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Wohnhaus 20er Jahre (Franz Josef Vietze), Umbau und Sanierung 2010, Anbau 2021

Ein Haus für 100 Jahre

B.A.S. Architekten arbeiten an der Schnittstelle von Architektur und Städtebau. Ein Kernthema ihrer Projekte ist die Sanierung historischer Bausubstanz. Worauf es dabei ankommt, und warum bei der Metamorphose von Gebäude und Umgebung der Weg das Ziel ist, sagen uns Dorothee Stürmer und Peter Begon im Interview.
28.04.2025

Robert Volhard: Kommunikation ist die Basis eurer Arbeit – ihr sprecht am Anfang der Projekte gemeinsam mit der Bauherrenschaft über deren Vorstellungen, Tagesabläufe, Ziele und skizziert dann einen ersten Entwurf oder eine Machbarkeitsstudie. Ist das bei jedem Projekt der Fall?

Dorothee Stürmer: Absolut, allerdings findet neben dieser Kommunikation auch eine intensive Recherche zu dem Gebäude statt. Wir kombinieren dann die Anforderungen der NutzerInnen und die Bedingungen, die das Gebäude an uns stellt.

Zu euren Kompetenzen gehört die Sanierung von historischer Bausubstanz – von der Planung bis zur Realisierung. Was reizt euch an dem historischen Kontext?

Peter Begon: Da unsere akademische Ausbildung auf die Klassische Moderne fokussiert war, sind wir zu dem Thema eher auf Umwegen gekommen. In die Nische des historischen Altbaus haben wir uns hineingearbeitet, daher ist die Art und Weise, wie wir mit der historischen Substanz umgehen, von unserem Fokus als ArchitektInnen geprägt. Wir nehmen das Gebäude und dessen Substanz sehr ernst und versuchen im Kern herauszuarbeiten, wie die Häuser einst konzipiert waren. Ein Bungalow aus den 60er Jahren hat ein ganz anderes "Wollen" als ein Gründerzeitgebäude. Darin zeigt sich ein soziokulturelles Erbe auf welches wir reagieren. Es geht über die Architekturepochen hinaus.

Peter Begon

Welche Typologie und Grundstruktur sind (noch) erkennbar?

Peter Begon: Meist ist ein Gebäude über die Nutzungsdauer immer wieder umgebaut und angepasst worden. Häufig wurden dabei schlechte und modische Kompromisse gemacht, da diese Umbauten während der Nutzung stattfanden. Wir versuchen dem Bestandsgebäude wieder eine Haltung mitzugeben und häufig auch, es auf seinen genuinen Entwurfsansatz zurückzuführen. Dann schauen wir uns sehr intensiv den Bestand an. Gibt es prägende Details wie ein besonders schöner Glimmerputz, bauzeitliche Türgriffe, Türen, Lamperien, Lichtschalter, Fensterprofile, Tapetenreste – häufig hinter Einbauschränken –, Gitter, besondere Bodenbeläge, Anstriche? Zu unserer Herangehensweise kommt, dass ich neben der akademischen Ausbildung auch Schreiner bin und somit einen handwerklichen Bezug zu der historischen Bausubstanz habe. Dieses Wissen hilft mir in der Kommunikation mit den HandwerkerInnen. Die Qualität, die der Bestand bietet, wird von unserem Team auf einem hohen handwerklichen Niveau instand gesetzt, repliziert und weiter verarbeitet.

Während unseres gemeinsamen Projektes für einen Dachausbau hattest du mal erwähnt, dass es in der Gründerzeit sieben Materialien gab: Stein, Holz, Stahl, Stroh, Lehm, Sand und Putz.

Peter Begon: Ja, in der Gründerzeit sind die Häuser relativ logisch und einfach zusammengesetzt worden. Wir befinden uns da in einem Spannungsverhältnis zu der modernen Bautechnik. Auf der positiven Seite ist sie geprägt durch gute Entwicklungen, wie hinsichtlich der Erfahrungen mit leistungsfähigen Materialien in der Abdichtungstechnik oder den weiterentwickelten energiesparenden Techniken der Fensterfertigung. Die moderne Energietechnik hat einen immensen Bedeutungszuwachs erfahren. Die Technologie gab es natürlich in der Gründerzeit noch nicht. Für uns ist es erfreulich, wenn wir mit Kulturdenkmälern arbeiten können, wo es keinen Bedarf einer thermischen Ertüchtigung gibt – wenn wir aber die Chance sehen, ein Haus ohne Gestaltverlust damit weiter nach vorne zu bringen, versuchen wir diese anzuwenden. Das ist ein technisches Dilemma: Am liebsten würden wir den Ursprungszustand des Hauses wieder herstellen, aber das würde ein Gebäude bedeuten, das oft schlecht beheizt oder gekühlt werden kann. Die Integration der modernen Themen in ein historisches Gebäude sollte so geschehen, dass dessen Charakter im Prozess nicht von einem Neubau überdeckt wird.

Haus Hochschild: Baujahr 1896 (W. Matheis); alte Dachkonstruktion dient als Notdach während des Umbaus
Haus Hochschild: Sanierung und Umbau 2019 bis 2023

Bei den Grundrissen schafft ihr individuelle Räume – inwieweit wird in dem Zuge die Fassade eines historischen Gebäudes verändert?

Dorothee Stürmer: Unsere Wurzeln liegen im Städtebau, unser Büro heißt ja B.A.S. Büro für Architektur und Stadt. Unsere Arbeit hat sich mehr und mehr Richtung Architektur entwickelt, aber uns ist weiterhin wichtig, dass sich die Gebäude gut in das Stadtbild einfügen.

Das ist ein schönes Beispiel für den Spagat zwischen Tradition und Moderne: Die Moderne findet in eurer Arbeit eher im Inneren statt, nämlich in der digitalen, technischen Ertüchtigung für die heutige Zeit. Wenn ihr einen Dämmputz einplant, verändert dieser somit nicht das Gesicht des Hauses. Wie ist das bei den Fensterlaibungen und Fensterteilungen?

Dorothee Stürmer: Die formulieren wir, wie sie im Bestand waren. Die Fensterlaibungen und Gesimse werden immer erhalten oder thermisch optimiert erneuert. Oft ist bei den Fenstern nicht mehr die ursprüngliche Teilung vorhanden. Hier versuchen wir Modelle zu realisieren, die dieser entsprechen. Grundlage für die Fensterteilung sind die oft noch vorhandenen Originalansichten aus dem Institut für Stadtgeschichte. Die Binnenprofilierung findet sich oft an den Kellerfenstern, die meistens noch bauzeitlich sind. Sind keine Originalzeichnungen oder Originalfenster mehr vorhanden, nähern wir uns dem Thema über Referenzen in der Nachbarschaft oder durch Analogie zu den anderen Bauten der ursprünglichen ArchitektInnen. Eine wertvolle Quelle ist hierzu die Publikation "Frankfurter Architekten". Unser Büro hat zum Beispiel schon drei Gebäude der Gründerzeitarchitekten Fietze & Helfrich umgebaut und saniert – da kennt man dann die Fensterteilung und die Geländerdetails et cetera. Ein anderes Beispiel sind die Vorgärten, die im Laufe der Zeit oft komplett zugepflastert wurden oder einen Zaun bekommen haben, der nicht zum Gebäude passt.

Peter Begon: Die Öffnung zur Natur ist zudem ein Phänomen unserer veränderten Lebensgewohnheiten. Das 19. Jahrhundert war stärker auf den Innenraum bezogen, auf den kompletten Schutz nach außen. Heute haben wir ein ganz anderes Lebensgefühl. Wir sehnen uns als StädterInnen nach dem Naturbezug, dem Licht, sprich nach den Ideen der Moderne. Parallel haben wir unsere Gewohnheiten geändert – meistens bildet die Küche den neuen Schwerpunkt, das resultiert in anderen Grundrissen.

Bei unserem gemeinsamen Projekt war es möglich, dem Gebäude aus der Gründerzeit eine neue Qualität hinzuzufügen und dessen innerstädtische Wohnfläche signifikant zu erweitern. Wir hatten dabei zahlreiche Hürden zu überwinden, wie Statikvorgaben, Brandschutz, Schallschutz oder Rettungswege. Worauf kommt es bei Dachaufbauten am meisten an?

Peter Begon: Gerade beim Umgang mit Bestandsbauten ist die Untersuchung der baurechtlichen und genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen besonders wichtig. Das Gebäude steht ja schon. Trotzdem entfällt mit dem Umbau bei Änderungen häufig der Bestandsschutz. Zudem müssen genehmigungsrechtliche Fehler behoben werden, denn nicht alles was im Bestand existiert, ist auch genehmigt oder genehmigungsfähig. Für die gewünschte Nutzung – wie einen Dachausbau oder einen neuen Aufzug – sind unter Umständen Nachbarschaften einzubinden und deren Zustimmung ist einzuholen. Da ist es von Interesse, welche EigentümerInnenstruktur im Nachbarhaus vorhanden ist. Ein fundiertes baurechtliches Wissen ist hierfür sehr wichtig.

Dorothee Stürmer: Eine Dachlandschaft zu entwerfen, die dem Ursprung wie den neuen Anforderungen entspricht – in eurem Fall, dass sie sich auf der Hausrückseite öffnet.

Peter Begon: Ebenfalls wichtig ist, wie sich das Haus zur Straßenseite präsentiert. Wir konnten bei unserem gemeinsamen Projekt zu beiden Seiten eine gute Antwort finden, indem wir die Struktur der Hauptfassade mit ins Dach genommen haben, über die Gauben, über die Fensterachsen und vor allen Dingen auch über das Material, also die Schieferdeckung. In dieser ist die Photovoltaik verbaut. Im Ergebnis haben wir eine etwas strengere Linienführung, aber sind trotzdem nicht unhöflich gegenüber "der schönen alten Dame" aus der Gründerzeit.

Mit euren Dachausbauten schafft ihr eine neue Lebensqualität für die BewohnerInnen. Ist das eine Passion?

Peter Begon: Ich bin auf dem Land groß geworden, wo man immer weite Blicke hat. Das klaustrophobische Gefühl in der Stadt lässt sich auf dem Dach am leichtesten überwinden. Ich bin schon ein bekennender Dachterrassenfan. Ganz oben ist man auch direkt am Wetter, das ist selbst in der Stadt ein besonderer Ort. Um diese vermehrt zu schaffen, würde ich mir eine Lockerung der regulatorischen Vorgaben wünschen, die sind oft zu restriktiv.

Dorothee Stürmer: Der Blick auf das Dach ist die sogenannte "fünfte Ansicht", und bietet eine wunderbare Aufenthaltsqualität, besonders, wenn die grünen Freiräume am Boden begrenzt sind. Zudem tragen bepflanzte Dachterrassen auch zur Kühlung der Stadt bei. Das sind sehr qualitätvolle Lebensräume für verschiedene Spezies in verdichteten Städten.

Haus Hochschild: Blickachse vom Arbeitszimmer zum Wohnraum

Für die Realisierung derartiger Umbauvorhaben braucht es neben einer Expertise in der Statik auch das Handwerk. Für unseren maßgeschneiderten Innenausbau habt ihr mit dem Innenarchitektur- und Schreinermanufaktur Team von Holzrausch kooperiert. Wie war diese Zusammenarbeit?

Peter Begon: Sehr befruchtend. Wir haben schon oft mit guten InnenarchitektInnen und HandwerkerInnen zusammengearbeitet und deren Herangehensweise ist auch für uns anregend. Diese Kooperationen beruhen auf gegenseitigem Respekt vor dem jeweiligen Entwurf. Sie haben unser Grundkonzept im Innenausbau umgesetzt. Bei so einem hohen Vertrauen ineinander kann man sich über die Dichte der Qualität und der Gedanken freuen, an deren Ende ein durchgängiges Gestaltungskonzept für den Innenausbau steht. Da uns ein stimmiges Ergebnis sehr wichtig ist, haben wir uns gefreut, mit dem sehr erfahrenen Team von Holzrausch zusammenzuarbeiten.

Dorothee Stürmer: Der Fokus auf den Innenausbau prägt auch unsere Entwurfsmethodik und die Materialien, die wir auswählen. Bereits in den frühen Projekten haben wir die Küchen und die Einbaumöbel selbst geplant und mit verschiedenen Schreinern realisiert. Die Ergebnisse all dieser Untersuchungen führen wir in einem präzisem Entwurfs- und Materialeinsatz zusammen. Die präzise Ausführung bis ins Detail ist entscheidend für die gesamte Ausstrahlung. Ein Beispiel sind Pinselstrich-Anstriche im Gründerzeitbestand gegenüber lackierten Oberflächen. In jüngster Zeit arbeiten wir mit Julia Graf von Studio Riva als Kooperationspartnerin für die Innenarchitektur intensiv zusammen.

Wie stellt ihr sonst euer Netzwerk auf?

Peter Begon: Unser Netzwerk ist dynamisch und wir haben das Glück, dass die Zusammenarbeit jeweils auf gegenseitiger Wertschätzung beruht. Die Unternehmen fragen auch bei uns an, weil sie wissen, dass sie mit uns eine Ebene finden, um handwerklich und architektonisch hochwertige Aufgaben umsetzen zu können

Dorothee Stürmer: Ganz prinzipiell wird durch das Bauen im Bestand auch das Handwerk erhalten, denn bei diesen Projekten braucht man Personen, die die Techniken kennen, zum Beispiel die Aufbauten von Putzen. Wie kann man den vorhandenen Putz ergänzen, ohne dass der alte abgeschlagen werden muss? Wie bleibt die Farbe darauf haften? Für diese Fragestellungen braucht es eine besondere Kompetenz und je mehr wir im Bestand bauen, umso eher bleibt dieses Wissen erhalten.

Parkvilla: Ehemalige Steinhalle
Parkvilla: Die zentrale Halle mit ihren neuen großzügigen Verbindungen

Ein Problem des Handwerks ist auch der Personalmangel, da immer weniger junge Leute die Berufe ergreifen. Dabei müsste der Hauptteil unserer Gebäudesubstanz in den nächsten Jahrzehnten saniert werden. Das könnten sich bei einer schwindenen Dichte von Handwerksbetrieben dann nur noch sehr wohlhabende EigentümerInnen leisten.

Dorothee Stürmer: Dabei sind die Baupreise jetzt schon gigantisch. Mit Blick auf die Nachhaltigkeitskritierien ist es der einzige richtige Weg den Bestand zu ertüchtigen, zu reparieren und zu nutzen, anstatt neu zu bauen. Uns beeindruckt immer wieder, mit welcher Leidenschaft die Handwerksbetriebe sich ihrer Thematik widmen.

Peter Begon: Das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Beruf bildet zum einen Fehlstellen, zum anderen ist es auch eine Chance, die aber noch nicht wirklich in der Gesellschaft angekommen ist. Der Respekt vor dem Handwerk fehlt oft. Dabei ist die Leitung eines Handwerksbetriebes eine sehr komplexe Aufgabenstellung, da braucht man kluge Köpfe. Die gesellschaftliche Anerkennung würde die Transformation erleichtern. Baustellen sind ein gutes Beispiel für die europäische Integration, denn es gibt in jedem Land talentierte HandwerkerInnen, und wir können uns glücklich schätzen, wenn diese bei unseren Projekten mitarbeiten.

Der Hauptteil eurer Projekte ist in der Region Frankfurt/Rhein-Main angesiedelt. Was reizt euch an dieser Region?

Peter Begon: Wir versuchen so wenig Zeit wie möglich zu verschwenden, das betrifft auch die Anfahrtswege zu den Projekten. Ich betrachte es als großes Privileg, meine Baustellen stressfrei mit dem Fahrrad erreichen zu können, das darf auch gerne mal eine Baustelle in Dreieich Buchschlag sein, 40 Minuten hin und 40 Minuten zurück sind geschenkte Trainingszeit. Wir sind mit der Region eng verbunden. Frankfurt am Main wird hinsichtlich der Lebensqualität stark unterschätzt. Es gibt hier zahlreiche Grünflächen und die Wege sind kurz.

Dorothee Stürmer: Wir möchten mit unserer Arbeit auch einen Beitrag zur lokalen Baukultur leisten. Wir kennen mittlerweile die Viertel und ihre Entstehungsgeschichten, auf die wir uns beziehen. Aus den Projekten sind zudem viele Freundschaften entstanden. Die räumliche Nähe trägt zu der gemeinsamen Ebene bei und stärkt unser lokales Netzwerk.

Wie wählt ihr aus, mit welchen BauherrInnen ihr zusammenarbeiten möchtet?

Peter Begon: Man spürt relativ schnell, ob man einen Konsens findet. Zudem suchen wir oft gemeinsam mit den KundInnen die Immobilie aus, die umgebaut werden soll. Die Wahl der Architektin oder des Architekten ist ein wenig wie die Suche nach dem Arzt oder der Ärztin des Vertrauens. Wenn man eine Person gefunden hat, der man vertraut, arbeitet man lange mit ihr zusammen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass wir mit dem Vorhaben, ein Haus zu kaufen, kontaktiert werden und dann über ein bis zwei Jahre gemeinsam nach dem passenden Objekt schauen. Wir steigen also bevorzugt früh in den Prozess ein, nicht erst, wenn ein Haus gekauft ist. In dem Sinne fungieren wir auch als BeraterInnen, da für die Umsetzung der Ideen ein Planungsrechtsverständnis gefragt ist, ein realistisches Abschätzen des Sanierungsaufwandes und der Möglichkeiten, die der Bestand bietet, um diesen in ein passendes Zuhause zu verwandeln.

Dorothee Stürmer: Vorrangig liegt uns hierbei eine selbstverständliche Einbindung in die Umgebung, der Respekt vor der baulichen und sozialen Nachbarschaft und die Umsetzung der Nutzungsanforderungen der heutigen BewohnerInnen am Herzen, einschließlich der Eröffnung von langfristigen Nutzungsmöglichkeiten Im Grunde sind das Gebäude und seine NutzerInnen wie PartnerInnen, die zusammenfinden müssen. Nicht jedes Gebäude passt für jede Bauherrin oder jeden Bauherrn. Wir beraten die meisten bereits vor dem Erwerb, prüfen, ob ihr Raumbedarf und auch das Budget zu dem Gebäude passen.

Wohnhaus 20er Jahre: Die Raumskulptur der Treppe wird wieder spürbar, Prägelinoleum Lincrusta als Wandbekleidung im Treppenhaus
Wohnhaus 20er Jahre: Partyraum im Küchenanbau
Wohnhaus 20er Jahre: Blick auf den Anbau von der OG-Terrasse

Wie berechnet ihr diesen Service, der nicht zu den regulären Grundleistungen der Honorarabrechnung für ArchitektInnen und IngenieurInnen zählt?

Peter Begon: Wir erstellen ein Angebot für die Prüfung, die baurechtlichen Schritte und die notwendigen Begehungen.

Dorothee Stürmer: Wenn wir unsere KundInnen bei der Suche begleiten, arbeiten wir nur dann zusammen, wenn ein Objekt zur Diskussion steht, nicht permanent.

Peter Begon: Somit lässt sich der Service transparent auf Basis der geleisteten Stunden abrechnen. Das ist für uns der beste Weg, die Bedürfnisse der BauherrInnen perfekt im Blick zu haben, auch wenn dieser sicher nicht der lukrativste ist, denn die Prozesse sind häufig lang. Ein gutes Ergebnis ist nur mit einer guten Bauherrenschaft möglich.

Dorothee Stürmer: Unser Stil ist zudem nicht vorgefasst, wir richten unsere Herangehensweise nach dem Projekt aus und besprechen die Schritte gemeinsam mit den BauherrInnen. Der ergebnisoffene Prozess ist oft die beste Lösung, denn so entsteht die Idee gemeinsam aus dem Verbund BauherrInnenschaft, Architekturbüro und Handwerk.

Die Bauordnung ist in den letzten Jahren komplexer geworden, wie schafft ihr es durch diese Nadelöhre zu navigieren?

Dorothee Stürmer: Ich habe an der Technischen Universität Darmstadt Entwerfen und Baudurchführungsplanung als Assistentin gelehrt. Das hat mir ein Grundverständnis für die Anforderungen der Bauordnung gegeben und dazu kamen sehr viele Fortbildungen. Ich hatte mal einen Professor, der meinte, man müsse neben aller Kenntnis zu den Regeln, das Baurecht auch kreativ angehen, sich nicht nur darauf fokussieren, was die Grenzen sind. Die Herausforderung annehmen und innerhalb der Bauordnung neue Wege finden. Das machen wir, aber natürlich wünschen wir uns generell weniger Regularien im Umgang mit dem Bestand.

Villa Schrey: Glockengiebel, freigelegte Konstruktion vor dem Umbau
Villa Schrey: Raum im Glockengiebel, nach dem Umbau 2015

Peter Begon: Die Gesetze der Bauordnung sind im Grunde für Neubauten erdacht worden, nicht für den Umbau. Zudem gelten teils noch Regularien, die aus dem Funktionalismus der Nachkriegszeit stammen – in dieser Zeit waren die Räume für Wohnen, Büro und Industrie klar getrennt. Heute arbeiten viele Menschen im Home Office oder leben in Appartments, die hotelähnliche Services anbieten. Die Funktionstrennung von damals gibt es nicht mehr. Daher wäre es an der Zeit, die Bauordnungen auszudünnen. Die aktuelle Überregulierung führt auch zu einer Flut an Formularen, wenn eine Nutzungsänderung im Bestand gefragt ist. Die Verfahren werden dann unnötig komplex wie teuer. Ich denke eine Reduktion wäre hier ohne Qualitätsverlust möglich.

Dorothee Stürmer: Angesichts des großen Aufwands und der Kosten rechnet sich dann womöglich ein Abriss mehr als die Erhaltung des Bestands. Das kann einfach nicht sein, auch hinsichtlich des CO2 Fußabdrucks und der Feinstaubbelastung, die durch den Abriss freigesetzt wird. Die Tatsache, dass der Bausektor für 38 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich ist und die Erkenntnis, dass Bestandsgebäude CO2-Speicher sind, können nur zu der Schlussfolgerung führen, dass es gesellschaftlich von hoher Priorität ist, maximal viel Bestand zu erhalten, zu nutzen, umzunutzen und zu ändern. Zum Glück ist die Thematik "Bauen im Bestand" mittlerweile auch Teil der akademischen Ausbildung. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein: So nachhaltig zu bauen, dass die Konstruktion auch nach hundert Jahren repariert werden kann und damit für unsere sich wandelnden Bedürfnisse nutzbar bleibt.