Gefaltet und geknickt wie eine Origami-Schlange, windet sich das „Museo del Chocolate Nestlé“, das Schokoladenmuseum entlang der Schnellstraße Paseo Tollucan in der Nähe der Stadt Toluca. „Der rote Alebrije“ wird das Museum genannt, denn das Gebäude sieht aus wie jene mexikanische tierähnliche Fantasiefigur, die aus Holz geschnitzt und farbenfroh bemalt wird. Die Räume des Museums erinnern ein wenig an die Schokoladenfabrik, die Tim Burton einst für den Film „Charly und die Schokoladenfabrik“ erschuf: Nach einer musealen Einführung zur Geschichte der Schokolade, gelangt man über Gänge, Tunnel und Aussichtsplattformen zur eigentlichen Schokoladenherstellung in die bestehende Fabrik und wird ganz von der Welt der Schokolade eingenommen. In nur drei Monaten entstand dieser Bau – und damit ist nicht nur die Bauzeit, sondern auch die Entwurfsphase gemeint.
Mehrwert–Architektur
Die Architekten, die die Schokoladenwelt so schnell entworfen und geplant haben, sind Rojkind Arquitectos. Gegründet wurde das Büro 2002 von Michel Rojkind in Mexiko Stadt. Hier ist er geboren und aufgewachsen, hier hat er studiert. Seit 2010 führt Rojkind das Team mit rund 25 Mitarbeitern gemeinsam mit Büropartner Gerardo Salinas. Für Rojkind muss Architektur mehr sein als nur einem Raumprogramm zu genügen und das in eine entsprechende – im besten Falle ansprechende – Form zu bringen. Vielmehr sollte Architektur in seinen Augen auf soziale, politische und wirtschaftliche Bedürfnisse reagieren und der Gesellschaft einen Mehrwert bieten.
Metalltassen für mehr Achtsamkeit
Mit dem Projekt „Portal de la Percepción“, dem „Portal der Achtsamkeit“, möchte der Architekt die öffentliche Wahrnehmung für den städtischen Raum schärfen – und das versucht er wie folgt: Am Paseo de la Reforma, der prominentesten Straße Mexico Citys, hat das Architekturbüro eine Installation aus Metalltassen geschaffen. An 1.497 Knoten befinden sich knapp 1.500 Tassen in unterschiedlichen Farben. Die dadurch entstandene Netzstruktur spannt sich als eine Art Dach über den Fußgängerweg. Durch die Form der Struktur und durch die Reflektionen auf den farbigen Metalltassen scheint es, als ob sich das Portal bewegen würde, wenn man als Passant hindurch geht.
Mehr Qualität des urbanen Raums
Auch die Sanierung und Erweiterung der „Cineteca Nacional Siglo XXI“, des nationalen Filmarchivs und Filminstituts, ist ein Projekt, das über eine „gute“ Architektur – im Sinne Rojkinds – hinaus geht. Rojkind Arquitectos ergänzen das bisherige Raumangebot durch zusätzliche Nutzungsangebote im öffentlichen Raum, wie beispielweise einem Freilichttheater, Einzelhandelsflächen und einer umfangreichen Landschaftsgestaltung. Diese ergänzenden Nutzungen beschreiben jenen Anspruch, den der mexikanische Architekt formuliert, wenn er über den Mehrwert von Architektur für den Menschen spricht. Architekten sollten ihre Fähigkeit, Raumqualitäten zu erkennen, nutzen um über die Projektanforderungen hinaus diese Qualitäten für alle erlebbar zu machen.
Die Liste von Rojkinds nationalen wie internationalen Projekten, Publikationen, Ausstellungen, Jurytätigkeiten, Vorträgen und Auszeichnungen ist lang, sehr lang. Die wohl sympathischste Auszeichnung lautet: Rojkind sei einer der „150 Movers, Shakers and Makers That Have Rocked the World in the Last 15 Years“, so das Wallpaper-Magazin im Jahr 2011. Und ein bisschen sieht man Michel Rojkind noch an, dass er während seines Architekturstudiums als Schlagzeuger in einer von Mexikos bekanntesten Bands gerockt hat. Nun rockt er als Architekt Mexiko und die Welt.
Grafik © Rojkind Arquitectos
Grafik © Rojkind Arquitectos