100 JAHRE BAUHAUS
Bauhausjahr 2019 – eine Zwischenbilanz
Eine neue wissenschaftliche Sicht auf das Bauhaus – das hätten sich sicherlich viele Kunst- und Design-Interessierte anlässlich des 100. Geburtstages gewünscht, vielleicht sogar erwartet. Schließlich wurde für dieses Jubiläum viel Geld in die Hand genommen. Man hat neue Museumsgebäude in Weimar und Dessau errichtet und eine Werbe- und Informationskampagne ins Werk gesetzt, wie sie gewiss noch nie für den Jahrestag der Gründung einer Kunstschule existierte.
Die Voraussetzungen wären also ideal gewesen für eine große gemeinsame Ausstellung an den drei Hauptwirkungsorten des Bauhauses Weimar, Dessau und Berlin. Eine Schau, die auf vorausgegangener mehrjähriger Forschungsarbeit fußt und die die führenden Köpfe in diesem Feld intensiv miteinbindet. Man hätte einen mehrbändigen Katalog erwartet, der nicht nur einen umfassenden Überblick über die künstlerische Produktion des Bauhauses gibt, sondern auch die Ergebnisse der vorbereitend erfolgten Forschung aufblättert.
All das gibt es – zumindest bislang – nicht. Zwar wurde die Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar geschlossen, in der sich die großen Sammlungen an den drei ehemaligen Wirkungsstätten der Lehranstalt zusammengetan haben. Zu einem wirklichen Gemeinschaftswerk ist es aber offenbar nicht gekommen. Von den vier Ausstellungen, die die Mitglieder des Verbundes organisiert haben, sind bislang zwei eröffnet, nämlich die Eröffnungsschau des neuen Bauhaus-Museums in Weimar und "bauhaus imaginista" im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Das neue Dessauer Haus eröffnet erst am 8. September 2019, das Berliner Bauhausarchiv, das wegen der Erweiterung der eigenen Räumlichkeiten in die Berlinische Galerie ausweichen muss, zeigt dort ab dem 6. September 2019 die Ausstellung "Original Bauhaus".
Die Enge von Weimar
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Schau in Weimar. Im neuen Museumsbau von Heike Hanada haben Holzer Kobler Architekturen eine Ausstellungsszenografie entwickelt, die mit ihrer zurückgenommenen Formen- und Materialsprache ästhetisch voll auf der Höhe der Zeit ist. Funktional ist sie allerdings auf den Publikumsandrang, den das Museum zurzeit verzeichnet, spürbar nicht ausgelegt. Gerade in den Multimediabereichen stehen sich die Besucher permanent gegenseitig im Weg.
Einen besonderen Schwerpunkt legt die Ausstellung auf die Arbeiten für das experimentelle Festspiel- und Bühnenschaffen am Bauhaus, dem viel Platz eingeräumt wird. Hier findet auch mittels der Raum- und Objekttexte eine ausgesprochen detaillierte Einordnung statt. So umfassend der Besucher in dieser Abteilung der Ausstellung informiert wird, so summarisch und oberflächlich widmet man sich dem Design. Die Sammlungsbestände werden annähernd unkommentiert gezeigt, Werkzusammenhänge und Entstehungsumstände nicht thematisiert. Auch die Architektur am Bauhaus wird in der Weimarer Ausstellung nur am Rande abgehandelt. Ob dies einer Absprache mit dem neuen Dessauer Museum geschuldet ist, erfährt der Besucher nicht. Wirklich ärgerlich ist die Phrasenhaftigkeit einiger Texte in den Ausstellungsräumen, etwa wenn eine Tafel zum Wirken von Walter Gropius mit "Er kämpfte wie ein Löwe" überschrieben wird. Überhaupt ist kritische Einordnung nicht die Sache dieser Eröffnungsschau. In dieses Bild fügt sich auch der schmale Band ein, der bislang als einzige Begleitpublikation zur Weimarer Ausstellung erschienen ist und der gleichzeitig als Katalog, Architekturführer und Sammlungsüberblick fungiert. Mehr als dieses Taschenbuch ohne eine einzige Literaturangabe möchte man seinen Besuchern offenbar nicht zumuten.
Das transkulturelle Bauhaus
Zur Ausstellung "bauhaus imaginista" im Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) ist dagegen ein über 300-seitiger Katalog bei Scheidegger & Spiess erschienen. Die Schau, die vom HKW in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut konzipiert wurde, ist das Ergebnis eines dreijährigen weltweiten Forschungsprozesses, den Ausstellung und Katalog zusammenfassen. Zentrale Absicht von "bauhaus imaginista" ist es, den "transkulturellen" Charakter des Bauhauses herauszuarbeiten. Viele Zusammenhänge erschließen sich dem Besucher allerdings nicht, weil die Ausstellungsszenografie leider kaum mehr als ein wild zusammengewürfeltes Durcheinander von Exponaten ist, unterbrochen von Filmeinspielungen, deren Einordnung einem selbst überlassen bleibt. Es ist höchst bedauernswert, dass hier die Chance, internationale Beeinflussung und internationalen Einfluss des Bauhauses nachzuzeichnen, vergeben wurde. Hoffentlich vermag die Ausstellung des Bauhaus-Archives, die sich ebenfalls unter anderem dieser Fragestellung widmet, mehr herauszubringen.
Konstrukte und Reflexe
Wie man das Bauhaus seriös in einen internationalen kunstgeschichtlichen Zusammenhang stellt, demonstrierte im Frühjahr, ebenfalls in Berlin, das Bröhan-Museum. Die Ausstellung "Von Arts und Crafts zum Bauhaus" nahm mithilfe der hauseigenen Sammlungsbestände und sehr sehenswerten Leihgaben, größtenteils aus Privatbesitz, eine fundierte Einbettung des Bauhauses in die europäischen Kunst- und Kulturerneuerungsbewegungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts vor. Die Schau bot eine informative Einführung in die Thematik für denjenigen, der mit den Zusammenhängen nicht so vertraut ist, hielt aber auch durchaus Unbekanntes für den vorgebildeten Besucher bereit.
Ähnliches lässt sich über die Ausstellung "Bauhaus_Sachsen" im Leipziger Grassimuseum sagen, eine gut kuratierte Schau, die eine überzeugende Balance zwischen dem Oberthema Bauhaus und dem regionalen Schwerpunkt auf Sachsen findet. Das gelingt auch deshalb, weil sie die Teilnahme der Bauhäusler und ihrer Produkte an den Grassimessen, den 1920 begründeten kunstgewerblichen Verkaufsmessen des Hauses, zum Schwerpunkt macht. Die Grassimesse wurde für die am Bauhaus Schaffenden schnell zu einem wichtigen Schaufenster für ihre Produkte. So können die Ausstellungsmacher eine Vielzahl von Arbeiten zeigen, ohne dass sie sich Zusammenhangslosigkeit in der Auswahl der Exponate vorwerfen lassen müssten. Noch ein weiterer Punkt ist an der Leipziger Ausstellung lobend zu erwähnen: In den Sälen hat man die Bauhaus-Exponate mehreren Arbeiten zeitgenössischer Künstler gegenübergestellt, die zum Teil speziell für diese Schau geschaffen wurden. Ähnliche Konzepte verfolgen viele Ausstellungen zum Bauhausjahr, bei kaum einer ist aber das Ergebnis so überzeugend. Hervorgehoben sei besonders die Arbeit Felix Martin Furtwänglers, der eine nie erschienene Grafikmappe, die von Gropius und Feininger geplant war, fiktiv rekonstruiert. Über die angebliche Wiederentdeckung erspinnt der Künstler eine hoch unterhaltsame Räuberpistole, die ein ebenso fiktiver Briefwechsel dem Besucher erzählt.
Auch die Kuratoren der Ausstellung "ReFlex Bauhaus" in der Münchner Neuen Sammlung haben fünf Künstler eingeladen, sich mit jeweils einem Bauhausobjekt aus den Beständen des Hauses auseinanderzusetzen, unter anderem die Modedesignerin Ayzit Bostan und die Schriftstellerin Barbara Köhler. Es beindruckt aber vor allem die Qualität der gezeigten Bauhaus-Exponate, die hier in einer kleinen, unaufgeregten Rauminstallation von Tilo Schulz vorgeführt werden.
Neues aus Frankfurt
Abschließend noch ein Blick nach Frankfurt am Main, wo man sich dieses Jahr ergänzend zu den Bauhausfeierlichkeiten in drei Ausstellungen mit dem Neuen Frankfurt beschäftigt – jener umfassenden Stadterneuerung im Geist der Moderne, die man in den Jahren der Weimarer Republik am Main anstrebte. Den Auftakt bildete dabei die Schau "Moderne am Main 1919-1933" im Museum Angewandte Kunst, die sich mit den Hervorbringungen und dem kulturellen Umfeld des Neuen Frankfurts beschäftigte. Ein wenig hatte man dort unter der Hypothek zu leiden, dass man das Thema Architektur dem Deutschen Architekturmuseum überlassen hat. So waren einige Leerstellen unvermeidbar, bildete das Bauen nach den Prinzipien der Moderne doch den Kern der Unternehmung. Aber vielleicht deshalb, weil die Architektur ausgeklammert blieb, förderten die Kuratoren in vielen anderen Bereichen neue Erkenntnisse zu Tage. Von der Musik über das Kunstgewerbe bis zur medialen Vermittlung präsentierten sie Rechercheergebnisse, die dazu angetan sind, den Blick auf das Neue Frankfurt und seine Protagonisten wirklich zu erweitern – etwas, was man bei den Ausstellungen zum Bauhaus-Jubiläum vielfach vermisst. Man wünscht sich, dass die noch bevorstehenden Schauen dieses Bild korrigieren.
Das Bauhaus kommt aus Weimar
Bauhaus-Museum Weimar
Stéphane-Hessel-Platz 1
99423 Weimar
Dauerausstellung
Öffnungszeiten:
Mi–Mo (Di geschlossen)
9.30–18 Uhr
bauhaus imaginista
Haus der Kulturen der Welt
John-Foster-Dulles-Allee 10
10557 Berlin
bis 10. Juni 2019
Öffnungszeiten:
11 bis 19 Uhr
Dienstags geschlossen
Bauhaus_Sachsen
Grassi Museum für Angewandte Kunst
Johannisplatz 5-11
04103 Leipzig
bis 29. September 2019
Öffnungszeiten:
10 bis 18 Uhr
Montags geschlossen
ReFlex Bauhaus. 40 objects – 5 conversations
Die Neue Sammlung – The Design Museum
Türkenstraße 15
80333 München
bis 2. Februar 2020
Öffnungszeiten:
10 bis 18 Uhr (Di., Mi., Fr.-So.)
10 bis 20 Uhr (Do.)
Montags geschlossen
Neuer Mensch, Neue Wohnung. Die Bauten des Neuen Frankfurt 1925-1933
Deutsches Architekturmuseum
Schaumainkai 43
60596 Frankfurt am Main
bis 18. August 2019
Öffnungszeiten:
11 bis 18 Uhr (Di., Do.-So.)
11 bis 20 Uhr (Mi.)
Montags geschlossen