Starke Möbel aus Papier
Anna Moldenhauer: Wie ist die Zusammenarbeit mit der PaperShell AB entstanden?
Andrea Mulloni: Wie eine gute Beziehung ist die Idee im Laufe der Zeit gewachsen. Mathieu Gustafsson, einer der Gründer der PaperShell AB, hat uns vor einigen Jahren auf einer Fachmesse von seiner Forschung erzählt. Ein Material, das die Kohlenstoffemissionen reduziert ist für uns natürlich interessant. Wir haben dann gemeinsam experimentiert, um die technischen Details des Produkts zu verstehen, vor allem das natürliche Bindemittel. Das Team war zudem daran interessiert, inwiefern das Material für die Möbelindustrie verwendbar sein könnte.
Welche Herausforderungen waren auf dem Weg zu lösen?
Andrea Mulloni: Heutzutage werden die meisten Möbel aus Holz, Kunststoff und Metall hergestellt. Im Vergleich zu den Fortschritten in den verschiedenen Technologien geht die Entwicklung neuer Materialien sehr langsam voran und erfordert eine Vielzahl von Tests. In diesem Fall hat sich die Geduld ausgezahlt: Das Ergebnis für "Catifa Carta" ist eine doppelt gekrümmte Sitzschale, die normalerweise aus teurem Holz hergestellt werden müsste, das aus laminierten Elementen mit kleinen Mikrolöchern besteht. PaperShell ist im Vergleich dazu erschwinglich und zu 100 Prozent biogen. Es hat die gleichen Eigenschaften wie Holz, besteht aber aus stabilem, tragfähigem Papier. Dies bietet uns die Möglichkeit, das aus PaperShell hergestellte Material in verschiedene Projekte zu integrieren, mehr Menschen zu erreichen und somit weltweit Emissionen zu reduzieren.
Warum wurde die Form des Stuhls "Catifa53" für das erste Möbel aus PaperShell ausgewählt?
Andrea Mulloni: "PaperShell" ist universell einsetzbar – für die erste Präsentation haben wir uns entschlossen ein Möbel aus dem Sortiment zu nutzen, dass eine gewisse Ikonizität hat und an dem sich die Eigenschaften des Materials gut erklären lassen. Die Form von "Catifa53" von Lievore Altherr Molina aus dem Jahr 2001 war ideal dafür. Der Stuhl ist zudem das erste Produkt von Arper, für das eine Umweltdeklaration (EPD = environmental product declaration) ausgestellt wurde.
"Catifa Carta" kann vollständig in die Einzelteile zerlegt werden – wie hat sich das auf das Design ausgewirkt?
Andrea Mulloni: Die Form selbst war bereits nachhaltig – überdenken mussten wir im Grunde nur die Verbindung zwischen dem Sitz und dem Gestell, um die bisherige Struktur mit dem neuen Material zu halten. In eine fünf Millimeter dicke Schale kann man keine Schraube einbringen. Also musste eine Stütze her, die wir ebenfalls aus PaperShell gefertigt haben. Wir wollten keine Elemente, die nicht aus dem Ganzen gelöst werden können, aber auch keine sichtbaren Verbindungen. Es ging uns darum, die Grenzen zu verschieben und das betraf auch eine Optimierung von Strukturen, die von außen nicht sofort sichtbar ist.
Ihr setzt auf lokale LieferantInnen, woher stammt das Material für "Catifa Carta"?
Andrea Mulloni: Das Metall für das Gestell stammt aus unserem eigenen Unternehmen, das nur 70 Kilometer von unserem Hauptstandort in Treviso produziert. PaperShell wird derzeit noch an seinem Ursprungsort in Schweden hergestellt – wir überdenken aktuell diese Abläufe, um die Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten. Wir prüfen zum Beispiel, ob der Rahmen und die Sitzschale getrennt an die KundInnen verschickt werden können. Mit anderen Worten: Wir teilen uns die Logistik auf. Das Tolle an der Produktionsstätte in Schweden ist, dass die Holzabfälle, die für die Kraftpapierproduktion benötigt werden, in der unmittelbaren Nachbarschaft gewonnen werden.
Arper arbeitet derzeit an der Entwicklung von Rücknahmelösungen für das Recycling, wie ist da der aktuelle Stand?
Andrea Mulloni: Wir bieten bereits einen weltweiten Reparaturservice für unsere Möbel an und sind ständig bestrebt, in puncto Nachhaltigkeit weitere Fortschritte zu erreichen. Die Entwicklung eines Rücknahmesystems ist keine Kleinigkeit, da wir zahlreiche Aspekte prüfen müssen, von der Lagerung der zurückgegebenen Artikel über deren Klassifizierung bis hin zur Weiterverarbeitung. Erfreulicherweise ist das Material äußerst robust, so dass in den üblichen 8-10 Jahren, in denen der Stuhl im Einsatz ist, keine Beeinträchtigung der Leistung zu erwarten ist. Wir denken, dass es am sinnvollsten ist, sich zunächst auf ein Produkt zu konzentrieren und den Prozess dafür zu perfektionieren. Ein Rücknahmesystem ist nur dann sinnvoll, wenn nur solche Produkte an den Hersteller zurückgegeben werden, die dieser wiederverwenden oder ordnungsgemäß recyceln kann. "Catifa Carta" ist ein guter Ansatzpunkt. Was die Idee der Kreislaufwirtschaft angeht, haben wir außerdem ein Pilotprojekt in den Niederlanden gestartet, wo die KundInnen sehr aufgeschlossen sind. Wir setzen uns dort mit den Unternehmen in Verbindung, die vor etwa zehn Jahren Möbel bei uns gekauft haben, und stellen fest, welche Reparaturarbeiten erforderlich sind. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir ein Umdenken herbeiführen wollen. Wir wünschen uns eine Welt, in der die Reparatur oder Verjüngung eines Produkts nach jahrelangem Gebrauch eine Selbstverständlichkeit ist.
Wie wollen Sie mit der PaperShell AB weiterarbeiten?
Andrea Mulloni: Die PaperShell AB ist ein eigenständiges Unternehmen, sprich sie haben auch andere KundInnen als Arper und das ist auch gut so. Nachhaltige Materialien sollten für alle verfügbar sein und nicht unter Exklusivverträgen stehen. Wir werden die Entwicklung als Produkt weiter nutzen und die Möglichkeit ausloten, es auch auf andere Kollektionen zu übertragen. Ebenso evaluieren wir aktuell, wie wir die Materialreste weiterverwerten können, die bei der Produktion anfallen. Diese Art des proaktiven Denkens über jede einzelne Auswirkung auf die Umwelt und jedes einzelne Material ist das, was uns antreibt.