problem haben würden, hätten die auch nicht gedacht. Trotzdem sehen viele – etwa in der Zuliefererbranche – die Entwicklung ganz entspannt. Auch Elektroautos, die mit anderen geteilt werden, müssen ja gebaut werden, auch in diese Fahrzeuge kommen Stahlträger oder Karbonplatten; Räder und Reifen sind auch dran. Ob Google nun ein Auto baut oder Apple, Teile werden immer gebraucht.
Das stimmt, Mobilitätssysteme werden weiterhin gebraucht und produziert werden. Die entscheidende Frage aber ist, wo die Wertschöpfung stattfindet, sprich, wer künftig den Gewinn macht – der Autozulieferer oder Google?
Dornbracht: Die Wertschöpfung wird künftig weniger vom Material und von der Herstellung, sondern stärker vom Nutzen geprägt sein, das ist eindeutig. Fragt sich nur, wer die Hoheit darüber erlangt.
Sie arbeiten aber noch nicht an Sharing-Konzepten für Badezimmer?
Dornbracht: (lacht) Nein. Wenn ich sage, wir sind eine komplexe Branche – warum ist das so? Wir sind ja eigentlich Lenkradhersteller, wir sind kein Badhersteller. Der Kunde will doch keine Armaturen, der Kunde will ein Bad haben, das funktioniert, das schön ist oder der Gesundheitsvorsorge dient – und das ist nun mal ein sehr komplexer Prozess. Um es drastisch zu formulieren: Die Leute von Google oder Apple werden keine Armaturen herstellen, davon bin ich felsenfest überzeugt. Google hat Nest nicht gekauft, weil Google die Raumtemperaturen regeln will, sondern weil sie Daten sammeln wollen. Konkret bedeutet das für uns: Die Hardware werden wir weiter herstellen, die Software, die wir heute noch selbst entwickeln, wird in zehn Jahren wahrscheinlich von anderen kommen. Entweder von Entwicklern oder von den Giganten; das Interface ist noch eine andere Geschichte. Was die Software angeht, werden wir mit offenen Systemen arbeiten. Wir sind der einzige Hersteller, der schon heute mit offenen Systemen arbeitet, wo ein Produkt eine IP-Adresse hat und im Prinzip offen zugänglich ist. Natürlich achten wir dabei auf den Datenschutz. Provokativ gesagt: Ich habe kein Problem damit, wenn eine Armatur keinen Bedienhebel mehr hat, sondern das Smartphone zur Bedieneinheit wird. Wichtig aber ist: Die Auslassstelle, die Ventiltechnologie – all das wird nach wie vor von uns kommen. Es kann sein, dass wir mit der Zeit die alleinige Hoheit über das Interface verlieren, das kann durchaus passieren, aber dessen sind wir uns bewusst.
Wird es unter der Dusche nicht etwas schwierig mit der Bedienung per Smartphone?
Dornbracht: Auch für diesem Fall wird es Lösungen wie Gestensteuerung oder Sprachsteuerung geben. Dann bediene ich die Armatur mittels Sprache, und wenn ich die Sprache nicht beherrsche, mache ich es mit einer Geste. Es wird jedenfalls Möglichkeiten geben, die das Leben einfacher machen.
Da sind Sie sehr optimistisch. Zwei Dreh-Regler kann ich immer bedienen, ich habe aber meine Zweifel, ob ich in einem fremden Land mit einer fremden Sprache die Temperatur des Duschwassers hinbekomme, ohne mich zu verbrühen. Und was Gesten angeht: Ich sehe uns schon, wie wir unter der Dusche stehen und irgendwelche Faxen machen, ohne dass etwas passiert.
Dornbracht: Ich habe ja gesagt, das gilt für den Fall, dass ich die Armatur nicht mehr wie gewohnt bedienen kann. Heute steht „Cold“ und „Hot“ auf der Armatur, demnächst wird die Armatur das in ihrer Muttersprache anzeigen, weil das Hotelzimmer weiß, dass Sie aus Deutschland, Serbien oder China kommen. Prinzipiell sehe ich darin schon Vorteile für den Nutzer, besonders dann, wenn er eingeschränkt ist. Generell gilt: Wir befinden uns in einer Phase der Exploration. Es ist kein Experiment, was wir betreiben, aber auch keine Expedition, weil wir noch gar nicht wissen, wie das Ziel aussieht. Aussagen darüber zu machen, wie unsere Lebenswelt im Jahr 2030 aussehen wird, ist sehr schwer. Von einem Innovationsführer aber muss man verlangen können, diese Schritte zu gehen – vorsichtig, nicht auf Kosten der Nutzer, weil das schon ein Experiment wäre, und mit Menschen, oder überhaupt mit dem Nutzer, sollte man nicht experimentieren.
Dann freuen wir uns gemeinsam auf die neue Kultur. Ich danke Ihnen für das Gespräch.