Die Designgeschichte kennt ihren eigenen Boulevard. Die romantische Geschichte geht angeblich so: Wir schreiben das Jahr 1966. Gunter Sachs – Industriellenerbe, Bobfahrer, Fotograf und Playboy – wirbt um Brigitte Bardot, die in jenen Jahren wohl begehrteste Frau der Welt. In einer Vollmondnacht lässt er erst aus einem Helikopter rote Rosen auf ihr südfranzösisches Anwesen La Madrague regnen und legt dann im Smoking mit seinem Riva-Boot an dessen Steg an. Sein Werben hat Erfolg. Wenig später zeigen Fotos das strahlende Paar – er in Badehose, sie im Bikini – an Bord eines Riva-Boots an der Côte d’Azur. Se non è vero, è ben trovato.
Für die, wie es in den vergleichsweise beschaulichen Jahren des Wirtschaftswunders hieß, „oberen Zehntausend“, war ein Riva-Boot unverzichtbares Statussymbol und stilvolles Accessoire. Das monegassische Fürstenhaus, Prinzessin Ira zu Fürstenberg, Prinz Aga Khan, König Hussein, Filmstars wie Liz Taylor, Jean-Paul Belmondo, Sean Connery und zahllose Angehörige des Jetset besaßen solch ein offenes Sportboot von Riva. Auf dem Lago di Como, an der Côte d’Azur oder in der Bucht von St. Tropez fuhren wohlgebräunte Vertreter der High Society in dunklen Mahagonibooten Wasserski oder, allzu neugierigen Blicken entzogen, zum ungestörten Baden oder zur nächsten Party. Tempi passati.
Carlo Riva, 1922 in Sarnico am Lago d’Iseo geboren, war der älteste Sohn des Werftbesitzers Serafino Riva. Sein Vater hatte hauptsächlich Rennboote auf Bestellung gebaut und auch selbst an solchen Rennen teilgenommen. Als Carlo die Werft 1949 übernahm, begann er in Serie „pleasure boats“ aus Mahagoni zu bauen. Trugen die Boote zunächst nur eine Bezeichnung aus zwei Buchstaben, so bekamen sie von 1952 an klangvolle Namen: „Sebina“ – nach einem alten Namen für den Lago D’Iseo; „Ariston“ – nach einem Mailänder Kino; „Florida“ – nach dem amerikanischen Bundesstaat, Anfang der 1950er Jahre für viele ein Sehnsuchtsort.
Statt aus Planken wurden die Bootsrümpfe von 1958 an aus formverleimten Seiten gebaut, die in Pirelli Pressen hergestellt wurden („armored laminate“). Die „Junior“, die 1966 auf den Markt kam und sich an die „jeunesse dorée" richtete, verwies mit ihren weiß lackierten Seiten zumindest optisch bereits auf die aufkommenden Rümpfe aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Zu den Olympischen Sommerspielen 1968 in Mexiko wurde als letztes Serienmodell die „Olympic“ aufgelegt. 1969 verkaufte Carlo Riva die seit dem 19. Jahrhundert in Familienbesitz befindliche Werft, blieb aber als Geschäftsführer bis 1971 in Sarnico.
Boote von Riva gelten als das ultimative Sportcabrio fürs Wasser, vergleichbar einem Ferrari oder Maserati für die Straße. Eleganz, Stilbewusstsein und Handwerk bilden eine unverbrüchliche und bis heute unerreichte Einheit. Es wurden nur beste Materialien verwendet und auf der Grundlage der langen Erfahrung im Bootsbau präzise verarbeitet. Sogar die Schlitze der Schraubenköpfe wurden einheitlich ausgerichtet. Bemerkenswert ist, dass sich Carlo Riva die amerikanischen „Runabouts“ (englisch umgangssprachlich „kleiner Flitzer”) von Chris Craft zum Vorbild für seine Boote nahm, diese aber so veränderte, dass sie mit einer Liegefläche ebenso ideal zum Sonnenbaden wie als Zugboot zum Wasserskilaufen taugten. Ein aus Holz gebautes Riva-Boot hat aber nicht nur einen unverwechselbaren Look. Carlo Riva hat den gestreckten Bootskörper so lange optimiert, bis die Bugwelle ein perfektes V bildete. Das sieht nicht nur gut aus, sondern ist auch ideal zum Wasserskilaufen.
Bei den klassischen Riva Booten besteht der Bootskörper aus Holz mit fugenloser, tiefroter Mahagonibeplankung. Ein starker Innenborder mit wohlig tiefem Sound treibt die Boote an. Viel Chrom, einen knappe, an den Seiten schwungvoll auslaufende Panoramascheibe, ein klassisches Armaturenbrett mit weißem oder zweifarbigem Steuerrad, weiße, farbige oder apart gemusterte Ledersessel und dahinter eine gepolsterte Liegefläche sowie ein schlank auslaufendes Heck sind die prägenden Merkmale des Riva-Designs.
Mit einem alten Riva Super Florida, Tritone, Ariston oder Aquarama kann man nichts falsch machen. So ein Boot hat einfach Klasse; es wirkt solide und glamourös zugleich, dabei nie neureich oder protzig. Ganz im Unterschied zu vielen Sportbooten und Yachten heutiger Produktion. Gunter Sachs, der gleich mehrere Rivas besaß, hat die Diva mit dem Namen Riva einmal beschrieben als „italienische Stilsicherheit in höchster Vollendung, kombiniert mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks und der Zuverlässigkeit von US-Elitemotoren“. Als Innenborder eingebaut wurden starke Achtzylinder von Chrysler und Cadillac, auf Wunsch auch schon mal Triebwerke von Lamborghini.
Als 1962 auf der Mailänder Bootsmesse die „Aquarama“ vorgestellt wurde, erreichte das Riva-Fieber seinen Höhepunkt. Die „Aquarama“ gilt bis heute als der Inbegriff einer Riva und wurde unter den Reichen und Berühmten jener Zeit rasch zum ultimativen Objekt der Begierde. Ob aufgrund ihrer Panoramawindschutzscheibe oder nicht, der Name ist von dem Breitwand-Filmformat „cinerama“ des amerikanischen Kinos abgeleitet. Auf die „Aquarama“ folgen weitere Modelle wie die „Aquarama Super“ und die „Aquarama Special“. Obwohl die Werft bereits 1969 parallel mit der Konstruktion von Glasfaserbooten beginnt, verlässt erst 1996 die letzte „Aquarama Special“ die Werft. Heute – Riva gehört inzwischen zur Ferretti Gruppe – stellt die Werft noch immer Motorboote und Yachten der Luxusklasse her. Leider sind darunter keine mehr allein aus Holz.
www.riva-yacht.com
www.riva-club.de
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