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Ata, angewandt?
von Martina Metzner
12.09.2014

Der, um den sich alles dreht, bleibt sichtlich gelassen: Im Frankfurter Museum Angewandte Kunst (MAK) sitzt ein eher kleiner Mann, dessen Erscheinung – mit Rauschebart, tief in den Nacken gezogenem weißen Käppi, beide Hände in die Taschen einer gemusterten Trainingshose gesteckt –, man durchaus als drollig bezeichnen kann: Der DJ und Gastronom Ata Macias. Er sitzt hier nicht als Macher einer Schau, sondern als Gegenstand einer Ausstellung.

Das Stück beginnt. Die Bühne betreten Matthias Wagner K, der Direktor des Hauses, die Kuratorinnen Mahret Kupka und Eva Linhart – und in der Mitte Ata „himself“, den jeder nur beim Vornamen nennt. Natürlich steht die Frage im Raum: Wie ist es dazu gekommen, einen lebenden DJ und kreativen Macher, einen Mann der Gastronomie und des Nachtlebens, der den Großraum Frankfurt in den letzten zwei Jahrzehnten mit dem Musikclub „Robert Johnson“, dem Plattenladen „Delirium“, dem Conceptstore „Bergman“ sowie der Bar „Plank“ und der Open-Kitchen-Reihe des „Club Michel“ wie kaum ein anderer geprägt hat, eine komplette Ausstellung zu widmen? Und das in einem Haus wie dem Museum Angewandte Kunst? Matthias Wagner K erläutert: Von 90 Prozent der Dauerausstellung habe man sich im Zuge der Neuausrichtung getrennt, um Raum für Transformation zu bieten. Ziel sei das Museum als Möglichkeitsraum, in dem Dinge aufgebrochen werden und kulturelle Prozesse entstehen. Und das, was Ata mache, sei angewandte Kunst, so Wagner K, der „Dii-Tscheiii“ so ausspricht, dass man merkt, der Museumsdirektor ist nicht der versierteste Clubgänger.

Ataversum als Kunst

Die Kuratorin Mahret Kupka legt nach. Auch wenn Ata natürlich nach klassischer Definition kein Künstler sei – er schaffe mit seinem „Ataversum“ ein Netzwerk, erzeuge Knotenpunkte, Atmosphären und Räume, woraus Prozesse und Kooperationen entstünden. Ganz schafft es Kupka trotzdem nicht, das Gerücht aus der Welt zu räumen, man habe Ata erst davon überzeugen müssen, dass das, was er mache, Kunst sei. Dann – endlich, spricht Ata selbst und bekennt: „,Come On In My kitchen’, der Name des Robert Johnson-Buchs, ist auch mein Lebensmotto.“ Das Leben, so der Neukünstler, spiele sich bei ihm immer wie in einer Küche ab, in die er all seine Freunde einlade, ob Djs wie Heiko M/S/O, Ricardo Villalobos, Sven Väth und Roman Flügel oder Künstler wie Tobias Rehberger, Carsten Fock oder Michael Riedel. Und natürlich seine Club-Mitstreiter Sebastian Kahrs und Heiner Blum. Vieles geschehe „aus dem Bauch heraus“, komme „von Herzen“. Ata ist ein Mann der einfachen, direkten Worte: „Ursprünglich wollte ich Innenarchitekt werden, doch dann merkte ich schnell, dass ich mich am Plattenspieler wohler fühlte als am Reißbrett.“

Sofern man das „Ataversum“ nicht schon aus eigener Anschauung kennt, kann man es nun in der Ausstellung des MAK durchschreiten. Raum 1 wurde von Atas Freund und Künstler Michael Riedel inszeniert, der seine ursprüngliche Arbeit „Johnson Robert“ – der Club, auf den Kopf gestellt – von 2004 hier wiederholen wollte, was in den Räumen allerdings nicht geklappt hat. So ist daraus das „Robert Johnson zum Zusammenstellen“ geworden: Sämtliche Bauteile liegen ordentlich arrangiert bereit, aus denen man sich einen individuellen Club basteln kann. Im folgenden Raum wird sodann – audiovisuell – das Ata Macias-Archiv mit Postern, Covern von Alben, T-Shirts und Fotos aus dem Nachtleben aufgeblättert, durch das man sich mittels eines Joysticks in der Mitte des Raumes quasi „scrollen“ kann. Am nächsten Stopp wartet die Tapete von Fotograf Daniel Herrmann, die schon mal im Robert Johnson angebracht war und die das Geschehen im Club über sieben Jahre hinweg dokumentiert: Gesichter von Partygängern, in Schwarz-Weiß, verschwitzt, erschöpft, in Ekstase, aber nicht wirklich abgefeiert wie man es von den Raves aus den 1990ern kennt.

Die Musik dazu erklingt leider nur in Kopfhörern aus einer Jukebox, die Heiner Blum, Professor an der HfG Offenbach und Mit-Initiator des Robert Johnson, gestaltet hat. Es sind Tracks „made by“ Ata und seinen Partnern, von seinen Plattenlabels Playhouse, Klang Elektronik, Ongaku und Live at Robert Johnson. Vorbei an Filmdokumentationen aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel, wo Ata sich mit dem Club Michel und seiner Bar Plank niedergelassen hat – und wo er auch wohnt.

Das Leben ist ein Conceptstore

Vorbei an Carsten Focks Tapete, der Replik einer Wandarbeit im Robert Johnson von 2008, gelangt man schließlich in den Conceptstore. Hier ist Ata in seinem Element, hier kommen alle seine Lebens- und Geschäftsbereiche zusammen: Musik, Mode, Kunst und Kochen. Und das Beste daran ist: Alles kann man kaufen. Denn Ata ist trotz seiner Laissez-Faire-Haltung eben ein ausgesprochen cleverer Geschäftsmann. 30 Sondereditionen gibt es, Objekte von befreundeten Künstlern, Herstellern und Ata selbst, die eigens für „Give Love Back“ gestaltet wurden. Etwa die Kreis-, Quadrat- und Dreiecks-Leuchten von Nordlicht, eine Hommage Atas an das Bauhaus. Oder die Buchstabenleuchte „Yes No“ von seinem Kumpel Tobias Rehberger, mit dem Ata die Kochveranstaltungsreihe des Club Michel gegründet hat, wo die beiden gern auch selbst hinter den Kochtöpfen stehen. Außerdem gibt es hier „Höchster Porzellan“, Schuhe von Adidas und Camper, Küchenutensilien von „Menu“ und „Normann Copenhagen“, Taschen von „Early“ und „Tsatsas“ und Lampe-Gras-Leuchten von DCW éditions. Und natürlich der „Blank“-Likör – dessen Schöpfer, Ata-Freund Christoph Keller von der Destillerie Stählemühle am Bodensee, sogar ein zusätzlicher Ausstellungsraum samt einer kupfernen Destille aus dem Hause Arnold Holstein gewidmet ist. Auch seine Plattensammlung hat Ata hier aufgebaut – und will sie veräußern. „Ich bin jetzt 46. Ich brauche sie nicht mehr. Irgendwann soll man sich von liebgewonnen Sachen trennen“. Ein junger Dj habe schon Interesse bekundet. Ach ja, den Boden vom Robert Johnson kann man auch kaufen. „Give Love Back.“

Alles kommt zurück

Ata ist schon jetzt eine Ikone. Um ihn bekannt zu machen, hätte es die Schau nicht gebraucht, erst recht nicht für Jünger der Elektromusik rund um den Globus. Seit 1999 zählt Atas minimalistisch gestalteter Club, der an der Stadtgrenze von Offenbach zu Frankfurt liegt, zu den angesagtesten Adressen für elektronische Musik weltweit – und trägt damit das Erbe von Frankfurts Technoszene der 1990er Jahren um Sven Väth in die Zukunft. Für die Frankfurter ist Ata der Szene-Gastronom, der Läden wie das Plank geschaffen und damit das Bahnhofsviertel salonfähig gemacht hat. Andere Projekte, wie der 1991 gegründete Clubwear-Laden „Delirium“ oder Deutschlands erster, 1999 eröffneter Conceptstore „Bergman“, in dem es auch Möbel von e15 zu kaufen gab, sind leider Vergangenheit.

Derzeit gilt „Give Love Back“. Neue Freundschaften hätten sich durch die Ausstellung ergeben, erklärt der Frankfurter Tausendsassa mit griechischen Wurzeln. Sein Netzwerk, es steht nie still, und lässt sich auch im Museum weiterspinnen. Was auch bedeutet: Ata wird älter und seriöser, das MAK jünger und cooler. Aber Ata „angewandt“? Vielleicht lässt sich die Frage so beantworten: Die richtige Party zur Ausstellung findet nicht im MAK, sondern im Robert Johnson statt.


Give Love Back. Ata Macias und Partner
Eine Ausstellung zur Frage, was angewandte Kunst heute sein kann.
13. September 2014 bis 11. Januar 2015
Museum Angewandte Kunst, Frankfurt
www.museumangewandtekunst.de

Buchtipp zur Ausstellung:
Come On In My kitchen: The Robert Johnson Book
Hrsg. Ata Macias und Christoph Keller
JRP Ringier Kunstverlag, Zürich, 2012/ Christoph Keller Editions
Englisch, 376 Seiten
www.jrp-ringier.com


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