Materialien sind die Ausgangspunkte seiner Kollektionen. Beim Entwurf von Gläsern, Textilien, Kupfergefäßen und Zinntellern verlässt sich Design-Verleger Thomas Eyck dann auf Designer wie Studio Job, Christien Meindertsma und Scholten & Baijings. Sie bekommen von ihm eine „Carte Blanche“ und können nach eigenem Gusto aus dem jeweiligen Material eine Serie mit mehreren Objekten entwickeln, die dann von einem traditionellen Handwerksbetrieb gefertigt werden. Eyck selbst hat Kunstgeschichte und Architektur studiert, bevor ihn die Faszination für Handwerkstechniken zum Unternehmer machte. Juliane Grützner sprach mit dem Niederländer über sein Interesse für Material und Handwerk. Juliane Grützner: Was ist Ihre Berufsbezeichnung? Thomas Eyck: Ich bin Design-Verleger. Ich beauftrage Designer damit, Produkte aus bestimmten Materialien zu entwerfen. Ausgangspunkt für mich ist immer das Material, nicht die Gestaltung. Wie gehen Sie dabei vor? Eyck: Ich gehe zu einer Firma, die mit einem Material arbeitet, das mir gefällt. Zum Beispiel Glas, Porzellan, Papier oder Holz. Dann frage ich einen Designer, ob er Lust hat, aus diesem Material etwas für mich zu entwickeln, und ob er sich vorstellen könnte, mit dieser Firma zusammenzuarbeiten. Dabei ist der Designer frei, das zu entwickeln, was ihm einfällt. Ich gebe ihm nie vor, ein konkretes Produkt wie eine Vase oder einen Teller zu entwerfen. Die meisten Produkte aus Ihrer Kollektion sind mit traditionellen Handwerkstechniken hergestellt. Warum sind Sie so fasziniert von dieser Art des Arbeitens? Eyck: Für mich bedeutet Handwerk die größtmögliche Konzentration auf das Material. Ich habe sieben Jahre in der niederländischen Keramikfirma Royal Tichelaar Makkum gearbeitet, die unter anderem mit Hella Jongerius, Jurgen Beij und Marcel Wanders zusammengearbeitet haben. Dort habe ich handwerkliches Arbeiten schätzen gelernt, denn diese Firma macht alles selbst: Sie baut Porzellanerde ab, entwickelt Werkzeuge und stellt Produkte her. Das hat mich begeistert. Wann haben Sie Ihre eigene Firma gegründet? Eyck: In dem Moment, als ich Lust hatte, mit anderen Materialien zu arbeiten. Das war 2007. Ihre Kollektion „t.e.“ besteht aus Produkten wie Gläsern, Textilien, Gefäßen aus Kupfer und Zink sowie Kleinmöbeln. Geht es Ihnen darum, traditionelle Handwerkstechniken zu bewahren, um sie weiterleben zu lassen? Eyck: Mir geht es in erster Linie darum, Geschichten mit unterschiedlichen Materialien zu erzählen. Deshalb würde ich auch niemals ein Produkt aus meiner Kollektion herausnehmen, nur weil es sich nicht gut verkauft. Es gehört zu einer Materialgeschichte, die immer aus mehreren Episoden besteht. Daher darf keins fehlen. Welche Geschichten möchten Sie mit Ihren Produkten erzählen? Eyck: Geschichten über die Schönheit des Materials und über die Herstellungsweise des Produktes … Was Ihre Produkte von anderen unterscheidet, ist ihre Persönlichkeit. Sie stehen für sich selbst, denn man sieht ihnen die Handschrift des Gestalters nicht an, der sie entworfen hat. Eyck: Dann habe ich mein Ziel erreicht! Welche Handwerkstechniken benötigen Sie für die Herstellung Ihrer Kollektion? Eyck: Ich arbeite unter anderem mit Seilern, Korbflechtern, Schreinern, Kupfer- und Zinnschmieden sowie Glasbläsern zusammen. Welche Schwierigkeiten treten auf, wenn Sie mit handwerklichen Betrieben zusammenarbeiten, die Ihre Produkte herstellen? Eyck: Ich treffe oft auf Unternehmen, die ihr handwerkliches Können von Generation zu Generation weitergeben. Sie arbeiten immer auf dieselbe Art und Weise, wodurch ihre Arbeiten manchmal altmodisch aussehen. Wenn man da mit neuen Entwurfsideen kommt, muss man diese Unternehmen erst einmal davon überzeugen, sich selbst zu erneuern. Was können Sie über das Verhältnis von Handwerk und Design sagen? Welche Auswirkungen hat es auf den Produktionsprozess? Eyck: Der Produktionsprozess dauert natürlich länger und die Produkte werden teurer. Daher ist meine Kollektion auch nicht für die Wegwerf-Gesellschaft gedacht, sondern für Leute, die sie ein Leben lang aufbewahren. Vielleicht geben sie sie von Generation zu Generation weiter, das ist jedenfalls meine Vorstellung. Gibt es besonders in der heutigen Zeit, in der Schnelllebigkeit und Identitätsverlust unser Leben bestimmen, das Bedürfnis nach Lokalem, nach Traditionellem, nach Dingen, die eine höhere Wertigkeit und längere Beständigkeit haben? Eyck: Ja, das denke ich. Wie wichtig ist Ihnen Nachhaltigkeit in der Produktentwicklung? Kennen Sie das Cradle-to-Cradle-Prinzip? Eyck: Ja, das kenne ich. Wenn wir zu hundert Prozent recycelbare Produkte entwerfen wollen, dann dürfen wir gar keine mehr entwerfen. Für mich ist „Cradle-to-Cradle“ ein Business-Modell. Ich glaube nicht daran. Meine Produkte sind dadurch nachhaltig, dass sie langlebig sind. Wie hoch ist die Auflage Ihrer Produkte? Eyck: Es sind immer limitierte Auflagen, vierzig oder fünfzig Stück, weil sie so aufwendig in der Herstellung sind. Die Firmen, die sie für mich fertigen, hätten sonst Schwierigkeiten mit der Abwicklung ihrer eigenen Produktion. Wer kauft Ihre Gläser, Kupfergießkannen, Tapeten und Holzmöbel? Eyck: Der High-End-Markt. Museen, Nobelkaufhäuser wie das Bon Marché in Paris oder Selfridge in London sowie ein Großhändler in Hongkong, DFS Galleria, der Shops in mehreren asiatischen Ländern betreibt. Sehen Kunden Ihre Produkte als Geldanlage an? Eyck: Richtig. Sie sind außerdem als Kurator für das Zuiderzee’s Museum in Enkhuizen tätig. Worauf ist es spezialisiert? Eyck: Es ist ein Freilichtmuseum, das alte Handwerkstechniken zeigt. Das begeistert mich. Haben Sie bei der aktuellen Ausstellung „From craftmanship to abstraction“ mitgewirkt? Eyck: Nein. Zurzeit bin ich nur als externer Berater tätig, da mein eigenes Unternehmen mich so sehr beschäftigt, dass ich wenig Zeit fürs Museum habe. Aber wir treffen uns mehrmals im Jahr, um Themen für kommende Ausstellungen zu besprechen. Wie wählen Sie die Designer aus, die für Ihre Kollektion arbeiten? Welche Fähigkeiten müssen sie mitbringen? Eyck: Wie bereits erwähnt, wähle ich das Material aus, das ist der Einfluss, den ich auf meine Kollektion habe. Dann suche ich einen Designer, der Erfahrung mit diesem Material hat, und frage ihn, ob er Lust hat, etwas für meine Kollektion zu entwerfen. Das ist ein Gefühl, das man mit der Zeit entwickelt, um Materialhersteller und Designer zusammenzuführen. Mit welchem Material arbeiten Sie gerade? Eyck: Für 2013 ist eine Serie mit Lederprodukten geplant, die das Designbüro Dick van Hoff gestalten wird. Warum arbeiten Sie ausschließlich mit niederländischen Designern zusammen? Eyck: Weil wir viel öfter zusammenkommen können, um die Entwicklungen einer neuen Serie zu besprechen. Wir treffen uns zwanzig bis dreißig Mal, um uns auch mit dem Handwerksbetrieb abzustimmen. Das wäre mit einem Designer, der im Ausland lebt, nicht möglich. Ich hätte Bedenken, dass das Ergebnis der Arbeit dadurch zu oberflächlich ausfallen könnte. Wie leben Sie? In einem schicken Appartment in der Stadt oder in einem alten Bauernhof auf dem Land? Eyck: Ich lebe und arbeite in einem Bauernhof aus dem 18. Jahrhundert, in der Nähe von Oosternijkerk, das nur etwa 900 Einwohner hat. Mein Arbeitsplatz ist eine Galerie, in der meine Kollektion ausgestellt ist. Ich liebe es nach den vielen Reisen, die ich berufliche mache, in diese Idylle zurückzukommen.
Aus Liebe zum Material
04.07.2012
Der niederländische Designverleger Thomas Eyck ist begeistert von Materialien und Handwerk, Foto © Thomas Eyck
Der niederländische Designverleger Thomas Eyck ist begeistert von Materialien und Handwerk, Foto © Thomas Eyck
Zinnteller „t.e.015“ von Studio Job, Foto © Thomas Eyck
Zinnkerzenständer „t.e. 019“ von Studio Job, Foto © Thomas Eyck
Kissenbezug „t.e. 037“ aus Merinowolle von Scholten & Baijings, Foto © Thomas Eyck
Serviettenring „t.e. 050“ aus geflochtenen Weiden von Scholten & Baijings, Foto © Thomas Eyck
Glaskrug „t.e. 055“ von Scholten & Baijings, Foto © Thomas Eyck
Die Leuchte „t.e. 077“ hängt an einem geflochtenen Flachsseil von Christien Meindertsma, Foto © Thomas Eyck
Aus einem Flachsseil gewickelt: Hocker „t.e. 079“ von Christien Meindertsma, Foto © Thomas Eyck
Kupfergießkanne „t.e. 08“ von Aldo Bakker, Foto © Thomas Eyck
Installation von 63 Käfern aus glasiertem Porzellan „t.e. 099“ von Designbüro RaR, Foto © Thomas Eyck
Teppich „t.e. 119“, Stuhl „t.e. 112“ und Tisch „t.e. 116“ von Christien Meindertsma, Foto © Thomas Eyck
Schrank aus Eichenholz „t.e. 117“ von Christien Meindertsma, Foto © Thomas Eyck
Tapete „t.e. 126“ von Irma Boom, Foto © Thomas Eyck
Thomas Eyck lebt und arbeitet in einem Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert in der Nähe von Oosternijkerk, Fotos © Thomas Eyck