IAA 2017
Kühlschränke auf Rädern?
Ein tiefgreifender Wandel in Sachen Mobilität scheint unabwendbar, der Verzicht auf liebgewonnene Gewohnheiten inklusive. Gibt sich die Automobilindustrie bei der aktuellen IAA deshalb bescheiden? Keineswegs. Das universale Selbstfahrgerät soll möglichst bleiben, wie es ist, mit einer Ausnahme: Wo bislang ein Verbrenner bollerte, surrt künftig ein elektrischer Antrieb. Also sehen die Limousinen und SUVs künftig aus wie aus Sciencefiction-Hollywoodfilmen, das zeigen all die i Visions dynamic, Concepts EQ, all die Aicons und Elaines – oder wie die einander doch sehr ähnlichen Vorstellungen von einer Zukunft auf vier elektrisch angetriebenen Rädern sonst noch heißen.
Da aber noch nicht feststeht, wann genau wir, verbunden mit Facebook, in solch autonomen Sänften voller Screens unterwegs sein werden, wird weiter am bisher erfolgreichen Muster gefeilt: Fast alle Hersteller machen jetzt kleine SUVs. Nicht, dass ihre stark und übermächtig, im Design oft protzig und recht aggressiv auftretenden großen Brüder, diese ängstlich mit lauter Souveränitätszeichen vollgestopften Fluchtfahrzeuge der Wohlstandsgesellschaft, verschwunden wären. Die Kleinen gehören nun eben auch zur Familie. Sie leiden zwar an Wachstumshemmung, ihr genetischer Code aber ist mehr oder weniger derselbe geblieben – bei VW T-Roc, Seat Arona, Kia Stonic & Co.
Automobildesign mag ein überaus komplexer Prozess sein. Am Ende – ob beim Rundgang über die IAA oder später beim Händler – zählt dann aber doch das Ergebnis. Lässt man beim Betrachten der aktuellen Modelle zur Abwechslung mal wesentliche Unterschiede in Größe, Antrieb, Leistung, Ausstattung, Preis, Image und Prestige beiseite, so bleiben in Sachen Design zwischen Audi und Cherry, Mercedes und Borgward, BMW und Kia nur Nuancen übrig. Nicht ein einziges wirklich verrücktes Modell mit, sagen wir, einer Karosserie aus Bambus, Stoßfängern aus Filz oder mit psychedelischem Lichterspiel in der Kabine gibt es zu bestaunen. Ob das daran liegt, dass sich auf dem Feld der Mobilität hauptsächlich zwei gleich technikaffine Menschengruppen tummeln: Maschinenbauer und Nerds?
Wie dem auch sei, schaut man der aktuellen Produktion ins akkurat designte Gesicht, so fragt man sich: Hat sich, seit vor die Kutsche keine Pferde mehr gespannt werden, am rollenden Gehäuse tatsächlich nur in Details etwas geändert? Wird die Grundform lediglich retuschiert, hier mit einer neuen grafischen Gestalt aufgefrischt, dort um ein blinkendes Lichterspiel ergänzt? Droht dem aktuellen Automobildesign gar das Schicksal von Kühlschränken? Die Technik bei Kühlschränken ist weitgehend dieselbe, allein Front, Griff und Innenraumgestaltung variieren – und am Ende entscheidet die Attraktivität von Preis und Marke darüber, was man kauft. Entsprechende Merkmale sind bei Automobilen das „Gesicht“ und zwischen den Scheinwerferaugen der Kühlergrill. Daran soll man die Marke schon im Rückspiegel erkennen. Je verwechselbarer die Modelle daherkommen, umso deutlicher treten sie hervor: Grill und Logo, Markenzeichen und Etikett.